Ab und zu gibt es Bücher, da weiß man schon daß sie hervorragend sein werden, bevor man sie das erste mal aufschlägt. Dazu gehört Die Wissenschaftslüge: Wie uns Pseudo-Wissenschaftler das Leben schwer machen von Ben Goldacre.
Goldacre werden die meisten als Kolumnisten des Guardian kennen bzw. von seinem Blog Bad Science. So war auch der Titel seines Buches das er 2008 veröffentlicht hat.
Heute ist es auch auf deutsch erschienen und ich hab es gestern zufällig am Bahnhof entdeckt und gleich durchgelesen!
Wer Goldacres Blog kennt, der kann sich wahrscheinlich denken, wovon das Buch handeln wird. Goldacre schreibt über schlechte Wissenschaft bzw. eigentlich Pseudowissenschaft und konzentriert sich besonders auf den Bereich der Medizin (er selbst ist ja auch Medizinjournalist und ausgebildeter Psychiater).
Gleich zu Beginn spricht er über seine Motivation.
Heutzutage sehen sich Naturwissenschaftler und Ärzte einem Heer von Menschen gegenüber, die sich anmaßen, wissenschaftliche Forschung beurteilen zu können – ein bewunderstwertes Bestreben – , ohne sich vorher auch nur die Grundkenntnisse über ein gegebenes Thema angeeignet zu haben.
Dieses “Loch in unserer Kultur” wie es Goldacre nennt, will er thematisieren. Er stellt auch klar, dass es ihm nicht zwingendermaßen darum geht, Quacksalber zu entlarven um deren Kunden zu schützen (obwohl das auch ein Aspekt ist):
(…) denn die wahre Bedrohung durch die Quacksalber liegt nicht etwa darin, dass ihre Kunden sterben könnten – was schlimmstenfalls auch passieren kann, aber ich möchte nicht ständig darauf rumreiten -, sondern dass sie das Verständnis der Öffentlichkeit von wissenschaftlicher Beweisführung systematisch aushöhlen.
Gleich im ersten Kapitel stellt Goldacre ein paar pseudowissenschaftliche Theorien vor – z.B. Aqua Detox oder Ohrenkerzen. Dazu erklärt er, wie man mit ein paar äußerst einfachen Experimenten und Überlegungen herausfinden kann, ob es sich dabei um ernsthafte Theorien oder pseudowissenschaftlichen Unfug handelt.
Weniger amüsant als die seltsamen Ohrenkerzen ist dann aber “Brain-Gym” – eine Art Gymnastik, die in sehr vielen britischen Schulen offiziell durchgeführt und auch von der Regierung offiziell unterstützt wird. Durch seltsame Übungen soll hier die Leistungsfähigkeit des Gehirns gesteigert und der “Energiefluss” optimiert werden.
Hier zum Beispiel eine typische Übung:
Die Überkreuzbewegung ist eine sehr einfach Übung: Gehen Sie einfach auf der Stelle, ziehen Sie jeweils das eine Knie hoch und bringen Sie das Bein mit dem Ellenbogen des angewinkelten Arms der anderen Seite zusammen: also das linke Bein mit dem rechten Ellenbogen und umgekehrt. Versuchen Sie diese Bewegung möglichst langsam und bewusst auszuführen.
Damit “stimulieren Sie die Funktionen Ihres gesamten Gehirns und der Stirnlappen. “
Prinzipiell ist ja gegen Gymnastik nichts einzuwenden. Aber wenn den Schülern von den gleichen Lehrern, die ihnen echtes Wissen beibringen auch so ein Unsinn über die “Stimulation des Stirnlappens” erzählt wird, dann ist das bedenklich. Goldacre nennt noch einen zweiten Aspekt:
Man nehme eine vollkommen vernünftige Intervention wie ein Glas Wasser oder eine Gymnastikpause, würze das Ganze jedoch mit einer Prise Unsinn damit es technischer und man selbst schlauer klingt. Auf diese Weise lässt sich der Placeboeffekt noch steigern, aber man könnte auch fragen, ob der primäre Zweck nicht etwas weitaus Zynischeres, Lukrativeres ist: Man lässt sich den gesunden Menschenverstand als etwas Einmaliges patentieren und nimmt ihn so ihn Besitz.
Interessant ist auch das Kapitel über die Kosmetikfirmen. Hier geht es weniger um Pseudowissenschaft wie “Brain Gym” sondern um die Verwirrungstaktiken der Marketingabteilungen mit denen stinknormale Sachen als hochwissenschaftlich geprüfte Wirkstoffe verkauft werden. Zum Beispiel “hydrolisierte X-Mikroprotein-Nutricomplexe” oder “Tenseur Peptidique Végétal” was, wie Goldacre schön erklärt nichts anderes ist als “gekochtes und zermatschtes Gemüseprotein”.
Auch hier sieht Goldacres das große Problem nicht darin, dass den Leuten überteuerte Produkte verkauft werden die im Prinzip auch nicht mehr können als billige Kosmetik. Die Problematik liegt woanders:
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