Aber was ist nun richtig? Ist die Theorie falsch, die wir zur Beschreibung der Bewegung der Himmelskörper verwenden? Sollte statt der Newtonschen Theorie bzw. statt Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie die MOND-Theorie (bzw. ihre relativistische Entsprechung, die Tensor-Vektor-Skalar-Gravitationstheorie) verwendet werden? Oder stimmt die Theorie und die Unterschiede werden durch den Einfluss der noch nicht direkt beobachteten dunklen Materie erzeugt?
Hinweise
Zur Zeit stehen die Karten für die MOND-Theorie eher schlecht. Mittlerweile häufen sich die Anzeichen, dass tatsächlich dunkle Materie für die Abweichungen bei den Beobachtungsdaten verantwortlich ist.
Spätestens seit 2006 der Bullet-Cluster beobachtet wurde, hat die MOND-Theorie mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. In diesem Galaxienhaufen beobachtete man die Verteilung der einzelnen Galaxien. Man konnte aber auch das Gravitationspotential des Haufens bestimmen (durch Ausnutzung des Gravitationslinseneffekts).
Hier sah man zum ersten Mal deutlich, dass sich auch dort Materie befinden muss, wo wir nichts sehen können! Wegen des Gravitationslinseneffekts weiß man, dass sich in bestimmten Bereichen Materie befinden muss, die eine gravitative Wirkung erzeugt (ansonsten würde man den Gravitationslinseneffekt nicht messen). In diesen Bereichen sind allerdings keine Galaxien zu sehen. Es muss sich also tatsächlich um “dunkle Materie” handeln.
Die folgende Aufnahme zeigt die Situation noch einmal grafisch. In rot sind die Bereiche dargestellt, in denen sich sichtbare Materie befindet, blau zeigt die Regionen dunkler Materie an:
Diese Beobachtung lässt sich mit der MOND-Hypothese nicht erklären. Das muss nicht bedeuten, dass der Ansatz falsch ist. Es kann gut sein, dass sich die Bewegungsgleichung für kleine Beschleunigungen wirklich anders verhält, als wir bisher gedacht haben. Aber die Beobachtungen am Bullet-Cluster zeigen, dass auf jeden Fall dunkle Materie vorhanden sein muß. Ob zusätzlich auch noch die Theorie geändert werden muß, ist eine andere Frage.
Beweise
Die Beweislage ist mittlerweile so dicht, dass kaum noch an der Existenz dunkler Materie gezweifelt werden kann. Die Beobachtungen, die man beim Bullet-Cluster machte, konnten bei anderen Objekten bestätigt werden. Auch die Teilchenphysiker haben mittlerweile gute Ideen entwickelt, um was sich bei der dunklen Materie handeln könnte (Ich habe darüber einen eigenen Artikel geschrieben).
Dunkle Materie ist also nichts, das sich Astronomen einfach so aus den Fingern gesaugt haben. Ihre Existenz kann mittlerweile fast schon als belegt angsehen werden. Wir haben sie zwar noch nicht direkt beobachtet (wie denn auch 😉 ). Aber “sehen” (bzw. eine Detektion im elektromagnetischen Spektrum) ist ja bei weitem nicht die einzige Möglichkeit, auf die Existenz von Dingen zu schließen. Dunkle Materie wechselwirkt gravitativ – und diese Wirkung wurde gemessen!
Satelliten, Teleskope und Teilchenbeschleuniger sind gleichermaßen daran beteiligt, auch die letzten Geheimnisse der dunklen Materie zu lösen. Jetzt, am Ende des Jahres, wird ja überall wieder fleißig prophezeit und prognostiziert. Wenn ich auch eine Vorhersage abgeben müsste, dann diese: Innerhalb der nächsten 10 Jahre werden wir die dunkle Materie endgültig dingfest gemacht haben. Wir werden dann wissen, aus was sie besteht und ihre Eigenschaften genau kennen.
Und wenn nicht? Nun – es würde mich sehr überraschen, wenn sich die dunkle Materie doch noch als Sackgasse herausstellen würde. Aber falls doch, dann wird die neue Theorie, die an die Stelle der dunklen Materie rückt mindestens genauso faszinierend sein – wenn nicht gar noch mehr!
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