Gestern abend wurde die Entdeckung von drei neuen extrasolaren Planeten verkündet. Alle bewegen sich um den selben Stern und alle sind vermutlich sehr klein – nur ein bisschen größer als unsere Erde. Diese Entdeckung ist nicht nur für sich alleine gesehen sehr interessant. Auch die restlichen (vorläufigen) Ergebnisse der zugrundeliegenden Beobachtungskampagne sind sehr aufschlußreich: fast jeder dritte Stern könnte Planeten haben!


Drei neue Super-Erden

In Nantes in Frankreich findet zur Zeit eine Konferenz zum Thema “Extra Solar Super-Earths” statt. Und dort wurde gestern die Entdeckung von drei Planeten um den Stern HD 40307 statt. Das besondere an dieser Entdeckung ist nicht die Tatsache, dass man gleich mehrere Planeten gefunden hat (Sterne mit drei und mehr Planeten sind schon einige bekannt) sondern die geringe Masse der drei Planeten. Der kleinste dieser drei Planeten – HD 40307b mit etwa der vierfachen Masse der Erde- ist nur wenig schwerer als der bisher kleinste bekannte Exoplanet. Die anderen beiden Planeten (mit etwa der sieben- und zehnfachen Masse der Erde) belegen Platz 6 und 9 in der “Rangliste” der kleinsten Planeten (hier sind die Pulsarplaneten ausgenommen, die sich allerdings auch nicht um einen “normalen” Stern bewegen sondern um einen Neutronenstern).

Gleich drei Planeten mit so geringer Masse in einem System zu entdecken ist außergewöhnlich. Die bisher entdeckten extrasolaren Planetensysteme sind ja meistens unserem eigenen Sonnensystem sehr unähnlich. Die meisten der bekannten Exoplaneten sind sehr groß (größer als Jupiter, der größte Planet in unserem Sonnensystem) und befinden sich sehr nahe an ihrem Stern (näher als Merkur, der sonnennächste Stern in unserem Sonnensystem). Wissenschaftler sind schon lange auf der Suche nach Planeten und Systemen die unserem Planetensystem ähnlicher sind. Die Entdeckung der Planeten um HD 40307 stellt hier einen wichtigen Schritt dar: nun hat man erstmals ein System entdeckt, in dem sich viele kleine Planeten befinden: so wie in unserem Sonnensystem!

Kleine Planeten sind schwer zu finden

Warum haben wir bis jetzt hauptsächlich große Planeten entdeckt? Das liegt erstmal an den verwendeten Methoden. Die meisten Exoplaneten wurden mit der sogenannten Radialgeschwindigkeitsmethode entdeckt. Das funktioniert folgendermassen: nicht nur der Planet wird gravitativ vom Stern beeinflusst sondern auch ein klein wenig der Stern vom

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Planet. Der Planet bewegt sich also um den seinen Stern – und der “wackelt” gleichzeitig ein kleines bisschen hin und her (siehe Bild rechts). Von der Erde aus gesehen bewegt sich der Stern also mal ein wenig auf uns zu, dann wieder von uns weg. Das führt dazu, dass sich auch die Frequenz des vom Stern ausgesandten Lichts in periodischen Abständen größer bzw. kleiner wird. Und das kann man messen! Und mit viel Rechnerei lässt sich aus dieser periodischen Frequenzverschiebung dann ableiten, ob und welche Planeten dort existieren. Natürlich ist das “Wackeln” umso größer, je schwerer der Planet ist und je näher er sich beim Stern befindet. Diese Planeten sind also viel leichter zu entdecken – es ist also nicht verwunderlich, wenn wir vorerst hauptsächlich solche Planeten entdecken.

Auch die zweite wichtige Methode zur Planetenentdeckung bevorzugt große Planeten. Bei der Transitmethode beobachtet man das Licht, das ein Stern ausstrahlt. Wenn von der Erde aus gesehen nun zufällig gerade ein Planet vor dem Stern vorüberzieht, dann erreicht uns kurzfristig ein klein wenig Licht als vorher – in etwa so wie bei einer Sonnenfinsternis auf der Erde: hier bedeckt der Mond unsere Sonne und wir sehen weniger Licht. Auch bei dieser Methode lassen sich größere Planeten leichter entdecken als kleinere.

Natürlich arbeiten die Astronomen ständig daran, ihre Instrumente und Methoden zu verbessern. Deswegen werden in letzter Zeit auch immer kleinere Planeten entdeckt. Eines dieser hochgenauen Instrumente ist der High Accuracy Radial velocity
Planet Searcher
(HARPS). Mit diesem von der ESO (Europäische Südsternwarte) Instrument des Genfer Observatoriums das bei der ESO in Chile betriebenen wird konnten auch die Planeten um HD 40307 entdeckt werden.

Das Problem mit der Masse

Die höchst erfolgreiche Radialgeschwindigkeitsmethode hat allerdings einen gravierenden Nachteil: die Masse eines Planeten lässt sich nur innerhalb gewisser Grenzen bestimmten. Wie stark ein Stern “wackelt” hängt nämlich auch vom Sichtwinkel auf das System ab. Schauen wir von der Erde aus gesehen exakt von “oben” auf das Exoplanetensystem, dann sehen wir den Stern überhaupt nicht wackeln. Beobachten wir das System hingegen von der Kante aus, dann beobachten wir den größten Effekt. Der Sichtwinkel lässt sich allerdings nur schwer bis überhaupt nicht bestimmen – die exakten Massen der Planeten sind also prinzipiell nicht bekannt. Die Massen, die veröffentlicht werden, sind auch immer nur “Minimumassen” – in Wahrheit sind sie wahrscheinlich höher. Über Planet HD 40307b  liest man beispielsweise überall (auch hier, zwei Absätze weiter oben) er hätte die vierfache Masse der Erde. Genaugenommen beträgt aber nur das Produkt aus Masse und dem Sinus des Sichtwinkels (M sin i) vier Erdmassen – dieser Wert gilt nur den optimalen Fall, in dem wir exakt auf die Kante des Systems schauen (i=90°). Beträgt der Sichtwinkel aber zum Beispiel nur 10°, dann hätte der Planet 23 Erdmassen – wäre also deutlich größer als der Gasplanet Neptun. Und HD 40307d – die “Super-Erde” mit der zehnfachen Erdmasse wäre dann noch deutlich größer und mit knapp 60 Erdmassen halb so groß wie Jupiter.

Bei aller Euphorie über die wirklich hervorragende technische Leistung dieser Entdeckung sollte man trotzdem vorsichtig sein, wenn man von “erdähnlichen” Planeten spricht. HD 40307 könnte anstatt von 3 “Super-Erden” auch von 3 größeren Gasplaneten umgeben sein.

Habitable Planeten

Viele Wissenschaftler und auf jeden Fall die Medien finden die Suche nach “habitablen” Planeten besonders interessant. Hier sucht man nach Planeten, die erstens erdähnlich sind – also eine feste Oberfläche und eine Atmosphäre haben – und sich zweitens genau im Richtigen Abstand vom Stern befinden, sodass die auf der Planetenoberfläche herrschende Temperatur flüssiges Wasser zulassen würde. Dieser Abstand hängt natürlich von der Größe und der Temperatur des Sterns (bzw. des Spektraltyps) ab. Zu nahe am Stern ist es zu heiß – zu weit weg, und man bekommt Eiswelten wie z.B. Pluto oder Titan in unserem Sonnensystem. Man muss also nicht nur nach kleinen Planeten suchen, sondern auch nach solchen, die den richtigen Abstand haben. Das folgende Bild zeigt eine schematische Übersicht darüber, wie die habitable Zone von der Masse des Sterns abhängt:

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Bei den sonnenähnlichen Sternen befindet sich diese bewohnbare Zone etwa 150 Millionen Kilometer (das entspricht einer Astronomischen Einheit) von der Sonnen entfernt. Das ist – zumindest aus der Sicht der Planetenentdecker – schon eine sehr große Entfernung. Um hier Planeten zu entdecken müssen sie im Allgemeinen deutlich größer sein als ein erdähnlicher Planet. Bei schwächer leuchtender Sternen ist die habitable Zone näher am Stern und die Chancen, dort kleine Planeten zu beobachten sind größer. HD 40307 ist ein Stern vom Spektraltyp K. Seine Temperatur ist also etwa um 2000 bis 3000 Grad geringer als die Sonne. Auch die habitable Zone liegt näher am Stern: etwa in einem Abstand von  75 Millionen Kilometern (0.5 Astronomischen Einheiten).

Die drei dort entdeckten Planeten befinden sich allerdings viel näher am Stern! Ihre Umlaufbahnen haben Radien von etwa 0.05, 0.08 und  0.14 Astronomischen Einheiten. Zum Vergleich: die große Halbachse der Bahn von Merkur, des sonnennächsten Planeten in unserem Sonnensystem, beträgt 0.39 Astronomische Einheiten – die drei Planeten um HD 40307 sind also ihrem Stern alle sehr viel näher als der Merkur unser Sonne. Und sie befinden sich alle weit außerhalb der habitablen Zone! Insofern ist auch das mit der Pressemeldung der Entdeckung verschickte Bild ein bisschen irreführend:

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Es handelt sich zwar nur eine künstlerische Darstellung – aber mit einem Planeten voller weißer Wolken, Kontinenten und blauen Meeren wie dem im Vordergrund kann man dort wirklich nicht rechnen. Dafür wäre es dort deutlich zu heiß!


Weißt du wieviel Planeten stehen….

Abgesehen von den drei Super-Erden wurden auf der Konferenz in Nantes auch noch einige andere Entdeckungen verkündet. Eine weitere Super-Erde mit 7.5 Erdmassen (wieder: das ist nur die minimale Masse des Planeten) wurde um den Stern HD 181433 entdeckt und bei einem weiteren Stern fand man einen Neptun-ähnlicher Planet mit 22 Erdmassen.
Michel Mayor (der Entdecker des ersten extrasolaren Planeten, 51 Pegasi b und auch beteiligt an der Entdeckung der drei Super-Erden ) meinte dazu:

Offensichtlich sind diese Planeten nur die Spitze des Eisbergs. Die Analyse all der Sterne, die mit HARPS untersucht worden sind zeigt, dass etwa ein Drittel aller sonnenähnlicher Sterne entweder Super-Erden oder Neptun-ähnliche Planeten mit Umlaufzeiten kleiner als 50 Tagen haben”.

Es ist also damit zu rechnen, dass wir in naher Zukunft noch sehr viel mehr kleinere Planeten entdecken werden! Mayors Kollege, Stéphane Udry, sieht das genauso:

“Es ist sehr wahrscheinlich das noch viele weitere Planeten exisitieren: nicht nur Super-Erden und Neptun-ähnliche Planeten mit längeren Perioden sondern auch erdähnliche Planeten, die wir bis jetzt noch nicht entdecken können. Wenn man die schon entdeckten Jupiter-ähnlichen Planeten hinzuzählt, kann man zu dem Schluß gelangen das Planeten allgegenwärtig sind.”

Ob sich irgendwo auf all diesen Planeten allerdings tatsächlich Leben entwickeln konnte ist wieder eine ganz andere Frage. Aber ich bin eigentlich überzeugt davon, dass wir sie in den nächsten zwanzig bis fünfzig Jahren beantworten werden können!


Weiterführende Informationen:

Ähnliche Artikel: Neuer kleinster Exoplanet entdeckt, Rätselhafte Ankündigung einer Entdeckung, Kein Leben ohne Mond?

Kommentare (7)

  1. #1 Andylee
    17. Juni 2008

    Wow!

    Toller Artikel!
    Damit rückt Star Trek ja mehrere Lichtjahre näher *zwinker*

    Achja: vor wenigen Tagen war im TV eine Doku über Stargate und Wissenschaft, also die wissenschaftliche Grundlage der in Stargate verwendeten Sci-Fi-Elemente.

    Leider habe ich hier jetzt ein Dilemma:

    Ich habe auch eine Doku über Star Trek und Wissenschaft.

    In der SG-Doku sind Reisen durch ein Wurmloch theoretisch möglich (auch wenn man dabei zerfetzt wird, aber das ist eh nicht bezweifelt worden) während das die Star Trek Doku ablehnt und sagt, Reisen durch Wurmlöcher seien generell unmöglich, von wegen des Zeithorizonts.

    Was ist jetzt richtig?

  2. #2 florian
    17. Juni 2008

    @Andylee: Also da muss ich mich erst näher informieren. Kommt ja auch ausserdem drauf an, wie du ne Zeitreise definierst 😉 In die Zukunft geht sicher (sagt ja die Relativitätstheorie) – allerdings ohne Wurmloch.
    Wurmlöcher sind ja sowieso eine total hypothetische Angelegenheit – da konkrete Aussagen zu machen ist knifflig.

    Ich persönlich halte Zeitreisen (in die Vergangenheit) sowieso für unmöglich – das verursacht einfach zuviele Paradoxien und ist von vorn bis hinten unlogisch 😉

  3. #3 Christian
    18. Juni 2008

    Auch die Viele-Welten-Hypothese halte ich für nicht sehr glaubhaft (damit wird u.a. versucht, Vergangenheitsreisen theoretisch, unter Umgehung der von Florian erwähnten Paradoxien, zu umgehen). Mag sein, dass sie sich aus der Quantenphysik ableiten läßt, aber das ist nur ein Teilaspekt davon, das man m.E. nicht so einzelnd betrachten darf.

  4. #4 L. Carone
    23. Juni 2008

    Äh Florian…HARPS ist ein Instrument des Genfer Observatoriums, wird von denen betrieben und ist lediglich an ein ESO-Teleskop angeschlossen. Die Genfer sind da zu Recht sehr stolz drauf und wären nicht so begeistert, wenn Du deren Instrument mal eben der ESO zuschreibst.

    https://obswww.unige.ch/Instruments/harps/Welcome.html

    Nicht böse sein, aber da muss ich eine Lanze für die Kollegen aus Genf brechen 😉

  5. #5 Florian Freistetter
    23. Juni 2008

    @Ludmila: Oh… Danke für den Hinweis! Werde ich gleich ändern.

    Hier steht allerdings: “HARPS is the ESO facility for the measurement of radial velocities with the highest accuracy currently available.”. Das hat mich ein bisschen verwirrt 😉

  6. @Florian: Ok, das mit HARPS ist ein bisschen komplex und offensichtlich wird im PR-Geschäft…sagen wir mal “unsauber” formuliert. Kein Mensch möchte hören: An dem Gerät war der, die, das und 10 andere Institute beteiligt. Natürlich war die ESO auch maßgeblich beteiligt. Ohne die ESO wäre es nicht gebaut worden. Aber Michel Mayor vom Genfer Observatorium ist der PI des Instrumentes und damit letztendlich verantwortlich und außerdem war das Observatorium auch während des Baus eigentlich federführend und das sehe ich als ausschlaggebend.

    Die Zeiten sind halt vorbei, in denen immer nur eine Firma, eine Institution, ein Staat alleine für ein wissenschaftliches Großprojekt verantwortlich zeichnen und deswegen kann jeder Partner mit einer gewissen Berechtigung behaupten: Das ist meins.

    Ich find das zwar nicht gut, aber es ist in der PR wohl leider so.

  7. #7 Yadgar
    Qal'a-ye Nil, Bergisch-Afghanistan (linksrheinische Exklave)
    4. August 2019

    Bei der Definition der realen Masse bei der Doppler-Methode ist dir ein Fehler unterlaufen: es muss heißen Untergrenze_Masse mal *Kehrbruch* des Sinus des Sichtwinkels!