Jetzt liegen die Würmer nicht in der Mitte, sondern unten drumherum und auch der Frosch wird sich nach dem Abkühlen der Schüssel nicht im Zentrum niederlassen, sondern ein Stückchen weit weg. Das entspricht einem Feld, dass nach dem Abkühlen einen Wert ungleich Null annimmt, so wie das Higgs-Feld. Und dieses Feld macht tolle Dinge!
Es ist die Grundlage des Higgs-Mechanismus der erklärt, wieso die Dinge eigentlich eine Masse haben. Denn Einstein hat in seiner Relativitätstheorie zwar erklärt, wie Masse sich auf die Raumzeit auswirkt – aber warum die Dinge überhaupt verschiedene Massen haben konnte er nicht sagen. Das soll nun mit dem Higgs-Feld gelingen. Da dieses Feld immer einen Wert ungleich Null hat, durchdringt es den gesamten Raum. Überall wo wir ein “leeres” Vakuum sehen (und auch überall sonst) ist in Wirklichkeit nicht Nichts – sondern das Higgs-Feld. Und das interagiert mit allen anderen Teilchen – und das unterschiedlich. Dafür gibt es die bekannte Metapher mit den Prominenten und der Menschenmenge: angenommen, ein Promi wie z.B. Britney Spears kämpft sich durch eine Menge von Fans und Reportern. Sie wird dabei nur sehr langsam voran kommen, weil alle etwas von ihr wollen. Ein unbekannter Nobody kann dagegen die Menschenmenge ungehindert durchqueren. So sollen auch die Massen der Teilchen zustanden kommen: manche Teilchen, wie z.B. das Photon interagieren gar nicht mit dem Higgs-Feld und rauschen einfach durch. Deswegen haben sie aus unserer Sicht gar keine Masse. Andere Teilchen, wie z.B. das Elektron oder das top-Quark sind “prominenter” und das Higgs-Feld setzt ihnen mehr Widerstand entgegen. Sie haben daher eine größere Masse. Greene schreibt:
“Was wir uns normalerweise als leeren Raum vorstellen – das Vakuum, das Nichts – ist also entscheidend daran beteiligt, dass die Dinge in unserer Welt ihr vertrautes Erscheinungsbild annehmen.”
Das Vakuum: auch wenns leer aussieht, ist es voller Higgs! (Bild: CC-BY 3.0)
Und wenn wir nun denn Higgs-Mechanismus mit der Symmetriebrechung kombinieren, dann kommen wir zur großen Vereinheitlichung. Als das Universum noch heiß war, hat das Higgs-Feld wild hin und her geschwankt und hatte im Durchschnitt den Wert Null. Das heisst aber auch, dass alle Teilchen masselos waren – denn ein Higss-Feld, das Masse erzeugen konnte, gab es ja nicht. Wenn es aber keinen Unterschied mehr zwischen den Teilchen gab, dann macht es auch keinen Sinn, von verschiedenen Teilchen zu sprechen. Wenn es keine Möglichkeit gibt, zwischen Photon und top-Quark zu unterscheiden, dann sind Photon und top-Quark identisch. Und nicht nur das: auch die Kräfte unterscheiden sich nicht mehr voneinander. Denn die werden ja durch die Übertragungsteilchen definiert – und die sind nun ja auch identisch.
Bei den sehr heißen Temperaturen die am Anfang des Universum geherrscht haben zeigt sich also eine den Naturgesetzen zugrunde liegende Symmetrie, die wir heute nicht mehr sehen, weil sie bei der Abkühlung des Universums gebrochen wurde.
Ein schönes und ästhetisch ansprechendes Modell: eigentlich gibt es nur eine einzige Kraft. Als das Universum aber dann kühler wurde kondensierte das Higgs-Feld zu einem nicht-verschwindenen Wert und verschleiert seit dem die der Wirklichkeit zugrunde liegende Symmetrie. Das, was wir als unterschiedliche Kräfte wahrnehmen, sind in Wahrheit nur verschiedene Ausprägungen der einen, gleichen Kraft. Die Sache hat nur einen Schönheitsfehler – es fehlt der letzte experimentelle Beweis für die Existenz des Higgs-Feldes. Denn wie alle Felder braucht es ein Teilchen, dass die Wechselwirkung überträgt. Dieses Higgs-Boson konnte noch nicht entdeckt werden – aber genau dafür wurde u.a. ja der große Teilchenbeschleuniger LHC gebaut. Die Chancen stehen also gut, dass wir in den nächsten Jahren das letzte Puzzlestein finden.
Was das Buch angeht, fehlt uns auch noch ein Puzzlestein – nämlich die Frage nach dem Zustand niedriger Entropie ganz am Anfang. Wir wissen zwar nun, dass es durch die hohen Temperaturen sehr symmetrisch zuging – aber noch nicht, warum das so war. Wir müssen also noch ein wenig weiter zurück zum Anfang gehen…
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