Im Books Blog des Guardian findet sich heute ein interessanter Beitrag. David Barnett schreibt in “Wild and crazy guys: fiction’s maddest scientists” über verrückte Wissenschaftler in der Literatur. Und beginnt das Ganze mit einem Kommentar zum Teilchenbeschleuniger LHC.
“Ich würde nicht so weit gehen und die vermutlich hochqualifizierten und sehr professionellen Physiker, die sich heute an der Grenze zwischen Frankreich und der Schweiz versammeln als “verrückt” zu bezeichnen. Aber man muss sich die Frage stellen ob diese Forscher die den Schalter am LHC betätigen jemals in ihrem Leben einen Roman gelesen haben? Hätten sie als pickelige Teenager weniger Zeit damit verbracht Michael Nelkons Lehrbuch für fortgeschrittene Physik zu lesen und mehr Aufmerksamkeit auf Comics und Spionageromane gerichtet, dann würden sie vielleicht, angesichts ihrer Experimente mit denen sie den Urknall nachstellen wollen aus dem unser Universum entstand, die selbe Ängstlichkeit verspüren wie der Rest von uns.”
Ein ziemlich seltsamer Kommentar (und da rede ich noch gar nicht von der wieder mal falschen Aussage das am LHC der Urknall nachgespielt werden soll). Aber es scheint so, als würde Barnett hier ernsthaft (naja, vielleicht nicht ganz ernsthaft) Naturwissenschaftlern vorwerfen, nicht genug Science-Fiction zu lesen.
Sowas hört man auch nicht alle Tage 😉 Ich kenne dazu zwar keine Studien – aber ich vermute stark dass die Lektüre solch einschlägiger Bücher bei Naturwissenschaftlern signifikant höher ist als bei anderen Leuten. Ich kenne viele Leute die erst wegen dieser Bücher ihr Interesse an der Naturwissenschaft entdeckt haben und dann Wissenschaftler wurden.
Wie auch immer – ich halte das jedenfalls für eine gute Gelegenheit, mal ein paar Bücher über Teilchenphysik vorzustellen. Und damit meine ich keine Lehrbücher 😉
Final Theory (Mark Alpert)
In “Final Theory” kommt zwar der LHC nicht vor – aber die Teilchenphysik spielt die Hauptrolle in diesem Roman! Es geht um die Vereinheitlichte Feldtheorie (also eine Theorie, die alle Kräfte und alle Teilchen in unserem Universum vereinheitlicht und beschreibt) nach der Albert Einstein während der letzten Jahre seines Lebens gesucht hat. Leider erfolglos. Oder vielleicht doch nicht? Die Hauptperson des Buches, der ehemalige Physiker und Wissenschaftsjournalist David Swift wird mit den letzten Worten eines sterbenden ehemaligen Studenten von Albert Einstein auf eine mysteriöse Suche geschickt. Anscheinend hatte Einstein seine Theorie doch vollendet. Aber angesichts der Tatsache dass seine Relativitätstheorie die theoretischen Grundlage für die Atombombe geliefert hat, entschied er sich, seine vereinheitlichte Feldtheorie geheim zu halten. Denn auch diese scheint tödliches Potential zu haben.
Swift liefert sich nun mit Terroristen und der amerikanischen Regierung ein Wettrennen auf der Suche nach Einsteins letzter Theorie die in einem dramatischen Finale am Tevatron-Beschleuniger des FermiLabs endet.
Das mag alles vielleicht etwas wild klingen – das Buch ist aber durchaus empfehlenswert! Es erinnert ein wenig an die Bücher von Dan Brown. “Final Theory” ist aber bei weitem nicht so simpel gestrickt und viel besser recherchiert! Mark Alpert hat selbst Physik studiert (und immerhin einen Artikel mit dem großen Kosmologen John Richard Gott veröffentlicht). Die Physik im Buch ist daher einigermassen korrekt – so korrekt zumindest, wie man es von guter Science-Fiction erwarten kann. Auch wenn “Final Theory” keine große Literatur ist – es ist ziemlich spannend und ich kann es eigentlich nur empfehlen!
42 (Thomas Lehr)
Ein ganz anderes Kaliber ist das Buch “42” des Deutschen Thomas Lehr. Eine Gruppe von Besuchern besichtigt das CERN in Genf während dort gerade ein Experiment stattfindet. Als sie mit dem Fahrstuhl wieder nach oben kommen ist die Welt in einen Dornrößchenschlaf gefallen: Die Zeit steht still und nur die Gruppe der Besucher und ein paar Wissenschaftler scheinen dem Stillstand entkommen zu sein. Lehr beschreibt, wie die Menschen mit dieser Situation klarkommen; wie sie sich angesichts der Tatsache, die letzten aktiven Menschen auf Welt zu sein, verhalten. Plötzlich, nach 5 Jahren Stillstand, läuft die Zeit wieder weiter: für 3 Sekunden! Zufall? Erste Erfolge der Wissenschaftler, die Welt wieder zum Laufen zu bringen? Oder etwas ganz anderes? Und wie kam es überhaupt zum Stillstand der Zeit? Ist das Experiment am CERN fehlgeschlagen? Oder handelt es sich um ein Experiment einer außer/überirdischen Intelligenz? Die über ganz Europa verstreuten “Chronifizierten” machen sich auf den Weg nach Genf um herauszufinden, was passiert ist und ob eine Lösung für die eingefrorene Zeit gefunden werden kann.
Auch wenn das alles nach großer Science-Fiction klingt – das Buch von Lehr ist eigentlich ziemlich untypische für dieses Genre (Man könnte es eher mit “Die Arbeit der Nacht” von Thomas Glavinic vergleichen). Die wissenschaftlichen Elemente spielen auch eher eine Nebenrolle; Lehr beschäftigt sich hauptsächlich mit der Reaktion der Menschen auf ihre seltsame Situation. Kritiker haben das Buch besonders für seine Sprache gelobt (Daniel Kehlmann: “…geschrieben in einer poetischen Sprache, die ihresgleichen sucht”). Die ist zwar anfänglich ein bisschen gewöhnungsbedürftig – aber wirklich außergewöhnlich! Nicht umsonst landete das Buch 2005 auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises!
Auch dieses Buch kann ich nur empfehlen. Und das Ende (wenn auch etwas unverständlich) ist ziemlich dramatisch und überraschend. 😉
Black-Hole Science-Fiction
Daneben gibt es noch einige andere Science-Fiction Bücher die sich mit Teilchenbeschleunigern und schwarzen Löchern beschäftigen. Von denen habe ich allerdings noch keins gelesen; kann also über die Qualität nicht viel sagen.
Von einem Freund empfohlen wurde mir “Cosm” von Gregory Bentford: Am RHIC-Beschleuniger in Amerika wird versucht, die Bedingungen des Urknalls nachzustellen. Es kommt zu einem Unfall und einer Explosion. In den Trümmer findet sich eine kleine, metallisch aussehende Sphäre. Es stellt sich heraus, dass es sich dabei um ein kleines Universum handelt – das rapide zu wachsen beginnt…
Noch reißerischer klingt der Inhalt von “Blasphemy” von Douglas Preston. Am fiktiven Teilchenbeschleuniger Isabella wird ebenfalls versucht, den Urknall zu simulieren. Aber das Experiment funktioniert nicht so wie geplant. Alles gerät ausser Kontrolle – und aus dem Inneren des Teilchenbeschleunigers meldet sich plötzlich: GOTT! Und dieser Gott, der behauptet das Universum erschaffen zu haben verlangt von der Menschheit, allen Religionen abzuschwören und die Wissenschaft als alleinige “Religion” anzuerkennen.
Das klingt reichlich seltsam – und ich bin mir nicht sicher, ob ich Geld für dieses Buch ausgeben will (Aber ich habs mal auf meine Amazon-Wunschliste gesetzt – vielleicht will es mir ja jemand schenken 😉 )
Und dann gibts noch “Flashforward” von Robert Sawyer. In einem Teilchenbeschleuniger am CERN wird der Urknall simuliert (Das ist anscheinend Standard in diesen Büchern). Doch plötzlich erleben alle Wissenschaftler gemeinsam eine seltsame Vision: für 2 Minuten sehen sie, wie ihr Leben 21 in der Jahre Zukunft aussehen wird. Was sollen sie nun mit diesem Wissen anfangen. Lässt sich die Zukunft noch ändern? Die Deutsche Physikalische Gesellschaft hat dazu eine einigermassen positive Rezension verfasst.
Soweit mein Überblick über die mir bekannten Teilchenbeschleunigerromane. Sollte jemand noch andere Bücher kennen, dann immer her mit den Informationen!
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