Ihr esst gerne Schweinfleisch? Macht gern mal ein Mittagsschläfchen? Lest im Bett Bücher oder feiert mal ne Nacht lang durch? Und Kaffee trinkt ihr auch gern? Alles kein Problem – nur könnt ihr euch dann die Mühe sparen, bei Krankheiten homöopathische Mittel einzunehmen – die funktionieren dann nämlich nicht.
Samuel Hahnemann, der Begründer der Homöopathie, hat 1810 ein Buch veröffentlicht: Das Organon der Heilkunst. In dieser “Bibel der Homöopathie” steht genau beschrieben wie Homöopathie funktioniert und wie man sie anwendet.
Eine Passage aus diesem Buch taucht in den diversen Kommentaren zu meinen Blog-Artikeln so oft auf, dass ich dachte es wäre angebracht, hier mal einen eigenen Artikel dazu zu schreiben.
Es geht um eine Anmerkung die Hahnemann zu §284 des Organons gemacht hat (ich beziehe mich hier auf die 3. Auflage von 1824). Darin listet Hahnemann alles auf, was einer effektiven Behandlung der Homöopathie entgegenwirkt:
Die komplette Stelle lautet:
Kaffee, feiner chinesischer und anderer Kräuterthee; Biere mit arzneilichen, für den Zustand des Kranken unangemessenen Gewächssubstanzen angemacht, sogenannte feine, mit arzneilichen Gewürzen bereitete Liqueure, alle Arten Punsch, gewürzte Schokolade, Riechwasser und Parfümerieen mancher Art, stark duftende Blumen im Zimmer, aus Arzneien zusammengesetzte Zahnpulver und Zahnspiritus. Riechkißchen, hochgewürzte Speisen und Saucen, gewürztes Backwerk und Gefrornes mit arzneilichen Stoffen, z.B. Kaffee, Vanille u.s.w. bereitet, rohe, arzneiliche Kräuter auf Suppen, Gemüße von Kräutern, Wurzeln und Keim-Stengeln (wie Spargel mit langen, grünen Spitzen), Hopfenkeime und alle Vegetabilien, welche Arzneikraft besitzen, Selerie, Petersilie, Sauerampfer, Dragun, alle Zwiebel-Arten, u.s.w.; alter Käse und Thierspeisen, welche faulicht sind, (Fleisch und Fett von Schweinen, Enten und Gänsen, oder allzu junges Kalbfleisch und saure Speisen; Salate aller Art), welche arzneiliche Nebenwirkungen haben, sind eben so sehr von Kranken dieser Art zu entfernen als jedes Uebermaß, selbst das des Zuckers und Kochsalzes, so wie geistige, nicht mit viel Wasser verdünnte Getränke; Stubenhitze, schafwollene Haut-Bekleidung, sitzende Lebensart in eingesperrter Stuben-Luft, oder öftere, bloß negative Bewegung (durch Reiten, Fahren, Schaukeln), übermäßiges Kind-Säugen, langer Mittagsschlaf im Liegen (in Betten), Lesen in wagerechter Lage, Nachtleben, Unreinlichkeit, unnatürliche Wohllust, Entnervung durch Lesen schlüpfriger Schriften, Onanism oder, sei es aus Aberglauben, sei es um Kinder-Erzeugung in der Ehe zu verhüten, unvollkommner, oder ganz unterdrückter Beischlaf; Gegenstände des Zornes, des Grames, des Aergernisses, leidenschaftliches Spiel, übertriebene Anstrengung des Geistes und Körpers, vorzüglich gleich nach der Mahlzeit; sumpfige Wohngegend und dumpfige Zimmer; karges Darben~ u.s.w. Alle diese Dinge müssen möglichst vermieden oder entfernt werden, wenn die Heilung nicht gehindert oder gar unmöglich gemacht werden soll. Einige meiner Nachahmer scheinen durch Verbieten noch weit mehrer, ziemlich gleichgültiger Dinge die Diät des Kranken unnöthig zu erschweren, was nicht zu billigen ist.
Hmm – ganz streng, der Hahnemann. Ok – “übertriebene Anstrengung des Geistes und Körpers” zu vermeiden sollte man hinbekommen 😉 Ebenso die “Entnervung durch Lesen schlüpfriger Schriften” und hoffentlich auch den “unvollkommenen Beischlaf”. Aber bei Kaffee, Petersilie, Schweinefleisch, Zwiebeln, Zucker und Salz wird es kompliziert…
Und seltsamerweise hört man darüber von den Homöopathen nicht wirklich viel. Und vermutlich ist diese Liste auch auf keinem Beipackzettel zu finden.
Warum halten sich die Homöopathen nicht mehr an die Empfehlungen von Hahnemann? Gab es in den letzten 200 Jahren irgendwelche großen Studien, die diese Liste Punkt für Punkt abgearbeitet und gezeigt haben, dass man sie großteils ignorieren darf (mit Ausnahme des Zahnpulvers vielleicht)?
Aber da Homöopathie ja so oder so keine Wirkung hat, ist es auch egal, ob ich nen langen Mittagsschlaf mache oder im Bett ein Buch lese. Und wenn sich diese lange Liste an Einschränkungen durchsetzen würde, hätte es die Homöopathie wohl schwer, ihren Status als Lifestyle- und Wellnessmedizin zu behalten…
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