Und so geht das dann weiter, für alle Zahlen zwischen 0 und unendlich. Wer ein bisschen mehr Ahnung von Mathematik hat, den erinnert die Sache mit den Brüchen vielleicht an etwas bestimmtes. Man kann nämlich eine Funktion wie z.B. sin(x) oder cos(x) auch als eine unendliche Reihe, so wie die Lie-Reihe oben, darstellen. Für die Exponentialfunktion ex sieht diese Reihe so aus:
Das sind genau die Brüche, die auch in der Lie-Reihe als Faktoren vor dem Lie-Operator auftauchen! Man kann also die Lie-Reihe auch symbolisch unter Miteinbeziehung der Exponentialfunktion so schreiben:
Der Vertauschungssatz
Was kann man nun mit so einer Lie-Reihe anstellen? Wolfgang Gröbner hat 1960 den sg. Vertauschungssatz aufgestellt und bewiesen (siehe “Die Lie-Reihen und ihre Anwendungen“; ist schwer zu kriegen das Buch – falls wer Interesse hat, einfach Bescheid sagen!). Dieser Satz besagt, dass es egal ist, ob ich zuerst die Funktion f auf den Parameter z anwende und dann erst den Operator etD oder ob ich die Reihenfolge vertausche:
Wie hilft uns das jetzt bei der Lösung von Differentialgleichungen? Auch das kann man einfach zeigen. Angenommen, wir haben ein System von Differentialgleichungen (erster Ordnung) gegeben:
(Ich bringe dann nachher gleich ein Beispiel dazu). Wir wissen also, dass die zeitliche Änderung des Parameters zi (dzi/dt) gleich einer Funktion θi ist. Und wir wollen daraus den Parameter zi selbst bestimmen. Normalerweise müssten wir nun die Funktion θi integrieren um diese Lösung zu erhalten. Jetzt behaupte ich aber, dass die Lösung folgendermaßen gegeben ist:
wobei ξi die Anfangsbedingungen sind (also die Werte von zi zum Zeitpunkt t=0). Wenn ich auf diese Anfangswerte die Lie-Reihe anwende, dann bekomme ich die gesuchte Lösung! Dass das auch stimmt, lässt sich leicht zeigen, indem man diese Lösung nach der Zeit ableitet (also den Lie-Operaor anwenden):
Der Vertauschungssatz sagt mir dann, dass ich folgendes machen darf:
Wenn man den Lie-Operator auf ξi anwendet, dann bekommt man natürlich folgendes;
Der Ausdruck
ist also tatsächlich die Lösung der Differentialgleichung – und das ganz ohne integrieren!
Ein Beispiel
Vielleicht ist ein kleines Beispiel ganz praktisch (falls überhaupt jemand bis hier mitgelesen hat;) ). Nehmen wir an, wir wollen diese Differentialgleichung lösen:
Physiker werden darin die bekannte Gleichung eines harmonischen Oszillators erkennen. Diese Gleichungen müssen wir noch ein bisschen umformulieren um auf ein System von Gleichungen erster Ordnung zu kommen:
- x = eτDξ,
- y = eτDη
Das Symbol τ steht hier für den Zeitschritt (t − t0) – also den Zeitraum, der seit t=0 vergangen
ist und für den wir die Lösung suchen. Man kann nun die Lie-Reihe wieder explizit anschreiben (jetzt mal nur für x):
Nun kann man anfangen, die einzelnen Terme dieser Reihe zu berechnen:
- Dξ = η = θ1
- D2ξ = Dη = − α2ξ = θ2
- D3ξ = − α2Dξ = − α2η
- D4ξ = − α2Dη = α4
und so weiter. Im Prinzip könnte man das bis in alle Ewigkeit machen (müsste man eigentlich sogar, da es ja eine unendliche Reihe ist) – schwierig wäre es nicht. Wie schon gesagt – differenzieren kann man immer und mehr muss man hier nicht tun. Aber glücklicherweise kann man allgemein zeigen, dass in diesem Fall gilt:
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