Bei der Stringtheorie konnte das nicht nachgewiesen werden. Es gab zwar Ansätze für einen Beweis – der aber nicht völlständig war. Smolin war überrascht, als er diese Tatsache herausfand; er war immer davon überzeugt, dass die Endlichkeit der Stringtheorie schon längst bewiesen war. Auch viele Stringtheoretiker selbst wissen nicht, dass der Beweis nicht existiert bzw. ignorieren diese Tatsache bzw. meinen, dass der Beweis schon irgendwann noch geführt werden wird.
Viel schwerwiegender ist aber das Problem der Uneindeutigkeit. Es gibt nicht nur eine Stringtheorie – es gibt nahezu unendlich viele verschiedene Versionen (das liegt daran, dass man für die Form der zusätzlichen Dimensionen im Prinzip eine beliebige Wahl treffen kann). Der “oberste Stringtheoretiker”, Edward Witten, konnte zwar zeigen, dass sich die hauptsächlichen Stringtheorien in einer einzigen, übergeordneten Theorie vereinen lassen. Über diese “M-Theorie” ist allerdings heute noch weniger bekannt, als über die Stringtheorie.
Und es bleibt immer noch das Problem der “String Theory Landscapes“. Ursprünglich dachte man, die Stringtheorie wäre die fundamentale Theorie des Universums. Heute weiß man, dass das falsch ist. Es gibt eine enorme Anzahl an Zuständen in der Stringtheorie, die alle zuverschiedenen Ergebnissen führen. Die Zahl, die hier oft genannt wird, ist 10500 ! Natürlich wird man darunter auch Theorien finden, die unser Universum beschreiben – aber wie erklärt man, warum genau diese Version in der Natur realisiert ist und alle anderen nicht?
Und schließlich bleibt das Problem, dass die Stringtheorie zwar nun schon seit bald 30 Jahren intensiv betrieben wird – aber immer noch keine konkreten Ergebnisse vorzuweisen hat. Es gibt immer noch keine Vorhersagen, die durch Beobachtungen überprüft werden können. Es gibt keine Experimente, die durchgeführt werden können, um die Theorie zu verifizieren oder zu falsifizieren. Die Stringtheorie ist der Lösung der fünf großen Probleme kaum näher gekommen. Sie würde zwar das Problem der Vereinheitlichung lösen – aber bei den restlichen Punkten gab es wenig Fortschritte.
Abseits der Stringtheorie
Smolin stellt ausdrücklich klar, dass er dieses Buch nicht geschrieben hat, um die Stringtheorie anzugreifen:
“I can only insist that I am writing this book not to attack string theory…”
Aber er kritisiert die Art und Weise, wie theoretische Physik betrieben wird. Wer kein Stringtheoretiker ist, hat Schwierigkeiten, überhaupt irgendwo eine Anstellung zu bekommen; bis auf wenige Ausnahmen werden alle entsprechenden Arbeitsgruppen von Stringtheoretikern geleitet. Trotz der gravierenden Probleme, die mit der Stringtheorie existieren, beschäftigt sich die Community mit unverminderter Intensität und Enthusiamus mit den Strings und alternative Theorien und Ansätze bleiben auf der Strecke.
Viele dieser Theorien stellt Smolin in seinem Buch vor (Schleifenquantengravitation, Twistor-Theorie, nicht kommutative Geometrie, deformierte spezielle Relativitätstheorie, modifizierte Newonsche Dynamik, …). Es gäbe also genügend alternative Ansätze zur Stringtheorie, die durchaus ebenso vielversprechend sein können. Und im Gegensatz zur Stringtheorie entziehen sich die anderen Ansätze nicht im gleichen Ausmaß der experimentellen Überprüfung. Trotzdem werden sie nur von wenigen “Einzelgängern” betrieben und erhalten vom Rest der Community viel weniger Aufmerksamkeit als die Stringtheorie.
Im letzten Teil des Buches widmet Smolin sich daher wissenschaftsphilosophischen und -theoretischen Überlegungen und probiert zu analysieren, wie es zu dieser Situation kommen konnte und wie sie sich vielleicht lösen lässt.
Smolins Beschreibung der stringtheoretischen Community ist wenig schmeichelhaft. Man hetzt zu sehr unterschiedlichen Moden nach: je nach der aktuellen Mode wird an bestimmten Themen geforscht und das von der Mehrheit der Stringtheoretiker. Ist die Mode vorbei, wird der Forschungsgegenstand aufgegeben – egal ob das Problem gelöst werden konnte oder nicht – und man widmet sich dem nächsten “Modeproblem”. Authoritäten – wie z.B. Edward Witten – werden zu hoch gehalten; kaum ein Stringtheoretiker würde es sich erlauben, eine andere Meinung zu haben als Witten. Smolin listet folgende sieben Eigenschaften auf, die die stringtheoretische Community vom Rest der wissenschaftlichen Welt unterscheidet:
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