Die Homöopathie-Propaganda-Abteilung des Online-Standard hat wieder einmal zugeschlagen: “Schweinegrippe kann auch mit homöopathischen Medikamenten behandelt werden.”
So beginnt der ein aktueller Artikel aus dem Gesundheits-Ressort.
Wie kommt man dazu, so etwas zu schreiben. Das es bis jetzt keinen Nachweis einer Wirksamkeit der Homöopathie gab, wurde ja schon oft genug gezeigt (siehe dazu z.B. die Links am Ende des Artikels).
Aber wahrscheinlich gab es nun eine neue Studie, die nicht nur zweifelsfrei die Wirksamkeit der Homöopathie demonstriert sondern auch noch zeigt, dass sie bei Schweinegrippe hilft. Es erscheint mir zwar etwas seltsam, dass ich von diesem Durchbruch, der unser komplettes naturwissenschaftliches Weltbild auf den Kopf stellt, nichts mitbekommen habe – aber spätestens wenn die Nobelpreise verteilt werden, werde ich dazu wohl die Details erfahren.
Oder vielleicht doch nicht? Vielleicht hat der Standard doch nur ein paar Anekdoten ausgegraben?
“Da Homöopathie in Mexiko Teil der Grundversorgung ist,
gibt es dort zahlreiche Erfahrungen der Schweinegrippe-Behandlung. Die
Kollegen behandelten viele Patienten, von denen niemand gestorben ist”,
so Kozel [Gloria Kozel, Allgemeinmedizinerin und Präsidentin der
österreichischen Gesellschaft für Homöopathie]
Ja, sieht ganz so aus.
Auch in Deutschland und im Rest der Welt wurden Menschen gegen die
Schweinegrippe behandelt. Mit echter Medizin. Und auch dort ist kaum
wer gestorben. Natürlich gibt es immer Fälle, wo die Behandlung nicht
wirkt. Aber das ist bei der Homöopathie genauso.
“Die Grippe verlaufe allerdings allgemein sehr mild,
außer im Falle bereits bestehender schwerer Grunderkrankungen sei sie
nie tödlich ausgegangen.”
Anekdoten sind keine Daten! Wie viele Menschen wurden in Mexiko behandelt? Wieviele davon nur
mit homöopathischen Mitteln? (Wenn in Mexiko die Homöopathie “Teil der
Grundversorgung” ist, dann wurden die Globuli vielleicht zusätzlich zu
echter Medizin verabreicht?). Wieviele Menschen wurden ohne Behandlung
wieder gesund? Usw. Wenn man so eine Studie durchführen würde, dann könnte man das Ergebnis ernst nehmen.
Auch wenn es mit ziemlicher Sicherheit genau das bestätigen würde, was
die bisherigen entsprechenden Studien ergeben haben: Homöopathie wirkt
nicht besser als ein Placebo.
Der Artikel im Standard vermerkt noch:
In Deutschland und Österreich schenkt die Homöopathie
der Schweinegrippe bisher kaum Beachtung, da es hierzulande noch keine
Behandlungserfahrungen mit Schweinegrippe-Patienten gibt.
Ja, warum wohl… vermutlich, weil Homöopathie nicht wirkt! Über den (gefährlichen) Unsinn, die Grippe homöopathisch zu behandeln,
habe ich ja schon vor einiger Zeit geschrieben. Wer glaubt, an Grippe
erkrankt zu sein, der soll zu einem echten Arzt gehen! Alles andere ist
fahrlässig – nicht nur für die eigene Gesundheit, sondern auch, wegen
der Ansteckungsgefahr, für die Gesundheit anderer.
In den bisherigen Standard-Artikeln zum Thema wurde zumindest meistens
pro forma darauf hingewiesen, das es für die Wirksamkeit der
Homöopathie keinen wissenschaftlichen Nachweis gibt. Das wurde diesmal
komplett weggelassen.
Dafür darf Dr. Anton Rohrer
nochmal die Geschichte von der Cholera-Epidemie in England ausbreiten
(obwohl hier schon längst erklärt werden konnte, warum Homöopathie hier
“gewirkt” hat – die komplette Geschichte gibt es im Buch “Trick or
Treatment” von Edzard Ernst und Simon Singh).
Ich frage mich langsam wirklich, wieso in der “Qualitätszeitung”
Standard immer noch solche völlig unkritischen Artikel über
“Alternativmedizin” erscheinen können…
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