Barnum-Aussagen (Manchmal ist Ihnen warm, an anderen Tagen dagegen frösteln Sie…) , geschicktes Ausfragen des Klienten, kommunikationsgesteuerte Interpretation und nicht zuletzt selbsterfüllende Prophezeiungen, lassen aus Zufallshypothesen stichhaltige Astrologie entstehen. Das “psychologische ” daran ist die fachkundige Exploration des Klienten und die Nutzung des Horoskops als Projektionsfläche für dessen offenbarte seelische Dispositionen.
Nun verwendet die Psychologie projektive Verfahren (Rorschach etc.) regelmäßig. Allerdings geht es dabei um freie, ergebnisoffene Auseinandersetzung mit Materialien oder Stimuli, ohne irgendeinen Bezug zu einem festgelegtes System von vorgeblich “richtigen” und als – zweifelsfrei feststehend – suggerierten Eigenschaften, wie sie in einem Horoskop angeblich dargestellt werden.
Insoweit ist Nachsicht für Schrader im Hinblick auf dessen möglicherweise auch fachlich angemessene Anwendung einer etwas unkonventionellen Projektionsfläche absolut nicht angebracht, da der Vorwurf der Manipulation des Klienten einfach nicht zu entkräften ist. Deshalb bleibt Schraders Behauptung, mit Hilfe eines PC-gestützten Analyse der Planetenkonstellation tatsächlich valide Aussagen über seelische Dispositionen oder Charaktereigenschaften treffen zu können, weiterhin der wesentliche Kritikpunkt.
Nicht nur, dass Schrader damit seiner früheren Einschätzung astrologischer Personalauswahl widerspricht: “Firmen bzw. Arbeitgeber, die nach dem Prinzip “Management by Astrology” arbeiten, genießen in der Wirtschaft einen höchst zweifelhaften Ruf. Machen Sie sich bei so einer Firma Sorgen um ihre berufliche Zukunft, oder besser noch, fangen Sie gar nicht erst dort an” (Hesse /Schrader, Das Neue Test-Trainingsprogramm, Goldmann, 1994, S. 125).
Man muss sich auch die Frage stellen, was Schrader dazu veranlasst – trotz seiner Ausbildung als Psychologe – sich und vor allem seinen Klienten den Weg in die Täuschungen eines Wahndenksystems zu eröffnen, das so typisch ist für Astrologie-Gläubige.
Die Nennung der Referenzgrößen Fritz Riemann und C.G. Jung zur Legitimation der Schraderschen Weltsicht komplettiert dann das Bild.
Was bleibt über ?
Zum einen das soziologische Erstaunen über die Mannigfaltigkeit der Parallelwelten und -wirklichkeiten von Menschen direkt neben uns. Das Erstaunen über Zauberei und Magie direkt aus dem Personal Computer, und die Frage, ob die von Max Weber beschrieben Entzauberung der Welt, unter den grünen Ampeln der postmodernen Beliebigkeit zum Ende des 20. Jahrhunderts, sich genau ins Gegenteil gekehrt hat ?
Und letztendlich auch die Frage, wie die, die sich der Faktizität des wissenschaftliche Beweises verpflichtet fühlen, mit dem sprudelnden Narrativum eines Welten-Erklärers umgehen, der sich ausschließlich seiner Phantasie und einer konstruierten Realität verpflichtet sieht.
Schrader praktiziert Magie. Nicht mehr und nicht weniger. Eine Magie, die sich auf der Flucht vor Aufklärung, Wissenschaft und Technik, durch die Ausbildung neuer Sozialformen ins 21. Jahrhundert rettet, und ihr Auftreten an die Anforderungen des modernen Lebens anpasst. Mit seriöser – besonders “psychologischer” – Beratung hat das allerdings nichts zu tun, und es ist, liebe Leute vom Forum Berufsbildung, auch keine weiteres Beratungsangebot… Es ist der direkte Weg in ein Stadium des mythisierten Nichtwissens, der selbstverschuldeten Unmündigkeit.
Schrader verrät seine Profession, die ethische Grundlage seines Berufstandes, wenn er die mühsame Suche nach der Begründung und den Antrieben des menschlichen Handelns, das eigentliche Motiv psychologischer Analysetätigkeit, durch ein absurdes, pseudowissenschaftliches Erkenntnisverfahren ersetzt.
Nun gibt es allerdings noch eine andere Sichtweise der Dinge: Vergegenwärtigt man sich die Tatsache, dass die Verwendung eines PCs für den unbedarften Zeitgenossen eine wissenschaftliche Validität des Verfahrens suggeriert, so drängt sich der Eindruck auf, dass es möglicherweise nur um die Bequemlichkeit einer von jedem tieferen Auseinandersetzung mit der Lebenswelt des Klienten befreiten Beratungstätigkeit geht, letztlich um die “Faulheit des Psychologen”.
Dieser Ansatz ist zwar nicht moralischer, aber befreit Schrader zumindest vom Verdacht, die Bodenhaftung komplett verloren zu haben.
Dafür, dass Schrader nur die Bedürfnisse verunsicherter Zeitgenossen befriedigt, spricht nicht wenig: Auf eine Nachfrage aus dem Publikum nannte Schrader sein Honorar für eine psychologisch-astrologische Beratung, mit 75,- Euro/Std.
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