Dieser Tage sind Asteroiden und Kollisionen in allen Medien präsent. Übermorgen vor hundert Jahren (am 30. Juni 1908) fand im sibirschen Tunguska eine gewaltige Explosion statt die vermutlich auf einen Asteroiden zurückzuführen. Neue Modellrechnungen führen die Entstehung größten Flachebene auf dem Mars auf einen gigantischen Einschlag in der Frühzeit des Sonnensystems zurück und deutsche Forscher des DLR planen eine Satelliten ins All zu schicken, der uns vor Asteroideneinschlägen warnen soll.
Tunguska
Um das Ereignis, dass vor 100 Jahren in der sibirischen Taiga stattfand, ranken sich jede Menge Legenden. Dutzende Theorien existieren um zu erklären was damals geschah (und die meisten davon kann man nicht wirklich ernst nehmen).
Aber was genau ist denn nun damals passiert? Eine sehr detaillierte Schilderung der Ereignisse findet man schon im Blog von Michael Khan – ich werde mich daher hier eher ein bisschen kürzer fassen.
Fest steht jedenfalls das sich am Morgen des 30. Juni 1908 in der sibirischen Taiga eine gewaltige Explosion ereignte. Einwohner des Handelspostens Vanavara hörten ein lauter werdendes Donnern und sahen ein helles Objekt, dass eine Leuchtspur über den Himmel zog. Kurz darauf explodierte es noch in der Luft und eine enorme Druckwelle raste über die Taiga. Millionen Bäume wurde dadurch gefällt oder gingen durch die sich ausbreitenden Glutwolke in Flammen auf. In Vanavara selbst, dass 50 km vom Explosionsort entfernt lag, gingen Glasscheiben zu Bruch und einige Holzhäuser stürzten ein.
Ein Augenzeuge, S.B. Semenov, beschreibt das Ereignis folgendermassen:
“Ich saß morgens auf der Veranda meines Hauses in der Handelsstation Vanavara als der Himmel im Norden plötzlich entzwei brach. Der ganze nördliche Himmel hoch über den Wäldern schien in Flammen zu stehen. In diesem Moment fühlte ich eine große Hitze so als ob mein Hemd zu brennen angefangen hatte. Ich wollte mein Hemd ausziehen und es von mir werfen aber in diesem Moment gab es einen großen Knall am Himmel und ein enormes Donnern war zu hören. Ich wurde etwa 7 Meter weit von meiner Veranda weg zu Boden geworfen und war für einen Moment bewußtlos. Nach dem großen Knall folgte ein Geräusch das so klang als würden Steine vom Himmel fallen oder Kanonen abgefeuert. Die Erde bebte und als ich auf dem Boden lag schütze ich meinen Kopf aus Angst das ich von Steinen getroffen werde.”
Rentierhirten, die sich etwa 30 Kilometer vom Explosionsort entfernt befanden, beschreiben das Ereignis so:
“Früh am Morgen als noch alle im Zelt schliefen wurde es plötzlich mitsamt den Menschen in die Luft geblasen. Einige wurden bewußtlos. Als sie wieder zu sich kamen, hörten sie großen Lärm und sahen den Wald um sich herum zerstört und brennend. Der Boden bebte und ein enorm langes Grollen war zu hören. Die gesamte Umgebung war voller Rauch und Nebel von brennenden und fallenden Bäumen. Der Lärm hörte irgendwann auf und auch der Wind ebte ab. Viele Rentiere waren geflohen oder gestorben.”
Es hat sich damals also auf jeden Fall ein gewaltiges Ereignis abgespielt. Selbst hunderte Kilometer entfernt waren Lärm und Licht noch zu sehen und sogar im fernen Jena wurde das Ereignis noch mit Seismographen registriert. Da der Explosionsort sich aber in der kaum zugänglichen sibirischen Taiga befand, dauerte es bis 1927 bevor eine Expedition das Ereignis untersuchte. Leonid Alexejewitsch Kulik, ein russischer Mineraloge kämpfte sich durch die Wälder um herauszufinden, was 19 Jahre zuvor passierte. Er vermutete, dass damals ein Asteroid oder Komet in Sibirien eingeschlagen hatte – fand aber nur unzählige umgestürzte Bäume und keinen Krater. 11 Jahre später untersuchte Kulik das Gebiet von der Luft aus um anhand der umgestürzten Bäume vielleicht herausfinden zu können, was damals passiert war. Das folgende Bild zeigt so ein Luftbild:
Die umgefallenen Bäume sind ein deutliches Zeichen für die große Explosion, die hier stattgefunden haben muss. Aber warum hat man keinen Krater und keine Überreste des Asteroiden gefunden? An Theorien, was damals passiert ist, mangelt es nicht. Die meisten davon sind allerdings – naja – seltsam… Es wurde über abgestürzte UFOs spekuliert; über freigesetzte Antimaterie; ein fehlgeschlagenes Experiment von Nikola Tesla oder (LHC-Gegner aufgepasst!) die Kollision der Erde mit einem kleinen schwarzen Loch. Die seriöseren Theorien beschäftigen sich aber fast alle mit vulkanischer Aktivität oder Asteroideneinschlägen.
Forscher aus Bologna, die seit 1991 mehrere Expeditionen in das Gebiet durchgeführt haben, haben aus der Fallrichtung der Bäume folgende Grafik erstellt:
Man erkennt hier deutlich den Einflussbereich der Explosion. Wenn es sich tatsächlich um einen Asteroiden gehandelt haben muss, dann ist dieser schon in der Luft explodiert und die dadurch entstandene Druckwelle hat die Bäume gefällt. Anhand dieser Daten schlossen die Forscher, dass es sich um mindestens 2 Körper gehandelt haben muss, von denen der größere in etwa 6 bis 8 km Höhe explodiert ist; der andere ein bisschen weiter oben.
So ein Ereignis nennt man “Airburst” und es kommt eigentlich relativ häufig vor. Nur meistens bekommen wir davon nichts mit, weil sich diese Explosionen weit oben in der Atmosphäre abspielen. Wenn ein kleinerer Himmelskörper in die Erdatmosphäre eindringt und dann auf dichtere Luftschichten trifft, wird er schlagartig abgebremst und bricht auseinander. Seine Bewegungsenergie wandelt sich in thermische Energie um: er explodiert! Man schätzt, dass ein Asteroid, der ein Ereignis wie in Tunguska auslösen kann, etwa 80 bis 100 m groß sein muss. Und da der Asteroid schon in der Luft zerstört wurde, finden sich natürlich auch keine großen Krater am Erdboben.
Die Forscher aus Bologna glauben aber, nun vielleicht doch einen Krater gefunden zu haben. Der Cheko-See hat einige seltsame Eigenschaften die sich vielleicht dadurch erklären lassen, dass er kein echter See sondern ein Einschlagskrater ist. Aus exakten Vermessungen des Sees und der Umgebung wurde ein 3D-Modell erstellt. Das sieht man auf dem nächsten Bild auf dem auch der Wasserspiegel künstlich gesenkt wurde um die Form des Sees besser sichtbar zu machen:
Auch der Untergrund des Sees und die darunterliegenden Schichten wurden untersucht. Dabei fand man direkt unter dem Zentrum des Sees eine verdichtete Schicht. Das ist ein möglicher Hinweis darauf, dass es sich tatsächlich um einen Einschlagskrater handelt – oder vielleicht auch darauf, dass ein Bruchstück des Asteroiden noch dort liegt! In zukünftigen Expeditionen ist geplant, dort Bohrungen anzustellen und so vielleicht das Rätsel um Tunguska ein für allemal zu lösen!
Katastrophe am Mars
Betrachtet man die Oberfläche des Mars, dann fällt sofort eines auf: der Mars ist deutlich zweigeteilt:
Die nördlichen Hälfte des Mars wird von einer ausgedehnten Tiefebene dominiert (auf der Karte in blau dargestellt), die südliche Hemisphere zeigt Krater und Berge (rot). Über die Entstehung dieser Zweiteilung machen sich die Wissenschaftler schon seit Jahrzehnten Gedanken. Manche vermuteten, dass es sich bei der Tiefebene (mit dem Namen Vastitas Borealis) um einen ehemaligen Ozean handelt; andere führen die Unterschiede der Hemisphären auf einen gigantischen Asteroideneinschlag zurück.
Diese zweite These scheint sich nun bestätigt zu haben. Dieser Einschlag muss allerdings schon vor sehr langer Zeit stattgefunden haben und die Oberfläche des Mars hat sich (z.B. durch Vulkanausbrüche) verändert; entsprechend schwierig ist es, heute noch Spuren davon zu finden. Mit genauen Messdaten verschiedener Marssonden ist es nun allerdings einem Team von Wissenschaftlern gelungen, in einem Modell die jüngeren Oberflächenschichten quasi “abzuschälen”. Und das sah dann so aus:
Oben rechts im Bild sieht man die heutige Topografie des Mars; oben links die errechnete aus der Vergangenheit. Und da erkennt man deutlich einen riesigen Einschlagskrater. Zum Vergleich sind unten links und rechts noch zwei weitere große Krater (einer auf dem Mars und einer auf dem Mond) abgebildet. Alle drei weisen die typische elliptische Form auf, die auf einen Einschlag hindeutet. Dieser Krater auf dem Mars (das Borealis Basin) ist nun der größte bekannte Einschlagskrater im Sonnensystem und löst damit das Südpol-Aitken-Becken auf dem Mond als Nummer Eins ab.
Das Borealis Basin ist etwa 10000 km lang und 8500 km breit! Um so einen Krater zu erzeugen braucht es schon einen ordentlichen Asteroiden. Modellrechungen zeigen, dass vermutlich vor etwa 3.9 Milliarden Jahren ein knapp 2000 km großer “Asteroid” (Protoplanet wäre bei dieser Größe das bessere Wort) mit dem Mars kollidierte. Bei diesem Einschlag flogen Teile der Marskruste ins All (siehe Grafik rechts; Image Credit: J. Andrews-Hanna, MIT) ; die Schockwellen setzen sich durch das gesamte Marsinnere fort.
Dieses Ereignis muss wahrscheinlich so ähnlich gewesen sein, wie die Kollision zwischen der Erde und dem Protoplaneten Theia aus dessen Folgen unser Mond entstanden ist!
Asteroidenabwehr
Ein Einschlag wie auf dem Mars würde natürlich das sofortige Ende alles Lebens auf der Erde bedeuten. Glücklicherweise gibt es keine so großen Objekte mehr im Sonnensystem die der Erde gefährlich werden können. In der Frühzeit des Sonnensystems ging es noch etwas dicht gedrängter zu aber heute besteht kein Risko mehr für eine Kollision zwischen zwei großen Himmelskörpern.
Kleinere Asteroiden können der Erde aber durchaus noch gefährlich werden. Wäre das Tunguska-Ereignis z.B. nur ein paar Stunden später passiert, dann hätte die Explosion nicht über der menschenleeren sibirschen Taiga stattgefunden sondern z.B. über den dichtbesiedelten Benelux-Staaten. Das wäre eine Katastrophe ersten Ranges gewesen, mit tausenden Toten und zerstörten Städten und Regionen! Ereignisse wie Tunguska kommen nicht allzu oft vor: aus der Größenverteilung der Asteroiden schätzt man, dass so ein Einschlag bzw. so eine Explosion etwa alle paar hundert bis tausend Jahre stattfindet. Angesichts der verheerenden Folgen ist dieser Zeitraum allerdings kurz genug, um sich Gedanken darüber zu machen. Die großen Asteroiden, die globale Vernichtung verursachen können sind mehr oder weniger bekannt und ihre Bahnen werden beobachtet. Bei kleineren Objekten bis zu etwa 100 m (so wie der Tunguska-Asteroid) ist das aber ganz anders. Erstens gibt es davon deutlich mehr als von den großen Objekten. Und zweitens sind sie viel schwerer zu entdecken: es ist durchaus möglich das uns in der Zukunft so ein Asteroid ohne Vorwarnung trifft – einfach, weil er bisher noch nicht entdeckt wurde.
Deswegen gibt es weltweit mittlerweile schon einige Beobachtungsprogramme, die systematisch den Himmel nach Asteroiden absuchen; auch viele Amateurastronomen begeben sich jede Nacht auf die Jagd nach kleinen Himmelskörpern.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln will nun sogar einen Satelliten in die Umlaufbahn schicken um gezielt auf die Suche nach potentiell gefährlichen Asteroiden zu gehen:
“Erdnahe Asteroiden stellen ein Kollisionsrisiko für unseren Planeten
dar. Somit gehört es zu den Aufgaben des DLR, eine mögliche Gefahr für
das Leben auf der Erde abzuwenden. Das DLR sieht
sich mit einer solchen Mission als Teil internationaler Anstrengungen
zur Gefahrenabwehr. Damit sollen gleichzeitig unser Wissen über
Asteroiden, über ihre Anzahl und Größenverteilung verbessert sowie die
Prozesse im inneren Sonnensysteme besser verstanden werden.”
sagte Prof. Johann-Dietrich Wörner,
Vorsitzender des Vorstands des DLR.
Laut verschiedenen Rechnungen zur Größenverteilung der Asteroiden soll es immerhin mehr als 1000 Asteroiden mit einem Durchmesser größer als 100m geben, die sich innerhalb der Erdbahn um die Sonne bewegen. Und auf die Suche nach diesen potentiell gefährlichen Objekten soll sich nun der kleine Satellit “AsteroidFinder” machen mit dessen Entwicklung im Herbst begonnen werden soll.
Wenn so ein gefährlicher Asteroid früh genug erkannt wird, dann lässt sich eine Kollision vielleicht auch verhindern:
“Wenn man zehn Jahre vorher Bescheid weiß, kann man eine
Sonde losschicken, die Material am Gesteinsbrocken wegschleudert und
dadurch eine geringe Impulsänderung bewirkt. Mit jeder Erd-Umrundung
wird der Asteroid dann etwas weiter von der Erde weggelenkt”
sagt Ekkehard Würth vom DLR-Institut für Planetenforschung.
Wenn wir Glück haben, dann bleibt uns also ein zweites Tunguska in der Zukunft erspart…
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