“Das in den heutigen Mondkalendern vermittelte “Wissen” ist kein uraltes, empirisches Bauernwissen wie in den Kalendern zur Legitimation der Regeln behauptet wird. Vielmehr sind es die Versatzstücke ehemals elitekultureller Welterklärungssysteme, die mehrmals aus dem jeweiligen Zusammenhang genommen und neu kontextualisiert wurden. Das Interpretament der “lebendigen Bauernweisheit” entstand im 19. Jahrhundert und wird im 20. Jahrhundert als Etikettierung höchst moderner Erscheinungen verwendet. (…) auch heute noch wird an den Mondkalendern weitergeschrieben.”
Auch Paungger und Poppe haben ihr “Wissen” wahrscheinlich nicht unbedingt nur vom weisen Großvater erhalten. Groschwitz zeigt, dass zentrale Aussagen des Buchs aus den “Aussaattagen” (veröffentlicht ab 1963) der Antrophosophin Maria Thun entnommen und dann einfach als “altes tirolerisches Bauernwissen” bezeichnet wurden.
Und wenn man sich ansieht, was heute alles mit dem Mond zusammenhängen soll, dann wird schnell klar, das es sich um neu geschaffene Regeln handeln muss und nicht um altes Wissen. Denn die wissenden Bauern vergangener Jahrhunderte werden sich wohl kaum mit Operationsterminen, Frisörbesuchen oder Kosmetika beschäftigt haben…
Was kann der Mond beeinflussen?
Gut, die Mondkalender beinhalten also keine alte Überlieferung. Aber er beeinflusst die Menschen ja sicherlich trotzdem, oder? Da war doch was mit Gravitation und dem menschlichen Körper, der auch aus Wasser besteht und so…
Das der Mond die Erde beeinflusst ist klar. Über die Gezeitenkräfte und den Einfluss des Mondes auf die Stabilität der Erdachse habe ich schon geschrieben. Daraus aber nun zu schliessen, das der Mond auch einen Einfluss auf den menschlichen Körper hat, ist allerdings falsch. Der Mensch besteht zwar zu einem großen Teil aus Wasser – aber verglichen mit den Ozeanen ist die Wassermenge in einem Menschen enorm klein. Und bei den Gezeitenkräften kommt es eben auf die Menge an! Ebbe und Flut kann man nur in sehr großen Gewässern beobachten. Oder hat schonmal jemand Gezeiten im Bierglas beobachtet? Oder in der Badewanne? Selbst in Seen beobachtet man kaum Gezeiten (die ganz großen ausgenommen) – die Gezeitenkräfte, die der Mond auf einen Menschen ausübt, sind vernachlässigbar gering. Ein kleines Beispiel kann das illustrieren: Wie stark die Gravitation wirkt, hängt ja von der Masse ab. Ändert sich die Masse, ändert sich auch der gravitative Einfluss. Und ein normaler Mensch ändert seine Masse ständig! Wer ein Haar oder eine Hautschuppe verliert, wird ganz minimal leichter. Und der Unterschied in der Anziehungskraft des Mondes der durch den Verlust einer Hautschuppe entsteht ist viel größer als die Gezeitenkraft, die der Mond auf den Mensch ausübt! Über die viel stärkeren Masseänderungen durch Nahrungsaufnahme und Ausscheidungen will ich jetzt gar nicht reden. Die gravitative Anziehung des Mondes ist natürlich auch völlig unabhängig von der Mondphase! Die Gravitation wird bei Vollmond nicht stärker und bei Neumond nicht schwächer! Ein eventueller gravitativer Einfluss auf den Menschen wäre also unabhängig von der Mondphase oder davon, wo und in welchem Sternzeichen der Mond am Himmel steht!
Die Gravitation scheidet also eindeutig als mögliche Quelle für einen möglichen Einfluss auf den Menschen aus!
Der Mond strahlt aber auch Licht aus! Vielleicht gibt es hier einen Einfluss? Das einige Lebwesen sich bei verschiedenen Dingen nach dem Mond richten, ist bekannt. Die Forschungsrichtung, die dieses Thema untersucht nennt sich Chronobiologie und beschäftigt sich mit der zeitlichen Organisation und dem Auftreten von Rhythmen bei den verschiedensten Organismen. Und der Mond, als hellste natürlich Lichtquelle in der Nacht stellt hier natürlich einen der stärksten Rhythmusgeber dar. Für Tiere die in Küstengebieten leben stellen die Gezeiten einen wichtigen Umwelteinfluss dar und darum ist es auch nicht verwunderlich, dass manche Tierarten z.B. ihren Paarungszyklus mit dem Mond synchronisiert haben.
Aber das hat immer noch nichts mit dem zu tun, was in den Monkalender behauptet wird. Ebbe und Flut spielen für die meisten Menschen keine große Rolle im Alltag und das Licht des Mondes wird meistens von künstlichen Lichtquellen überstrahlt.
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