Das hier ist die Rezension eines
Kapitels von “Der Stoff aus dem der Kosmos
ist” von Brian Greene. Links zu den Rezensionen der anderen Kapitel kann man hier finden.
Jedes Buch, das sich mit moderner Physik beschäftigt, muss auch über Relativitätstheorie und Quantentheorie reden. Das sind die beiden Pfeiler, auf denen die Physik der letzten 100 Jahre aufgebaut ist und ohne die kommt man nicht aus. Liest man aber öfter mal die einschlägigen Sachbücher, dann kann sich da schnell ein Ermüdungseffekt einstellen. Irgendwann hat man keine Lust mehr, die x-te Einführung in die Relativitätstheorie zu lesen und zum umpfzigsten Mal das Doppelspaltexperiment erklärt zu bekommen…
Natürlich kommt auch Greene nicht umhin, die Grundlagen von Relativität und Quantenphysik zu erklären. Aber bei ihm sind auch diese Kapitel spannend und lesenswert – selbst wenn man schon oft genug darüber gelesen hat. Greene vermeidet die üblichen Erklärungsansätzen und schafft es, das Thema frisch und neu darzustellen.
Den Anfang von Kapitel 3 bilden ein paar Überlegungen zum physikalischen Konzept der Felder. Die kennt jeder, der schon mal mit einem Magneten gespielt hat und merkt, wie sich hier eine Kraft scheinbar unsichtbar ausbreitet.
Nichts ist schneller als das Licht!
Der erste, der die elektrische und magnetische Kraft detailliert beschreiben konnte, war James Clerk Maxwell. Er beschrieb im 19. Jahrhundert, wie sich elektromagentische Wellen – zu denen auch das Licht gehört – ausbreiten. Er hat auch berechnet, wie schnell sie das tun: mit etwa 300000 Kilometern pro Sekunde. Im letzten Kapitel haben wir aber anhand von Newtons Eimer gelernt, dass es eigentlich keinen Sinn macht, von einer Bewegung zu sprechen wenn wir keinen Bezugspunkt angeben. Also: in Bezug auf was bewegt sich das Licht mit 300000 Kilometern pro Sekunde?
Maxwell konnte die Frage nicht beantworten – seine Gleichungen gaben darüber keinen Aufschluß. Die Physiker einigten sich dann darauf, dass dies wohl eine Geschwindigkeit relativ zu einem Medium sein muss. So wie sich Meereswellen im Wasser ausbreiten und Schallwellen in der Luft müsse sich auch das Licht in einem Medium – dem Lichtäther – ausbreitenund die 300000 Kilometer wären dann die Geschwindigkeit relativ zum Äther.
Wenn das tatsächlich so ist, dann muss dieser Äther auch nachweisbar sein. Das berühmte Experiment von Michelson und Morley sollte 1881 diesen Äther nachweisen. Sie wollten zeigen, dass sich die Geschwindigkeit des Lichts ändert, je nachdem wie sich die Erde durch diesen Äther bewegt. Gemessen wurde aber nichts. Egal was man anstellte – die Geschwindkeit des Lichts blieb immer gleich.
Michelson bestimmt die Lichtgeschwindigkeit (aus “Experimental Determination of the Velocity of Light“)
Ein paar Jahre später, 1905, hatte Albert Einstein seinen berühmten Geistesblitz. Wenn Maxwells Gleichungen keinen Äther beschreiben und kein Äther zu messen ist, dann existiert auch kein Äther. Die Lichtgeschwindigkeit beträgt 300000 Kilometer pro Sekunde relativ zu allem! Egal was. Es macht keinen Unterschied ob ich ruhig am Boden stehe oder mich mit enormer Geschwindigkeit auf eine Lichtquelle zu bewege: das Licht wird sich immer mit 300000 Kilometer pro Sekunde relativ zu mir bewegen.
Aus dieser Forderung ergeben sich weitreichende Konsequenzen, die Albert Einstein in seinem berühmten Aufsatz “Zur Elektrodynamik bewegter Körper” dargelegt hat. Wenn das Licht immer die gleiche Geschwindigkeit hat, unabhängig von der Geschwindigkeit, mit der ich mich bewege, dann folgt daraus sofort, dass es keine absolute Zeit geben kann! Geschwindigkeit ist ja nichts anderes als Entfernung pro Zeit – und wenn zwei Beobachter, einer Ruhe der andere in Bewegung, beide berichten, dass das Licht sich konstant mit 300000 km/s bewegt, dann müssen sie Zeit (und Raum) unterschiedlich wahrnehmen!
Das ist eine faszinierende Idee – auch für Greene:
“Die Relativität von Raum und Zeit ist eine verblüffende Schlussfolgerung. Ich kenne sie seit mehr als 25 Jahren, trotzdem versetzt sie mich immer wieder in Verwunderung wenn ich mich still hinsetze und über sie nachdenke. Aus der abgedroschenen Feststellung, dass die Lichtgeschwindigkeit konstant ist, schließen wir, dass Raum und Zeit im Auge des Betrachters liegen.”
Greene findet auch ein schönes Bild, um die Sache mit Raum und Zeit und der Lichtgeschwindigkeit zu erklären. Ein Objekt – ein Mensch, ein Auto, … – bewegt sich ja nicht nur durch den Raum, sondern auch durch die Zeit. Ein parkendes Auto mag zwar bewegungslos rumstehen – aber nur dann, wenn wir “Bewegung” rein räumlich auffassen. Einstein hat aber gezeigt, dass Raum und Zeit nicht isoliert zu betrachten sind. Jede Bewegung ist immer eine Bewegung durch die Raumzeit und so bewegt sich auch das stehende Auto – eben durch die Zeit. Fährt es dann los, dann wird ein Teil der Bewegung durch die Zeit in Bewegung durch den Raum umgelenkt. Simpel gesagt: Da nun auch ein Teil der Bewegung durch den Raum stattfindet, verlangsamt sich die Bewegung durch Zeit. Die Zeit für bewegte Objekte verstreicht also langsamer!
Dieses Auto bewegt sich rasend schnell – durch die Zeit!
Schon wieder Newtons Eimer
Einstein hatte übrigens auch noch ein paar Anmerkungen zu Newtons Eimer aus den letzten Kapitel. Da hatten wir ja festgestellt, dass sich Newtons absoluter Raum nicht halten lässt und stattdessen Machs relativistische Position eingenommen nach der es keinen Sinn macht von Bewegung zu sprechen wenn nichts da ist, relativ zu dem man die Bewegung messen kann. Einstein selbst war von Machs Arbeit sehr beeindruckt – aber in Sachen Eimer stand er auf Newtons Seite. Untersucht man die Drehung des Wassers im Eimer mit der speziellen Relativitätstheorie, dann würde man auch im absolut leeren Raum, ohne jeden Bezugspunkt, eine Kraft spüren. Denn Einstein selbst hat nie behauptet, dass “alles relativ” wäre. Seine spezielle Relativitätstheorie besagt das einige Dinge relativ sind – die Raumzeit aber ist absolut (Einstein selbst hätte seine Theorie auch viel lieber Invarianztheorie genannt):
“Die Form einer Raumzeitbahn liefert das Kriterium, anhand dessen sich entscheiden lässt, ob die betreffende Bewegung beschleunigt erfolgt. Die Raumzeit, nicht nur der Raum allein, liefert das Bezugssystem.”
Machs These von der Masse, ohne die man keine Kräfte spüren würde hat Einstein trotzdem stark beeinflusst und beeindruckt. Er konnte zwar keinen Mechanismus angeben, wie das ablaufen sollte – aber Einstein machte sich daran, einen zu suchen. Die naheliegenste Idee war die Gravitation. Vor allem auch deswegen, weil Einstein sie in seiner speziellen Relativitätstheorie ignoriert hatte (das ist das “spezielle” daran). Er ging also daran die spezielle Relativitätstheorie mit der Gravitation zu vereinen. Wo die spezielle Theorie nur gleichförmige Bewegung beschreiben konnte, sollte die neue, allgemeine Theorie auch beschleunigte Bewegung erklären. Und was ist Beschleunigung anderes als Gravition, überlegte Einstein. Die Bewegung in einem Gravitationsfeld und die beschleunigte Bewegung sind absolut äquivalent. Aus diesem Äquivalanzprinzip und der Untersuchung von beschleunigter Bewegung in der Raumzeit kam Einstein zu seiner revolutionären Schlußfolgerung: Die Gravitation ist nichts anderes als Verzerrungen in der Raumzeit.
Mit dieser Beschreibung der Gravitation konnte er die Welt genauer erklären als Newton und endlich auch das Problem der Geschwindigkeit lösen. Denn nach Newton breitet sich gravitative Kraft instantan aus – was Einsteins spezielle Theorie aber verbietet. Aus der allgemeinen Theorie konnte man nun ausrechnen, dass sich auch die Gravitation exakt mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet.
Und der Eimer? Erklärt denn nun die allgemeine Relativitätstheorie Machs Interpretation des Eimerproblems? Nicht wirklich. Machs Prinzip hat sich nie wirklich in die Relativitätstheorie integrieren lassen. Und auch wenn die Masse im Universum – alle Masse! – gemeinsam bestimmt, welche Gravitationswirkung wir spüren hat sich im Licht der Relativitätstheorie Machs Lösung des Eimerproblems also falsch herausgestellt. In einem völlig leeren Universum wäre die Raumzeit auch völlig flach und die allgemeine Theorie geht in die spezielle Relativitätstheorie über. Und nach der dient die Raumzeit selbst als Bezugspunkt; so wie Newtons absoluter Raum das getan hat. Wenn wir uns im leeren Universum um uns selbst drehen, dann spüren wir also eine Kraft!
Einstein hat uns also gezeigt, dass die Raumzeit ein “Etwas” ist. Und das dieses Etwas, der “leere” Raum ganz schön kompliziert sein kann, wird im nächsten Kapitel genauer erläutert.
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