[Das hier ist eine Rezension eines Kapitels des Buches “Der Drache in meiner Garage” von Carl Sagan. Links zu den Rezensionen der anderen Kapitel finden sich hier.]
In Kapitel Drei seines Buches demonstriert Sagan die pseudowissenschaftliche Denkweise an zwei Beispielen aus seinem Arbeitsgebiet, der Erforschung fremder Welten.
Erst seit ein paar Jahrzehnten sind wir in der Lage die Oberflächen der Himmelskörper mittels Raumsonden genau zu betrachten. Bis dahin war der Mond das einzige Objekt, das mit Teleskopen im Detail angesehen werden konnte.
Die Interpretation der Oberflächenstrukturen auf fremden Himmelskörpern bietet unzählige Möglichkeiten für pseudowissenschaftliche “Theorien”. Das Gehirn des Menschen ist darauf ausgelegt, Muster zu erkennen. Diese Fähigkeit war aus evolutionären Gründen wichtig – so wichtig, dass Menschen auch dort Muster erkennen, wo gar keine sind. Und das wichtigste Muster für einen Menschen ist ein menschliches Gesicht.
Wir sehen überall Gesichter. Sagan schreibt:
There was a celebrated eggplant that closely resembled Richard M. Nixon. What shall we deduce from this fact? Divine or extraterrestrial intervention? Republican meddling in eggplant genetics? No. We recognize that there are large numbers of eggplants in the world and that, given enough of them, sooner or later we’ll come upon one that looks like a human face, even a very particular human face.
Es gibt sogar ein sehr witziges Blog – “Faces in Places” – das Unmengen solcher “Gesichter” gesammelt hat. Hier ist ein Beispiel aus meinem Badezimmer – dieser Kosmetikkoffer scheint auf der Lauer zu liegen und nichts gutes im Sinn zu haben:
Bei solchen Alltagsgegenständen sehen wir leicht, dass es sich nur um eine Täuschung handelt. Aber wenn wir Bilder aus dem All betrachten, dann ist das eine andere Sache.
Besonders der Mars hat immer schon die Phantasie der Menschen inspiriert. Unter anderem deswegen, weil Astronomen früher meinten, dort künstliche Strukturen wie Bewässerungskanäle beobachtet zu haben, war man zeitweise überzeugt davon, dass es dort Leben gibt oder gab (hier habe ich mehr dazu geschrieben).
Als dann die ersten Raumsonden Mars besuchten, war schnell klar, dass es sich dabei um eine Täuschung gehandelt hatte. Der Mars war eine leblose Wüste.
Das bedeutet aber nicht, dass wir dort trotzdem nicht irgendwas “erkennen” würden, was auf die eine Art oder Weise vertraut aussieht. Wie gesagt – das menschliche Gehirn ist dafür gebaut, vertraute Muster zu erkennen (der Fachbegriff für solche “optischen Täuschung” lautet Pareidolie)
Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, wenn bei den vielfältigen geologischen Strukturen der fremden Planten einige dabei sind, die künstlich auszusehen scheinen. Sagan berichtet von einem Beispiel, als man auf der Venus ein “Portrait” von Josef Stalin entdeckte. Natürlich käme hier niemand auf die Idee, dass die Soviets heimlich zur Venus geflogen sind, um dort ein kommunistisches Mt. Rushmore zu errichten. Oder das die Venus von kommunistischen Aliens bewohnt wird. Jedem ist klar, dass es sich um eine zufällige Gleichheit handelt.
Wenn es aber nicht gerade um Stalin geht, dann sind manche Menschen eher bereit, solche Täuschungen als real anzusehen. Das beste Beispiel ist das berühmte Marsgesicht.
1984 meldete die amerikanische Zeitschrift “Weekly World News”, dass eine sovietische Raumsonde 50000 Jahre alte Tempelruinen in der Cydonia-Region am Mars gefunden hatte, und ein riesiges “Gesicht”.
Natürlich hatten die Russen zu der Zeit keine passende Mission am Mars (und wenn, dann würden sie ihre Ergebnisse sicher nicht in den Weekly World News veröffentlichen). Sagan bringt noch mehr Beispiele für Sensationsblätter oder Pseudowissenschaftler, die ihre “Erkenntnisse” alle auf sowjetische Raumsonden oder Wissenschaftler zurückführen. Das war damals recht praktisch, denn während des kalten Krieges, war es schwer, solche Behauptungen zu wiederlegen.
Das Marsgesicht jedenfalls wurde 1976 von der amerikanischen Viking-Sonde aufgenommen. So sieht es aus:
(Bild:NASA)
Ja, das scheint tatsächlich ein Gesicht zu sein. Aber nur weil es so aussieht, muss es noch lange nicht real zu sein. Eines der “Nasenlöcher” ist übrigens nur deswegen vorhanden, weil an dieser Stelle Daten bei der Übertragung verloren gingen. Ohne dieses “strategische Nasenloch” würde das ganze schon etwas weniger nach Gesicht aussehen.
Natürlich hat das “Gesicht” die wildesten Spekulationen ausgelöst. Man hat in seiner Umgebung “Pyramiden” gefunden, verfallene “Städte”, “Strassen” und vieles mehr. Auch als verbesserte Daten gezeigt haben, das dort nichts ist, was wie ein Gesicht aussieht, hat das die Phantasien nicht gedämpft.
Die “Pyramiden” auf dem Mars (Bild:NASA)
Neue Aufnahmen von Raumsonden (Mars Global Surveyor, 2001) zeigen eindeutig, dass es dort kein Gesicht gibt:
Aber bei den einschlägigen Pseudowissenschaftler wird natürlich davon ausgegangen, das es sich hierbei um Fälschungen der NASA handelt. Und die Überreste außerirdischer Zivilisation werden auch überall sonst gesehen. Der Mond soll voll von Städten sein und sogar auf dem Saturnmond Titan wollen manche Strassen, Pipelines und Häuser gesehen haben
Sagan schreibt am Ende des Kapitels:
“[W]e humans have a talent for deceiving ourselves. Skepticism must be component of the explorer’s toolkit, or we will lose our way. There are wonders enough out there without our inventing any.”
Rezensionen der vorhergehenden Kapitel: Kapitel 1, Kapitel 2
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