Hoffe, Ihr seid alle gut rübergekommen. Zum (möglicherweise verkaterten) Jahresauftakt heute mal ein einfaches Grundlagenthema.
Am 31.12.2018 war bei uns der späteste Sonnenaufgang in diesem Winter.
Wie jetzt? Ist der nicht zur Wintersonnenwende, genau wie der früheste Sonnenuntergang? Nein, der früheste Sonnenuntergang war schon am 12. Dezember. Glaubt Ihr nicht? Isso.
Wiesodattdenn?
Herr Kepler, mal wieder
Es gibt zwei Gründe. Der wesentlichere ist das zweite Keplersche Gesetz. Das besagt, dass Planeten, die auf ihrer (nach dem ersten Keplerschen Gesetz elliptischen) Bahn um die Sonne sich in Sonnennähe (Perihel) schneller bewegen als in Sonnenferne (Aphel); genauer gesagt überstreicht ein gedachter Strahl von der Sonne zum Planeten in gleichen Zeiten gleiche Flächen. Da die Erde der Sonne am 3. Januar 2019 um 06:191 am nächsten ist (147,1 Millionen km), bewegt sie sich also im Winter etwas schneller um die Sonne als im Sommer (Aphel war zuletzt am 6. Juli 2018 um 18:46 MESZ mit 152,1 Million km).
Ja und, was hat das mit der Tageslänge zu tun?
Eine Menge. Die Erde dreht sich bezüglich des Sternenhimmels als feste Referenz im Unendlichen einmal in 86163,5 Sekunden um sich selbst, das sind 23h56m und 3,5s. Dann steht derselbe Stern wieder genau im Süden wie am Tag zuvor. Die Rotationsperiode der Erde nennt sich ein Sterntag.
Wir richten unsere Uhren aber sinnvollerweise nicht nach den Sternen, sondern nach der Sonne, und es dauert 24h, bis die Sonne von Südstellung zu Südstellung eilt. Da sich die Erde im gleichen Sinn um die Sonne dreht wie um sich selbst (siehe Bild unten, gegen den Uhrzeigersinn, wenn man von Norden aus auf die Bahn schaut), muss sich die Erde jeden Tag ein bisschen weiter als einmal um sich selbst drehen, um die Sonne einzuholen, denn die Sonne eilt von Tag zu Tag ein wenig voraus gegenüber den Sternen. In einem Jahr um volle 360°, d.h. pro Tag um ca. 360°/365,2422 Tage = 0,986°/Tag oder fast genau ein Grad. Ein Grad macht 60 Minuten · 24 /360°= 4 Minuten/°=240s/° Unterschied, genauer machen 0,986°·240s/°= 236,5s aus, und um 236,5 s ist der Sonnentag länger als der Sterntag.
Jedenfalls im Mittel.
Denn die Erde bewegt sich an nur zwei Tagen mit der mittleren Geschwindigkeit um die Sonne; im (Nord-) Frühjahr und Sommer bewegt sie sich langsamer, im Herbst und Winter schneller; deswegen liegen zwischen Frühlings- und Herbstanfang (21.3-23.9) 186 Tage, zwischen Herbstanfang und dem nächsten Frühlingsanfang 179 Tage (in Schaltjahren 180).
Wenn sich aber in der kalten Jahreszeit die Erde pro Tag weiter bewegt als in der warmen, dann muss sich die Erde auch weiter drehen, damit die Sonne wieder in Südstellung steht. Im Bild oben ist rechts über “Dezember” der Winkel, um den sich die Erde pro Tag verschiebt, als schwarzer kleiner Pfeil dargestellt, (stark übertrieben, damit man’s besser erkennt). Deswegen muss sie sich um den kleinen roten Winkel oben rechts weiter drehen, um den langen roten Pfeil, der die Orientierung der Erdkugel anzeigt, in Richtung der Sonne zu verschieben (Sonne steht wieder in Pfeilrichtung). Beide Winkel sind exakt gleich groß. Das heißt, der wahre Sonnentag von Mittag zu Mittag dauert im Winter länger als der mittlere Sonnentag von 24h. Und zwar bis zu einer halben Minute!
Damit verschieben sich sowohl die Uhrzeit des Sonnenhöchststands wie auch des Sonnenauf- und -untergangs jeden Tag ein wenig nach hinten. Für den Sonnenaufgang bedeutet das, dass er sich im Dezember nicht nur wegen der bis zum 21. Dezember, der Wintersonnenwende, täglich tiefer stehenden Sonne nach hinten verschiebt, sondern auch wegen der größeren Länge des Sonnentages über die Wintersonnenwende hinaus: der Sonnenaufgang verschiebt sich noch einige Tage danach weiter nach hinten, obwohl die Nächte von der Wintersonnenwende an beginnen, kürzer zu werden. Davon profitiert vor allem der Sonnenuntergang, der wegen der höher steigenden Sonne und wegen der größeren Tageslänge nach der Wintersonnenwende später erfolgt. Deswegen liegt auch der früheste Sonnenuntergang bereits einige Zeit vor der Wintersonnenwende.
Im Sommer ist alles umgekehrt (siehe Bild): die Erde bewegt sich langsamer auf ihrer Bahn, die Sonne braucht weniger als 24h von Südstellung zu Südstellung (wahrer Sonnentag kürzer als 24h), Sonnenauf- und -untergang verschieben sich täglich zu früheren Zeiten, deswegen findet der früheste Sonnenaufgang schon am 17. Juni statt und der späteste Sonnenuntergang erst am 25. Juni, während die kürzeste Nacht zur Sommersonnenwende am 21. Juni stattfindet (stimmt für Köln).
Kommt auch auf die Breite an
Oder so. Es kommt nämlich noch ein zweiter Effekt hinzu, nämlich der Breitengrad, auf dem man sich befindet. Im Bild unten sehen wir die Situation für zwei Orte auf verschiedenen Breiten. Die geographische Breite entspricht dem dargestellten Winkel zwischen der scheinbaren Bahn der Sonne im Tageslauf (parallel zum Himmelsäquator), die gestrichelte Linie weist zum Himmelspol. Die beiden parallelen Bahnen sollen der Sonnenbahn von Sonnenaufgang bis mittags zur Wintersonnenwende (untere Bahn) und einen Tag danach (obere Bahn) entsprechen.
Im oberen Bild ist die Situation für einen mittleren Breitengrad, etwa bei uns in Deutschland, dargestellt. Im unteren Bild ist es ein nördlicherer Breitengrad, der Winkel der gestrichelten Linie ist größer, die Sonnenbahn verläuft flacher. Der Abstand der Bahnen ist aber der gleiche, die Sonne ist in beiden Bildern zur Mittagsstellung von einem Tag zum nächsten gleich weit nach Norden gewandert.
Man sieht, dass der Sonnenaufgangspunkt in höheren Breiten im gleichen Tagesabstand eine größere Strecke nach Norden (links) wandert. Das bedeutet aber auch, dass der Sonnenaufgang entsprechend früher erfolgt. Denn die gestrichelte Linie vom Sonnenaufgang zur Wintersonnenwende zu der blaß dargestellten gestrichelten Sonne einen Tag danach entspricht dem Sonnenstand am Tag danach zur gleichen Uhrzeit. Und der liegt bei hoher Breite ein ganzes Stück weiter weg (also zeitlich später) vom Aufgangspunkt als bei mittlerer Breite. Das heißt, der Sonnenaufgang holt nach der Wintersonnenwende in nördlichen Breiten schneller gegen die langen wahren Sonnentage auf, als in südlicheren Breiten.
Und deswegen war z.B. in Stockholm der späteste Sonnenaufgang schon am 27. Dezember, in Köln am 31. Dezember, und in Rom erst am 4. Januar (steht in den Links jeweils unter der Tabelle).
Na, hättet Ihr’s gewusst?
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