Es ist an sich schon verwunderlich, dass es so ein Objekt bis ins innere des großen Teleskops geschafft hat und den Detektor beschädigen konnte. Man hat einige Experimente am Staubbeschleuniger in Heidelberg gemacht und schließlich herausgefunden, dass wohl ein Mikrometeorit mit dem Spiegel von Newton zusammengestoßen ist und dabei in viele kleine Stücke zerbrach. Eines dieser Bruchstücke war es dann, dass den empfindlichen Detektor störte. Dieses Problem konnte aber durch geschickte technische Manipulationen weitesgehend behoben werden sodaß XMM-Newton heute – bis auf ein paar kaputte Pixel im Detektor – problemlos funktioniert.

Nach der Mittagspause erklärte dann Uwe Minne von EADS Astrium, wie der eigentliche Bau des Satelliten abgelaufen ist und Howard Nye, der Ground Segment Manager erzählte von den restlichen Vorbereitungen auf den Missionsstart.

Sehr unterhaltsam war der Vortrag von Fred Jansen, Mission Manager bei XMM-Newton. Er gab einen kurzen Überblick über die Geschichte des Teleskops: erste Konzepte gab es schon 1985. Damals wollte man noch 12 Einzelteleskope kombinieren, 1987 waren es nur noch 7 und schließlich ging XMM-Newton mit drei Spiegeln an den Start.

Sehr unterhaltsam – zumindest 10 Jahre später – waren die Geschichten der “Pre Launch Panic”, die vor jedem Start aufzutreten scheint. Kurz bevor die Ariane abheben sollte, gab es auf einmal noch jede Menge Probleme die gelöst werden mussten – und auch gelöst wurden

Auch Jansen betont, wie wichtig das Teleskop für die astronomische Gemeinschaft ist. In den letzten 10 Jahren haben sich viele junge Astronomen auch dank XMM-Newton dazu entschieden, auf dem Gebiet der Röntgenastronomie zu arbeiten. Bei der Ablöse des Teleskops darf es daher keine Lücke geben; neue Instrumente müssen nahtlos an XMM-Newton anschließen um diesen Aufschwung der Röntgenastronomie nicht plötzlich abzuwürgen.

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Änderung des prognozierten Startdatums für XMM-Newton

Kein Kontakt mit XMM-Newton

Richtig spannend wurde es dann beim Vortrag von Dietmar Heger. Er Erzählte von den dramatischen Tagen im Oktober 2008, als die Mission beinahe scheiterte.

Am 18. Oktober 2008 wollte man routinemäßig die Teleskopkontrolle von Darmstadt nach Villafranca in Spanien wechseln. In Darmstadt schickte man entsprechende Signale ans Teleskop und in Spanien machte man sich bereit, die Daten von XMM-Newton zu empfangen. Aber es kam nichts!

Die Bodenstation in Villafranca konnte keinen Kontakt mehr mit dem Teleskop aufnehmen. Das war äußerst beunruhigend – auch wenn der aktuelle Status des Satelliten so war, dass keine unmittelbare Gefahr für ihn drohte. Wenn man aber in den nächsten Tagen den Kontakt nicht wiederherstellen konnte, dann würden sich die Bahn des Teleskops und seine Lage im Raum so ändern, dass es beschädigt werden konnte.

Sofort begann man nach dem Fehler zu suchen. Die Bodenstationen waren in Ordnung und auch sonst schien es keine Fehlerquelle zu geben. Die einzige Möglichkeit war der sg. “R/F-Switch”. Dieser Schalter verbindet den Transponder mit der Antenne und könnte vielleicht ausgefallen sein, als man von Darmstadt das letzte Signal an XMM-Newton geschickt hatte.

Wie auch immer – man konnte immer noch keinen Kontakt herstellen. Um herauszufinden, was eigentlich los war, probierte man nun, das XMM-Newton mit optischen Teleskopen zu finden. Die Stakenburg Sternwarte in Heppenheim fand den Satellit und konnte feststellen, dass er zumindest noch ganz ist. Man sah kein abgefallenen Teile und es gab auch keine Lichtänderungen, die auf ein Taumeln hindeuten würden. Weitere Messungen mit anderen Teleskopen bestätigten das Bild: XMM-Newton war da und intakt – aber der Satellit war nicht zu hören.

Am 21.10 fand die ESA-Bodenstation in New Norcia, Australien dann doch ein ganz schwaches Signal. Aus diesem Signal konnte man ableiten, dass der Transmitter zwar noch eingeschaltet ist – der R/F-Switch aber nicht korrekt funktioniert hat und quasi mitten beim Schalten, in neutraler Stellung stehengeblieben ist. New Norcia war aber zu schwach, um korrigierende Signale ans Teleskop zu senden. Die nächste Bodenstation in Canberra wäre stark gewesen – unterstützte aber die nötig Frequenz nicht. Schließlich schaffte man es von Goldstone in den USA aus, XMM-Newton neu zu konfigurieren. Der Schalter musste unbedingt bewegt werden – ansonsten wäre die Mission beendet gewesen.

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Kommentare (5)

  1. #1 Carolin Liefke
    21. Januar 2010

    Jaja, da treibt sich der Chef mal wieder in der Weltgeschichte rum…

    Muß ich mir dann doch glatt mal zeigen lassen, was er da so über die Arbeit von mir meinem Kollegen Jan (der mit den Aktivitätszyklen) erzählt hat 🙂

  2. #2 Christian A.
    21. Januar 2010

    Was ich absolut faszinierend finde, ist die Tatsache, dass man die Satelliten auch nach der Verbringung an den Zielorbit noch manipulieren kann (und muss). Diese Geschichte mit dem Mikrometeoriten – wie funktioniert das? Wenn da oben Hardware beschädigt ist, wie bastelt man sich einen Workaround? Der Schalter: Wie kann man die Rechner dort oben neu programmieren, dass der Schalter nicht mehr benötigt wird? Weil ich von sowas auch überhaupt keine Vorstellung, noch nicht mal ne Ahnung habe, finde ich das extrem spannend. (Spannender als die Ergebnisse selber, aber das ist nur meine Präferenz 😉

  3. #3 AlteWeser
    21. Januar 2010

    @Christian A.
    Ich kenne nicht das Innenleben von Satelliten, aber dort dürften eingebettete Systeme ihren Dienst tun. Als Rechner, die Teil eines Systems sind und auf Bildschirm und Tastatur verzichten können.

    Diese Rechner haben “Bootloader”. Das sind Programme, die dazu dienen, dass man neue Programme auf die Rechner aufspielen kann. Der Bootloader bleibt dabei unverändert, nur die Anwendersoftware gibt es neu. Das passiert z.B. wenn ein Auto in der Werkstatt ein Update für ein Steuergerät bekommt. Über Funk dürfte das bei Satelliten ähnlich sein.

  4. #4 Christian A.
    21. Januar 2010

    @AlteWeser:
    Klar, dass das irgendwie so funktionieren muss 😉 Trotzdem, ich bin einfach baff, dass das funktioniert.
    (Und ist auch klar, dass nach 50 Jahren Erfahrung im Satellitenbetrieb die Notwendigkeit für solche Möglichkeiten bekannt ist)
    Was ja noch dazu kommen muss, ist ja die Möglichkeit, eine umfangreiche Diagnose zu fahren. Ich vermute, dass dazu viele Simulationen zum Einsatz kommen, z.B. welcher Fehler führt zu welchen bordeigenen Diagnosen; wenn der Fehler identifiziert ist, wie behebt man ihn etc.
    Apropos: Ist im Bild 1 die kumulierte Anzahl Publikationen aufgetragen? Dann ist die Anzahl von Papern pro Jahr ja doch relativ konstant, oder?

  5. #5 Jens Fischer
    21. Januar 2010

    Drei kleine Schreib- bzw. Formulierungsfehler Fehler hab ich gefunden:

    “Nach 10 Jahren Laufzeit sind noch 77,47 kg davon übrig. Das klingt nicht nach viel – aber XMM-Newton braucht normalerweise nur 0,48 Kilogramm.”
    …braucht normalerweise nur 0,48 Kilogramm *pro Monat?/pro Korrektur?*
    Interessant wäre vielleicht auch anzugeben, wie viel Treibstoff zu Beginn der Mission vorhanden war.

    “Norbert Schartel, der Project Scientist umriß im nächsten Vortrag kurz die unterschiedlichen wissenschaftlichen AUfgaben [sic!: Aufgaben] des Teleskops.”

    “Es ist an sich schon verwunderlich, dass es so ein Objekt bis ins innere großen Teleskops geschafft hat und den Detektor beschädigen konnte.”
    …bis ins innere *des* großen Teleskops geschafft…