Neben den Boxen wird der Lesefluss immer wieder durch Verweise auf den farbigen Abbildungsteil in der Buchmitte unterbrochen. Neben den normalen Schwarz-Weiss-Bildern im Text gibt es dort einen eigenen Abschnitt mit Farbbildern (die man eigentlich alle einigermassen vernünftig auch in Graustufen umsetzen hätte können).
In der ersten Hälfte des Buches ist man also ständig damit beschäftigt, hin und her zu blättern bzw. irgendwelche Boxen zu lesen. Das stört den Lesefluss ziemlich – und die teilweise sehr umständlich bzw. komplizierten Erklärungen der Autoren machen das nicht unbedingt besser. Sätze wie
“Die Proteine, die Eiweißkörper, sind makromolekulare hochpolymere Substanzen und die wichtigsten Baustoffe biologischer Organismen.”
findet man überall im Buch. Natürlich handelt es sich um ein Wissenschaftsbuch und wissenschaftliche Sprache ist zu erwarten. Aber in dem Ausmaß wie bei “Big Bang, zweiter Akt” ist es meiner Meinung nach deutlich übertrieben. Immer wieder werden im Text auf Fachbegriffe verwendet und einfach gar nicht erklärt: “abiogen”, “Valenz” sind nur ein paar Beispiel. Auch die Abbildungen wirken lieblos und irgendwie wahllos zusammenkopiert. Und auch hier sind manche, wie beispielsweise Abbildung 28, die die Gezeiten auf der Erde erklärt, unnötig kompliziert.
Man hat fast das Gefühl, Lesch und Müller hatten keine Lust dieses Buch zu schreiben bzw. waren nicht ganz bei der Sache. Auch die Kapitel selbst wirken schlecht organisiert: Inhalte wiederholen sich, Dinge werden erst erklärt, nachdem sie schon mehrmals früher im Text aufgetaucht sind, usw. Irgendwie scheint sich dieses Buch vor der Veröffentlichung niemand mehr allzu genau angesehen haben. So wird beispielsweise einmal geschrieben, dass das Wasserstoffbrennen (die Phase, in der die Sonne Wasserstoff zu Helium fusioniert) in der Sonne in etwa ein bis zwei Milliarden Jahren zu Ende geht und zwei Seiten weiter liest man auf einmal, das die Sonne noch 4,5 Milliarden Jahre lang Wasserstoff fusionieren wird (was auch stimmt). Manche Dinge sind schlecht recherchiert. Etwa dann, wenn behauptet wird, dass
“(…) die Verhältnisse in einem Doppelsternsystem reichlich verwickelt sind und vermutlich Planeten von Doppelsternen für Leben völlig ungeignet.”
Da ich selbst früher über die Dynamik von Planeten in Doppelsternsystemen gearbeitet habe, kann ich hier nur widersprechen. Das, was Lesch und Müller sagen, mag vielleicht für Systeme gelten, bei denen die beiden Sterne sehr eng beieinander stehen (und selbst da gibt es oft noch genügend Ausnahmen) – aber bei den typischen Entfernungen zwischen den Komponenten eines Doppelsternsystems gibt es meistens ausreichend Platz für habitable Planeten. Und darüber wurden auch schon genügend Arbeiten veröffentlicht – das hätte man rausfinden können.
Und bei einem Satz habe ich mich wirklich gewundert, wie er ein Buch geraten konnte, dessen Autor auch Harald Lesch ist:
“Vielleicht müssen wir in Zukunft den Jupiter mit seinen Trabanten als ein eigenständiges Planetensystem im Sonnensystem betrachten.”
Hier wurde über die Jupitermonde gesprochen, von denen manche durchaus die nötigen Eigenschaften zu haben scheinen, Leben zu entwicklen. Aber Jupiter und seine Monde als “Planetensystem” zu bezeichnen?? Es gibt so viele Menschen, die von Astronomie wenig Ahnung haben, und denen es schwer fällt, zwischen Planet/Stern, Sonnensystem/Galaxie, etc zu entscheiden. Da muss man mit so einem Satz (der astronomisch auch wenig Sinn macht) nicht auch noch zusätzlich Verwirrung stiften!
Fazit
Ok – jetzt habe ich wirklich genug gemeckert. Das Buch hat nämlich auch durchaus seine guten Seiten. Vor allem in der zweiten Hälfte, wenn Lesch und Müller über SETI, die Suche nach Außerirdischen, über Raumfahrt und die Möglichkeit, die Sterne zu erreichen, sprechen. Hier stören auch keine Boxen mehr, die Erklärungen sind gut und einfach und das Lesen macht Spaß und ist interessant (Immerhin hab ich jetzt endlich mal verstanden, wie ein Bussard-Rammjet funktioniert – und warum man vermutlich nie einen bauen wird können). Hier scheinen Harald Lesch und Jörn Müller wieder Freude am Schreiben gehabt zu haben. Lesch und Müller sind beides keine Fachleute für Biologie/Chemie – vielleicht ist das der Grund für die geringere Qualität im ersten Teil, der sich hauptsächlich mit diesen Themen beschäftigt? Vielleicht haben sich die beiden hier nicht so wohl gefühlt, wie bei der Astronomie und der Raumfahrt?
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