In der Schweiz wird bald darüber abgestimmt, ob das Recht auf homöopathische Behandlung in der Verfassung verankert werden soll und auch in Deutschland wird dieses Jahr recht oft gewählt werden.
Da bietet es sich an, mal nachzusehen, wie es eigentlich die Politiker in Sachen Homöopathie halten…
Angesichts der Bundestagswahl im September interviewt der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte die Verantwortlichen für Gesundheit der großen Parteien. Bis jetzt sind in den “Homöopathischen Nachrichten” Interviews mit Frank Spieth (Die Linke) und Konrad Schily (FDP) erschienen.
Das kein Politiker den Mut aufbringt und sich eindeutig für eine evidenzbasierte Medizin und gegen erwiesenermaßen wirkungslose “Alternativtherapien” wie Homöopathie ausspricht, war zu erwarten. Überrascht hat mich dann aber doch die Ahnungslosigkeit, die in manchen Aussagen zu merken ist.
Bei Frank Spieth fängt es ja noch recht vielversprechend an. So meint er z.B.
“Leistungen der Homöopathie müssen in der GKV besser berücksichtigt
werden, Vorraussetzung hierfür ist aber die nachgewiesene Wirksamkeit.”
Das Krankenkassen nur Therapien finanzieren, die nachgewiesen auch wirksam sind, versteht sich eigentlich von selbst. Aber gut, das Spieth nochmal darauf hinweist. Auch diese Aussage ist nicht schlecht:
“Ich finde es sehr gefährlich, wenn Heilmethoden zu Marketingstrategien
verkommen. Wenn die Kassen in Zusatzbeiträge gezwungen werden, wenn Sie
gezwungen werden, zwischen Pest und Cholera zu entscheiden, dann sind
wir an dem Punkt, an dem die Verträge zur Homöopathie hochgradig in
Frage gestellt werden.”
Obwohl Spieth sich bemüht, nicht allzu negativ über Homöopathie zu sprechen, macht er doch immer wieder klar, dass es vor jeder politischen Förderung der Nachweis der Wirksamkeit zu stehen hat:
“Wenn die Wirksamkeit nachgewiesen ist, müssen die homöopathischen
Arzneien auch erstattet werden. Es muss generell einen
nachvollziehbaren Beleg der Wirksamkeit von Präparaten geben. Ich habe
was gegen Hokuspokus.”
Richtig heftig wird es allerdings dann beim Interview mit Konrad Schily von der FDP. Er startet gleich einmal mit folgender Aussage:
“Homöopathie ist für mich Medizin.”
Und in diesem Ton geht es weiter:
“Man muss eine der Situation adäquate Therapie machen und es obliegt dem Arzt, ob er beispielsweise in der Intensivmedizin auch die Homöopathie einsetzt. Nur weil ich jetzt kein Modell habe, nach dem ich die Homöopathie ganz verstehen kann, ist sie ja deswegen nicht unwirksam.”
Nein, ein Wirkmodell braucht es tatsächlich nicht. Aber einen Nachweis der Wirksamkeit! Und den konnte die Homöopathie noch nie erbringen. Und Schily wünscht sich nun, dass man Patienten auf der Intensivstation mit so einer unwirksamen “Therapie” behandelt? Ok, man kann hier wieder das alte Argument bringen: Da Homöopathie nicht wirkt, schadet sie ja auch nicht. Und vielleicht beruhigt es manche Leute ja ein bisschen… Also warum nicht verwenden?
Darüber wurde in den bisherigen Beiträgen zur Homöopathie (sehe die Links am Ende des Artikels) ja schon oft diskutiert – aber es läuft auf folgendes hinaus: Ärzte sollten ihre Patienten nicht anlügen! Ärzte sollten ihren Patienten keine unwirksamen Therapien anbieten. Ärzte sollten bei ihrer Arbeit Rahmenbedingungen haben, die es ihnen ermöglichen, ausreichend Zeit für ihre Patienten zu haben, um sie auch ohne Einsatz von Voodoo-Mitteln zu beruhigen (und dabei könnten die Politiker durchaus helfen!).
Aber Schilys Weltbild scheint in der Hinsicht ein bisschen – naja – seltsam zu sein:
“Frage: Wird sich Ihre Partei für die öffentliche Förderung der Forschung in diesem Gebiet [Homöopathie] und entsprechende Forschungsgelder einsetzen?
Dr. Konrad Schily: Wir kreisen immer wieder um den gleichen Punkt. Ein Wirksamkeitsnachweis ist heute nicht gegeben, wenn er nicht zufallsverteilt und doppelblind durchgeführt wird. Damit machen wir die Patienten zu Versuchsobjekten und grenzen den ärztlichen Heilerwillen bewusst aus. Die Ergebnisse sind durch diese Fragestellung vorgegeben. Wirkliche klinische Beobachtungen gelten nichts mehr.
Frage; Warum?
Dr. Konrad Schily: Im Wege steht ein mechanistisches Modell, das staatlich zum Dogma erhoben wurde. Hier sind nur bestimmte Annahmen gültig und entsprechende Prüfungsarten zugelassen. Führen Sie eine ergebnis- oder nutzenorientierte Studie, z.B. bei einer Grippewelle, durch. Lassen Sie eine Gruppe naturheilkundlich, eine homöopathisch und eine schulmedizinisch behandeln und sehen Sie dann, was dabei herauskommt. Wenn sich dann zeigt, dass die Patienten, die naturheilkundlich oder homöopathisch behandelt wurden, wesentlich früher wieder gesund sind – oder umgekehrt – dann hat man ja ein Ergebnis.”
Du meine Güte! Das “mechanistische Modell”, das der Staat zum “Dogma” erhoben hat! Der Mann hat immerhin Medizin studiert – der sollte doch zumindest ein klein wenig Ahnung haben, wie Wissenschaf funktioniert. Und die Studien, die Schily hier erwähnt, wurden alle schon gemacht (allerdings auf wissenschaftlich vernünftige Weise, nicht so, wie Schily es beschreibt). Mit dem Ergebnis, dass Homöopathie nicht wirkt. Aber das lag sicher nur am bösen, dogmatischen “mechanistischen Modell”…
Ich bin schon gespannt, wie sich die Vertreter der anderen Parteien zur Homöopathie äußern werden. Angesichts der Popularität der Homöopathie werden wohl keine sonderlich vernünftigen Aussagen zu erwarten sein.
Ich hab mich schon mal ein bisschen bei Abgeordnetenwatch.de umgesehen, und nachgeschaut, was die deutschen Politiker dort zum Thema “Homöopathie” zu sagen hatten.
Da findet sich z.B. bei einer Frage an Birgitt Bender (GRÜNE) eine sehr verstörende Antwort:
“Wir lehnen allerdings die weit verbreitete Haltung ab, dass Wirksamkeitsprüfungen ausschließlich über randomisierte und placebo-kontrollierte Doppelblindstudien (wissenschaftliche Studien, in deren Rahmen z.B. Arzneimittel getestet werden) erfolgen könnten. Diese Haltung ignoriert die methodischen Grenzen dieser Studien und auch die besondere Wirkungsweise komplementärmedizinischer Behandlungsformen. Wir treten für vielfältige Nachweisverfahren ein, in die z. B. auch die Nutzenbewertung aus Sicht des/der einzelnen PatientInnen einfließt.”
Was soll bitte die “besondere Wirkungsweise” der komplementärmedizinischer Behandlungsformen sein, die einer Überprüfung in vernünftigen wissenschaftlichen Studien entgegensteht? Vermutlich die Tatsache, dass eine “Wirkungsweise” nicht vorhanden ist…
Auch Parteikollegin Brigitta Nell-Düvel freut sich, dass
“bei allen Erkrankungen, für die rezeptfreie Medikamente erstattet werden, auch Arzneien der Anthroposophie und Homöopathie verordnet werden können.”
und will sich auch in Zukunft stark für diese “Therapien” einsetzen.
Interessant ist auch eine Frage an Anja Weisgerber (CDU):
“Auch möchte ich sie fragen,warum Naturheilkunde und Homöopathie von der Krankenkasse nicht bezahlt wird?Nachweislich führt es meist zu besserem
Behandlungserfolg,ist ohne Nebenwirkungen und die Behandlung ist oft sogar
billiger als die schulmedizinische Behandlung,sofern eine Operation umgangen
werden kann.”
Frau Weisgerber meint dazu u.a.:
“Allerdings ist das derzeitige Angebot an “natürlichen Heilverfahren” sehr unübersichtlich. Auf dem Markt tummeln sich eine Reihe von “Alternativmethoden”, die als natürlich und sanft angepriesen werden. Viele sind jedoch bis heute den Beweis für ihre Wirkung schuldig geblieben – oder die Heilsversprechungen konnten sogar als Täuschung entlarvt werden. In solchen Fällen gilt es, im Interesse aller Versicherten, die Gemeinschaft nicht mit den Kosten einer solchen “Therapie” zu belasten.
Um die wissenschaftliche Basis einiger Naturheilverfahren zu verbreitern, unterstützen einige Krankenkassen jedoch derzeit verschiedene Modellvorhaben. Nach Sichtung und Bewertung der auf diese Weise gesammelten Erkenntnisse wird dann darüber entschieden, ob das Verfahren in Zukunft zu den Regelleistungen der Krankenkassen gehören wird. Mit diesem ganzheitlichen Ansatz wird der wissenschaftliche Fortschritt mit der Qualität natürlicher Heilmethoden verbunden.”
Nicht ganz so direkt, wie man sich das wünscht – aber immerhin wesentlich besser als das Zeug, das Frau Bender von sich gegeben hat!
Gesine Lötzsch von der Linken sollte sich vielleicht nochmal mit ihrem Kollegen Frank Spieth absprechen, dann würde sie diese Aussage eventuell nochmal überdenken:
“Der Fixierung auf die westliche Schulmedizin und den damit verbundenen Glauben, Medikamente seien immer die beste Lösung zur Heilung von Krankheiten, muss – wie Sie sagen – auch überwunden werden. Viele alternative Heilungsmethoden wie die Homöopathie, aber auch fernöstliche Methoden können oft ergänzend genutzt werden bzw. stellen teilweise sogar die bessere Alternative dar. Die Dominanz und Macht der Pharmaindustrie muss hier zumindest gedeckelt werden. “
Nina Hauer von der SPD hat ebenfalls etwas seltsame Ansichten:
“Darüber hinaus hat der Gemeinsame Bundesausschuss dem gesetzlichen Gebot zur Wahrung der Therapievielfalt in seiner “Ausnahmeliste” Rechnung getragen. Denn er hat zur Behandlung der Erkrankungen, die in der “Ausnahmeliste” aufgeführt sind, auch die Verordnung von homöopathischen und anthroposophischen Medikamenten zugelassen, wenn diese Arzneimittel bei den jeweiligen Erkrankungen den Therapiestandard in der jeweiligen Therapierichtung darstellen. Den Therapiestandard in den besonderen Therapierichtungen bestimmen also die homöopathisch und anthroposophisch orientierten Ärzte und nicht etwa die Vertreter der Schulmedizin.”
Na dann ist ja alles gut. Nur nicht die böse “Schulmedizin” mit ihren blöden, komplizierten wissenschaftlichen Methoden bestimmen lassen, was wirkt und was nicht. Lasst das doch lieber die Anthroposophen machen…
Da ist folgendes Schlußwort von ihr nur konsequent:
“Aber gerade die Alternativen zur Schulmedizin gilt es zu fördern, so weit dies finanziell möglich ist.”
Das war alles, was unter dem Stichwort Homöopathie dort zu finden war. Es gab noch ein paar Kommentare von nicht im Bundestag vertretenden Parteien, wie z.B. der “Allianz für Frieden, Gesundheit und soziale Gerechtigkeit”. Da diese Partei sich ganz nach der Philosophie des Pseudomediziners Matthias Rath (dessen Lehre ich hier nicht weiter ausbreiten will – die ist wirklich widerlich) richtet, wundert es nicht, wenn ihre Vertreter Dinge sagen, wie das hier:
“Homöopathie, Akupunktur, Zellularmedizin und Biochemie sind synthetischen Medikamenten meist weit überlegen, da sie heilen statt Symptome zu verdecken. Ihre Wirkung ist wissenschaftlich längst nachgewiesen und es ist nicht einzusehen, dass sie zum Nachteil der Versicherten, die schließlich das Budget der Kassen finanzieren, nicht von den Kassen bezahlt werden dürfen.”
Auch von der Ökologisch-Demokratischen Partei hört man ähnliche Töne:
“Als praktizierende freiberufliche Hebamme und Heilpraktikerin mit dem Therapieschwerpunkt “klasssische Homöopathie” sind mir ,so wie Sie bereits vermuten, durchaus “Impfschäden” bekannt.”
Ich spare es mir, zu berichten, wie diese Antwort weitergeht – es kann sich wohl jeder vorstellen…
Alles in allem kein sehr optimistisches Bild was die Zukunft der evidenzbasierten Medizin angeht. Aber es handelt sich ja hier glücklicherweise um nicht repräsentative Einzelmeinungen. Da kann man immerhin noch hoffen, dass sich die Parteien nach der Wahl zu einer vernünftigeren Politik entschließen. Aber ich bin irgendwie froh, dass ich bei der Bundestagswahl nicht wahlberechtigt bin – angesichts dieser Antworten würde mir die Wahl wohl schwer fallen…
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