Der Fortschritt macht ja bekanntermaßen nicht halt. Und auch wenn an der Forschung leider immer mehr gespart wird, reicht es doch noch für viele spektakuläre Großexperimente; für neue Technik oder Raumsonden.
Ich habe hier mal meine persönlichen Top 10 der kommenden großen Sachen in der Astronomie bzw. Physik zusammengestellt. Natürlich ist sie hoffnungslos subjektiv. Ich habe außerdem probiert, mich auch Projekte zu beschränken, deren Realisierung einigermaßen gesichert ist.
10. Icecube
Bei IceCube handelt es sich um ein Neutrino-Observatorium. Neutrinos sind hinterhältige kleine Dinger. Es handelt sich um Elementarteilchen, die eine verschwindend geringe Masse haben. Das bedeutet aber auch, dass sie sehr selten mit normaler Materie interagieren. Man kriegt sie also schwer zu fassen und das ist schade – denn aus der Beobachtung von Neutrinos kann man viel lernen!
Man kann daraus Rückschlüsse auf die Vorgänge im Inneren der Sterne ziehen; Supernova-Explosionen untersuchen; die Herkunft der kosmischen Strahlung analysieren – und vieles mehr.
Im Moment ist die beste Möglichkeit, Neutrinos nachzuweise, darauf zu hoffen, dass sie mit etwas kollidieren und dann die bei diesen Kollisionen entstehenden Zerfallsprodukte zu beobachten. Bisher hat man da z.B. große Tanks aus Wasser in unterirdischen Höhlen betrachtet und gehofft, dass mal ein Neutrino mit einem Atomkern kollidiert und in Folge einen Lichtblitz erzeugt (“Tscherenkow-Strahlung”) der mit Photomultiplieren sichtbar gemacht wird.
IceCube ist, wie der Name vermuten lässt, tatsächlich ein Eiswürfel. Allerdings ein sehr großer! Im Eis der Antarktis wird ein 1 km³ großer Eiswürfel mit knapp 5000 Detektoren versehen um so die schwachen Lichtblitze zu detektieren, die die Neutrinos bei der Kollision mit den Atomen des Eises erzeugen.
IceCube soll 2011 den Betrieb aufnehmen und wird im wahrsten Sinne des Wortes eine coole Sache werden!
9. E-ELT
E-ELT steht für European Extremly Large Telescope und wie der Name schon sagt, handelt es sich um ein sehr großes, europäisches Teleskop. “Groß” stimmt hier wirklich: der Spiegel des E-ELT soll einen Durchmesser von 42 Metern haben! Zum Vergleich: das aktuell größte Teleskop ist das Grantecan mit 10 Metern Spiegeldurchmesser.
Ursprünglich war von der Europäischen Südsternwarte ESO ein noch größeres Teleskop geplant worden: das OWL (“Overwhelmingly Large Telescop”) mit einem Durchmesser von 100 Metern! Dieses Projekt wurde aber als zu komplex und zu teuer zugunsten des E-ELT aufgegeben.
Den gewaltigen Spiegel des E-ELT kann man natürlich nicht an einem Stück bauen. Er wird aus 906 kleineren Spiegeln zusammengesetzt. Fertiggestellt soll es laut Plan im Jahr 2017 sein – noch ist allerdings unklar, wo es gebaut werden soll. Wieder in Südamerika (Argentinien oder Chile), wie auch schon die bisherigen Großteleskope der ESO? Oder in Marokko oder Spanien? Aber auch Grönland, Tibet, die Mongolei oder die Antarktis wurden als potentielle Standorte genannt.
So soll das E-ELT einmal aussehen:
8. Gaia
Gaia ist ein Satellit der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Wenn alles klappt, wird Gaia 2011 ins All starten und der Nachfolger der höchst erfolgreichen Hipparcos-Mission werden. Gaia wird den Himmel astrometrisch vermessen – also genauer als bisher die Position der Sterne bestimmen. Zusätzlich wird Gaia auch noch Spektren von Millionen von Sternen aufnehmen.
Gaia wird aber als “Nebenprodukt” noch eine ganze Menge andere Resultate liefern. Man schätzt das man bis zu einer Million Asteroiden und Kometen in unserem Sonnensystem finden wird; zehntausende extrasolare Planeten und braune Zwerge; zehntausende Supernovae; und hundertausende weiße Zwerge und aktive Galaxie.
Eine wirklich vielversprechende Mission!
7. AMS
Bei AMS geht es wieder um Teilchenphysik. Allerdings auch um Raumfahrt. Denn das Alpha-Magnet-Spektrometer ist ein Teilchendetektor, der im Weltraum zum Einsatz kommen soll. Genauer gesagt, soll dieser Detektor ab dem Jahr 2010 auf der internationalen Raumstation ISS installiert werden. Eigentlich wäre es schon 2003 so weit gewesen – aber wegen des Absturz des Shuttles Columbia hat sich der Termin bis 2010 verschoben.
Am 29. Juli 2010 soll es aber endlich soweit sein und das AMS wird – hoffentlich – mit der Shuttle-Mission STS-134 zur ISS gebracht.
Dort wird AMS die kosmische Strahlung untersuchen. Man wird auch probieren, das Rätsel um die dunkle Materie zu lösen und herauszufinden, aus was sie besteht. Und, was ich am spannensten finde, man wird probieren, Antimaterie zu entdecken.
Ok, Antimaterie wurde schon entdeckt – aber AMS will herausfinden, ob im All z.B. Anti-Kohlenstoffkerne o.ä. vorkommen. Das würde dann nämlich bedeutetn, dass es auch ganze Sterne aus Antimaterie geben muss. Und das wäre eine äußerst coole und spannende Sache!
So soll nächstes Jahr AMS auf der ISS montiert werden:
6. JWST
Das James Webb Space Telescop soll der Nachfolger des legendären Hubble-Weltraumteleskops werden. Nach jahrzehntelanger Planung und Arbeit soll es 2014 mit einer Ariane-V-Rakete ins All starten. Das JWST wird einen Spiegel haben, der 6,5 Meter durchmisst! Zum Vergleich: der Spiegel des Hubbleteleskops hat einen Durchmesser von “nur” 2,5 Metern.
Wer die fantastischen Bilder von Hubble kennt, der kann sich also vorstellen, was vom JWST zu erwarten ist! Mindestens 10 Jahre lang wird das neue Weltraumteleskop arbeiten und unser Wissen über das Universum mit Sicherheit dramatisch erweitern!
5. Rosetta
Jetzt kommen wir langsam zu meinen Lieblingsprojekten. Das sind die, wo man getreu dem Motto von Star Trek – “to boldly go where no man has gone before” – neue, unbekannte Welten erforscht.
Eine Mission, bei der genau sowas gemacht wird, ist Rosetta. Rosetta ist eine Raumsonde der ESA und sie befindet sich bereits im All: sie ist im März 2004 gestartet.
Ihr Ziel wird sie allerdings erst im März 2014 erreichen: den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko. Denn Rosetta wird die erste Raumsonde sein, die auf einem Kometen landet! Bzw. wird Rosetta den Lander Philea absetzen, der auf der Oberfläche des Kometen landen und sie untersuchen wird.
Der Weg zum Kometen ist zwar lang – aber Rosetta ist unterwegs nicht langweilig. Letztes Jahr hat sie zum Beispiel den Asteroiden Steins besucht und tolle Aufnahmen gemacht.
In ein paar Wochen, am 13. November 2009 wird sie ein letztes Mal an der Erde vorbeifliegen um Schwung für den Rest des Weges zu holen. 2010 wird sie einen weiteren Asteroiden untersuchen (Lutetia) und dann warten, bis 2014 der Komet erreicht ist. Ihn wird die Sonde dann auf seinem Weg um die Sonne begleiten und völlig neue Erkenntnisse über die Kometen liefern!
4. Dawn
Ebenso ambitioniert wie Rosetta ist die Dawn, eine Raumsonde der NASA. Auch sie befindet sich schon im All; sie startete im September 2007.
Ihr Ziel ist der Asteroidengürtel zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter. Dort wird sie im August 2011 Vesta erreichen, den viertgrößten Asteroiden des Asteroidengürtels. Im Mai 2012 verläßt sie Vesta wieder um sich auf den Weg zu Ceres zu machen. Ceres ist mit einem Durchmesser von knapp 1000 Kilometern der größte Asteroid zwischen Mars und Jupiter und noch dazu ein Zwergplanet. 2015 wird Dawn Ceres erreichen.
Mit Dawn werden erstmals die Asteroiden im Detail erforscht – und da Asteroiden zu meinem Fachgebiet als Astronom gehören finde ich das natürlich besonders toll 😉
3. LHC
Wenn man über coole Wissenschaftsprojekte spricht, dann muss man eines auf jeden Fall erwähnen: den Large Hadron Collider des europäischen Kernforschungszentrum CERN. Das ist immerhin die größte Maschine, die die Menschheit je gebaut hat; ein Teilchbeschleuniger mit einem 27 Kilometer langen unterirdischen Ring. Hunderte Wissenschaftler werden in den nächsten Jahren daran forschen.
Den Lesern meines Blogs brauche ich über den LHC nicht mehr viel erzählen. Nein, der LHC ist nicht gefährlich; er wird kein schwarzes Loch verursachen und die Welt zerstören. Aber er wird uns hoffentlich großartige wissenschaftliche Ergebnisse liefern!
Im November geht es wieder los am LHC – hoffen wir, das diesmal alles klappt!
2. New Horizons
Für mein Lieblingsprojekt geht es noch einmal zurück ins Weltall. Seit ich in den Neunziger-Jahren vom Pluto Express habe ich mich auf diese Mission gefreut.
Ursprünglich sollte 2001 eine Raumsonde NASA zum (damals noch) Planeten Pluto starten. Das Sonnensystem außerhalb der Bahn von Neptun ist, was Raumsonden angeht, noch weitesgehend unerforscht. Dort befindet sich ja nicht nur der Zwergplanet Pluto – sondern auch noch der Kuipergürtel.
Das erste Objekt in diesem Asteroidengürtel (der viel größer ist als der zwischen Mars und Jupiter) wurde erst 1992 entdeckt. Heute wissen wir, dass es dort viele relativ große Asteroiden gibt. Pluto ist nur einer davon und nicht der größte! Das ist im Moment der Asteroid/Zwergplanet Eris – aber es kann gut sein, dass im äußersten Sonnensystem noch größere Objekte verborgen sind.
Der Start des Pluto-Kuiper-Express (wie er mittlerweile genannt wurde) wurde auf 2004 verschoben und dann komplett gestrichen. Glücklicherweise wurde die Mission aber durch eine neue ersetzt: New Horizons!
Im Januar 2006 machte sich New Horizons auf den langen Weg ins äußere Sonnensystem. Sie hat die Erde mit einer Geschwindigkeit von 16,21 Kilometern pro Sekunde (das sind knapp 60000 km/h) verlassen – schneller als jedes andere Raumschiff bisher.
Und schnell ist New Horizons tatsächlich! Die gewaltige Strecke bis zum entfernten Pluto legt die Sonde in nur 9 Jahren zurück und wird Pluto vorraussichtlich im Juli 2015 erreichen. New Horizons wird allerdings nicht in eine Umlaufbahn um Pluto einschwenken – dazu müsste man sie enorm abbremsen, und außerdem soll die Reise ja noch weitergehen!
Trotzdem wird sie in knapp 10000 km Entfernung an Pluto vorbeifliegen und erstmals detaillierte Aufnahmen dieses Zwergplaneten liefern. Danach wird sie weiter in den Kuipergürtel fliegen und man hofft, dort möglichst viele Asteroiden erforschen zu können. Energie sollte die Sonde bis zum Jahr 2025 haben.
Auf zu neuen Horizonten: New Horizons startet ins All (Bild: NASA)
1. ???
Den ersten Platz habe ich frei gelassen. Meine Auswahl ist völlig subjektiv und verzerrt durch meine Vorlieben. Es gibt noch viele weitere tolle Projekte; nicht nur aus der Astronomie sondern auch aus allen anderen Gebieten der Wissenschaft. Viele faszinierenden Experimente und Sonden habe ich auch weggelassen, weil ihre Realisierung noch zu unsicher ist.
Der erste Platz in der Liste gehört den Leserinnen und Lesern. Was ist euer Lieblingsprojekt? Was findet ihr am spannensten? Worauf freut ihr euch?
Kommentare (21)