Der Titel des Buches klingt vielversprechend: “Warum die Uhr stehen blieb, als Opa starb: Merkwürdige Zufälle und unerklärliche Phänomene”. Denn diese Art des alltäglichen Aberglaubens ist ja tatsächlich weit verbreitet. Zufälle aller Art werden von vielen Menschen als Beweis für übernatürliche Phänomene angesehen und Geschichten über Spuk, Vorahnungen, UFOs und Kommunikation mit dem Jenseits hört man auch immer wieder – ernstgemeint. Ein gut geschriebenes Buch, dass einfach und leicht verständlich hier die Hintergründe erklärt und z.B. das Zusammenspiel zwischen selektiver Wahrnehmung, Zufall und den fehleranfälligen menschlichen Sinnen erläutert ist tatsächlich keine schlechte Idee. Sowas ist in unserer Welt die (zumindest kommt es mir so vor) immer esoterischer und abergläubischer wird dringend nötig.
Und der Autor, Bernd Harder, ist auch der Chefreporter der Zeitschrift “Skeptiker”. Man darf also davon ausgehen, dass das Thema kompetent und kritisch abgehandelt wird.
Leider ist das Buch trotzdem ein Reinfall…
Die Themenauswahl des Buchs ist in Ordnung. Den Anfang machen “Todesomen” wie die im Titel erwähnte Uhr: Geschichten über Uhren, die zum Zeitpunkt des Todes eines Angehörigen stehengeblieben ist, kennt wohl jeder (sogar der berühmte Physiker Richard Feynmann hat sowas beim Tod seiner Frau erlebt – und später auch herausgefunden, warum die Uhr genau die Todeszeit anzeigte). Oder Geschichten über Fotos, die herunterfallen wenn jemand stirbt bzw. sonstige böse Vorahnungen. Weitere Themen des Buches sind klassische Spuk und Gespenstergeschichten, Kommunikation mit dem Jenseits (z.B. Gläserrücken), Tiere und Menschen die verschiedenste Vorahnungen haben, Schutzengel, UFOs, und jede Menge andere unerklärliche Erlebnisse.
Harder behandelt diese Themen immer auf die selbe Art und Weise: die jeweiligen Kapitel sind in drei Abschnitte eingeteilt die “Nachtseite”, “Im Dämmerlicht” und “Tagseite” heissen. In der “Nachtseite” wird das Thema vorgestellt und reale Beispiele aus den Medien gebracht. In der “Tagseite” wird das Phänomen erklärt und dazwischen, “Im Dämmerlicht” hat Harder kleine Geschichten bzw. “Berichte” geschrieben, die das Phänomen vorstellen.
Und hier liegt die große Schwäche des Buches. Ich verstehe absolut nicht, wozu diese “Dämmerlicht”-Geschichten gut sein sollen. Echte Beispiele für das jeweils behandelte Phänomen wurden ja schon in der “Nachtseite” vorgestellt. Warum braucht es dann noch zusätzlich einen Abschnitt mit fiktiven Geschichten zum Thema? Und vor allem: warum so wahnsinnig viele!
Die Kapitel der “Nachtseite” machen insgesamt etwa 32 Seiten des Buches aus; die Erklärungen der “Tagseite” nehmen 39 Seiten ein. Und auf de restlichen 168 Seiten des Buches erzählt Harder seine Geschichten von Spuk und unerklärlichen Ereignissen. Warum?? Ich verstehe echt den Sinn dahinter nicht. Vielleicht wollte Harder die Vielfalt der kursierenden Geschichten darstellen? Aber dann wäre ein echt Quellensammlung mit echten Geschichten vermutlich besser gewesen anstatt dieses Sammelsurium an fiktiven Stories. Diese Übermacht der Dämmerlichtgeschichten erzeugt auch einen sehr seltsamen Eindruck beim lesen: Zuerst wird einem in der “Nachtseite” ein Thema schmackhaft gemacht und Spannung aufgebaut – man ist gespannt, wie der Autor die Geschichten später erklären wird. Dann folgen aber Seite um Seite um Seite Harders “Dämmerlicht-Geschichten” (Ich hab irgendwann aufgehört, sie alle zu lesen. Ständig sterben da Eltern, Kinder oder gute Freunde – dass macht einen im Laufe der Zeit ganz depressiv). Wer über diesen ganzen zusätzlichen Mystery-Geschichten nicht das eigentliche Thema aus der “Nachtseite” vergessen hat, der wird nun noch gespannter auf die Erklärung der “Tagseite” warten – und enttäuscht werden.
Denn hier wird im Allgemeinen nicht auf die Geschichten von “Im Dämmerlicht” eingegangen. Warum dann soviele Geschichten erzählen? Wer dieses Buch liest, der kann angesichts der kurzen Erklärungen durchaus den Eindruck gewinnen, die Skeptiker und Wissenschaftler wären gar nicht fähig, die diversen mysteriösen Phänomene zu erklären. Und wer an Mystery und Geheimnis interessiert ist, der findet die eher prosaischen Erklärungen der Wissenschaft sowieso schon als unzureichend (“Das war ein echtes Gespents und nicht einfach nur ein kalter Luftzug!”). Wenn im Buch dann also auf dutzende von Gespenstergeschichten nur ein paar Seiten mit knappen Erklärungen folgen (die oft auch nichts mit dem Inhalt der Geschichten zu tun haben), dann hinterläßt das einen äußert unbefriedigenden Eindruck.
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