Branwelten

Oder aber unser ganzes Universum ist eine Brane. Vielleicht ist das Universum das wir wahrnehmen eine gigantische 3-Brane die in einer elfdimensionalen Raumzeit existiert? Das, was wir als “das Universum” kennen wäre dann bei weitem noch nicht alles sondern eben nur ein Objekt in einem viel größeren Raum? Aber warum merken wir dann nichts davon? Wo ist diese 3-Brane, die das ganze Universum durchdringt (neben Higgs-Feldern, Vakuumfluktuationen und dunkler Energie wird es im “leeren” Raum langsam ziemlich voll). Hier muss man sich das Zusammenspiel zwischen Branen und Strings klarmachen. Bei den Strings gibt es zwei verschiedene Typen: offene Strings und geschlossene. Bei der Untersuchung der offenen Strings fand man heraus, dass die sich oft nicht beliebig bewegen können sondern das deren Enden auf bestimmte Bereiche beschränkt sind (so ähnlich wie die Fäden eines Flokati-Teppichs an einem Ende an der flachen Unterseite befestigt sind). Bei den Photonen ist es z.B. so, dass sie durch offene Strings beschrieben werden. Die müssen sich zwar innerhalb der 3-Brane bewegen, an der sie “festkleben” und können sie nicht verlassen – sind aber ansonsten frei zu gehen, wohin sie wollen. Für Photonen ist die Bran also quasi völlig durchsichtig. Da die Photonen aber auch die Teilchen der elektromagnetischen Kraft sind, heisst das, dass sie innerhalb der 3-Brane gefangen ist; alles was außerhalb noch existieren mag, ist für die elektromagnetische Kraft nicht vorhanden.

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Ist unser Universum ein Flokati-Teppich?

Die Extradimensionen müssen also gar nicht mal so winzig sein. Bisher dachten wir ja, sie müssten wahnsinnig klein aufgerollt sein, weil wir sie sonst ja schon längst gesehen hätten. In einer Branwelt ist es aber egal, wie groß die Zusatzdimensionen sind. Wir können sie nicht wahrnehmen, weil die elektromagnetische Kraft (und auch die schwache und starke Kernkraft) in der 3-Brane gefangen sind und nichts anderes als die 3-Brane “sehen” können. Die einzige Ausnahme ist die Gravitation. Gravitonen sind geschlossene Strings und nicht an einer Brane festgemacht. Sie können sich auch in den anderen Dimensionen bewegen. Wenn wir auf einer Branwelt leben, dann müssten wir das am Verhalten der Gravitation merken!

Wenn wir messen, wie sich die Gravitationskraft abschwächt, wenn wir uns von einer Masse entfernen, dann sehen wir immer, dass sie mit dem Quadrat des Abstands schwächer wird. Würden wir in einem zweidimensionalen Universum leben, dann hätte die Gravitation quasi weniger Richtungen zur Verfügung in die sie sich ausbreiten kann und würde daher weniger schnell schwächer: die Kraft würde nur mit dem Abstand selbst absinken (nicht mit dem Quadrat). Bei vier Raumdimensionen aber würde die Kraft viel schneller schrumpfen (mit der dritten Potenz des Abstands) – usw. Nach allem, was wir heute messen können, hat der Raum 3 Dimensionen. Aber wir haben das Gravitationsgesetz noch nicht bei sehr kleinen Abständen überprüft. Vielleicht sind die Zusatzdimensionen wirklich klein und wir merken deswegen noch nichts davon. Aber sie müssen nun bei weitem nicht mehr so klein sein wie es die Stringtheorie gefordert hat. Die Extradimensionen könnten bis zu einem Zehntelmillimeter groß sein! Mehr Gewissheit kriegen wir nur durch weitere Gravitationsmessungen bei noch kleineren Abständen.

Wenn aber die Extradimensionen größer sind als gedacht, dann kann das auch für die Strings gelten. Auch sie könnten größer sein: bis zu 10-18 Meter. Das ist immer noch winzig – aber hundert Milliarden Milliarden mal größer als man bisher dachte. Das ist schon fast groß genug, um in Teilchenbeschleunigern nachgewiesen werden zu können!

Urklatsch statt Urknall

Noch viel verblüffender sind allerdings die Aussagen, die sich aus der M-Theorie für die Kosmologie und den Ursprung des Universums ergeben. Einerseits kann man natürlich das bisherige Modell der inflationären Kosmologie beibehalten und die M-Theorie verwenden um endlich die problematische prä-inflationäre Anfangsphase des Universums in den Griff zu kriegen. Man kann aber auch ein ganz anderes Modell aufstellen. Das haben Paul Steinhard und Neil Turok im Jahr 2002 gemacht. Sie haben sich zwei 3-Branen vorgestellt, die in regelmäßigen Abständen miteinander kollidieren. Die Kollision zweier solcher Branen würde im Prinzip genau das erzeugen, was wir heute durch die inflationäre Kosmologie beschreiben. Nach der Kollisionen würden sich die Branen, auf denen jeweils ein “Urknall” stattgefunden hat, voneinander entfernen. Dabei dehnen sie sich immer weiter aus bis dann nach ein paar Billionen Jahren das Spiel von vorne losgeht; die beiden Branen sich wieder annähern und erneut miteinander kollidieren. Dieses Modell – dass als “Big Splat” bzw. “Urklatsch” oder aber auch als “Ekpyrotisches Universum” (von “Ekpyrosis”=”Weltenbrand”) bezeichnet wird ist spannend. Aber leider auch nicht der Weisheit letzter Schluß. Man könnte schon meinen man kann sich freuen weil man sich in so einem zyklischen Universum keine Gedanken mehr über die Anfang machen muss; der Punkt, an dem die Theorien Probleme machen. Aber leider zeigt eine nähere Untersuchung das wegen Quantenmechanik und Thermodynamik auf ein zyklisches Universums nicht immer konstante Zyklen haben kann. Die werden immer länger und länger was aber auch bedeutet, dass sie früher immer kürzer und kürzer waren und es irgendwann einen ersten Zyklus gegeben haben muss… Und warum sich die beiden 3-Branen gerade so perfekt anordnen sollten dass dieser Zyklus entsteht versteht auch noch niemand.

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Kommentare (14)

  1. #1 cydonia
    26. Mai 2010

    Ok, ich habe auf die Schnelle nur das Buchcover und die Bildunterschrift”Ist unser Universum ein Flokati-Teppich?” wahrgenommen. Das lese ich jetzt nicht, ich muss nämlich noch ein paar vernünftige, seriöse Gedanken formulieren. Vielleicht morgen.

  2. #2 Arnd
    26. Mai 2010

    Wenn es jetzt so eine 2-Brane gibt, die gerade so an uns vorbeisegelt, und diese 2-Brane ist sagen wir mal in der 6. Dimension gedreht… dann würden wir sie doch wieder nur als 1-Brane (sprich String) wahrnehmen (wenn wir sie überhaupt wahrnehmen könnten). Sehe ich das richtig?

    Wir könnten also nur die 2-Branen nachweisen die 100% genau in unserer 3-Brane liegen und in keiner der anderen 8 Dimensionen gedreht sind… scheint mir quasi unmöglich. Oder würden die wie Photonen auch in unserer 3-Brane “festkleben”?

    Btw.: Schöner Artikel/Review.

  3. #3 Ronny
    26. Mai 2010

    Der Urklatsch: endlich, meine Lieblingspassage 🙂

    Das Hauptproblem scheint immer zu sein, dass sich unser Gehirn nicht vorstellen kann, was unendlichkeit bedeutet.

  4. #4 XyloCephalus
    26. Mai 2010

    @Cydonia
    Sollte das Kritik sein? Die Gedanken und Formulierungen von Brian Greene sind ziemlich sicher seriös. Die Darstellung von Florian Freistetter ist eine zweite Sache, und ich finde die nicht schlecht und sehr lesenswert. Vergleiche mit Trash-Phänomenen und Ähnlichem lockern die Sache mMn nach ziemlich auf; das ist zumindest eine populäre und manchmal anziehende Art der Vermarktung.

  5. #5 Florian Freistetter
    26. Mai 2010

    @XyloCephalus: “Vergleiche mit Trash-Phänomenen und Ähnlichem lockern die Sache mMn nach ziemlich auf”

    Also ich wollte die M-Theorie sicher nicht mit “Trash-Phänomenen” vergleichen. Es ist nur enorm schwer, vernünftige Bilder zu diesen Themen zu finden 😉

    Und ich verstehe Cydonias Kommentar auch nicht als Kritik. Sondern eher als “solchen Themen widme ich mich lieber, wenn ich genügend Zeit dafür und den Kopf frei habe”. Aber Kritik würde ich auch vertragen 😉

  6. #6 nihil jie
    26. Mai 2010

    Also ich wollte die M-Theorie sicher nicht mit “Trash-Phänomenen” vergleichen. Es ist nur enorm schwer, vernünftige Bilder zu diesen Themen zu finden 😉

    tja… an dieser stelle würde ich jedem, der solchen vorstellungen herr werden möchte, ein buch mit dem titel Flächenland von Edwin Abbott Abbott empfehlen 🙂 es hilft ein bisschen… ehrlich *grins

  7. #7 Florian Freistetter
    26. Mai 2010

    @nihil jie: Naja, es geht ja nicht um die Vorstellung (Flächeland kenn ich natürlich) sondern um eine vernünftige und ansprechende Illustration. Klar, ich könnte selbst Grafiken und Bilder erstellen – aber dann komm ich zu sonst nichts mehr. Und Wikipedia & Co bringen einen hier auch nicht weiter…

  8. #8 nihil jie
    26. Mai 2010

    @Florian Freistetter

    mein vorschlag war ja auch nur halb ernst gewesen… obwohl es auch ein ziemlich gutes buch ist wenn man etwas vorstellungsakrobatik betreiben möchte, und sich mit solchen dingen nicht von berufswegen mathematisch befasst.
    aber ich verstehe auch das problem welches hier im raum steht. wie kann man dinge bildlich darstellen, für die unser körper nicht das notwendige sensorium besitzt und unser gehirn dessen auswertungszentrum im gehirn. unsere wahrnehmung ist auf die uns umgebene welt geeicht und die wahrnehmung von dimensionen jenseits der unseren 3 + die der zeit scheint nicht vorgesehen zu sein. wo zu auch ? wir brauchen sie nicht zum überleben 🙂 genau so scheint es mit frequenzen jenseits des sichbaren lichts zu sein… ok die wärmesrahlung können wir erspühren… aber die übrigen sind für uns auch nicht direkt wahrnehmbar… nur über technische umwege. es wäre sicherlich auch sehr schwer, jemanden der von diesen arten des lichtspektrums noch nie was gehört hat, das zu erklären oder bildlich dar zu stellen… obwohl das noch die leichteste übung wäre, im vergleich zu mehrdimensionalen räumen. viele menschen sind schon mit 3 dimensionen absolut überfordert…. was jetzt keine kritik ist… aber es ist in der tat so.
    das dumme bei der ganzen geschichte ist bloss, dass viele menschen da zu neigen, ihre schwierigkeiten etwas zu verstehen dem erklärenden als fehler an zu hängen 😉

  9. #9 Jörg
    26. Mai 2010

    Meine M-Theorie ist ja, dass das Zusammenbringen der String-Theorien so viel mit Dualitäten zu tun hat, wo eine Theorie in einem Limit der anderen in entgegengesetzten Limit entspricht, dass Witten die M-Theorie dual nach sich benannt hat…indem er sein W umgedreht hat.

  10. #10 Hattori Hansen
    28. Mai 2010

    Florian, großartiges, weil informatives und unterhaltsames Review, das du hier zelebrierst – und feine Bildauswahl übrigens. (Was sich diese Theoretiker immer einfallen lassen – vielleicht erklären die Vakuumfluktuationen ja auch die Lecks in meiner Apparatur.) Werde mir heute das Buch organisieren und hoffe, die Lektüre macht nicht ‘Insane in the M-Bran’.

  11. #11 perk
    30. Mai 2010

    Wenn wir messen, wie sich die Gravitationskraft abschwächt, wenn wir uns von einer Masse entfernen, dann sehen wir immer, dass sie mit dem Quadrat des Abstands schwächer wird. Würden wir in einem zweidimensionalen Universum leben, dann hätte die Gravitation quasi weniger Richtungen zur Verfügung in die sie sich ausbreiten kann und würde daher weniger schnell schwächer: die Kraft würde nur mit dem Abstand selbst absinken (nicht mit dem Quadrat). Bei vier Raumdimensionen aber würde die Kraft viel schneller schrumpfen (mit der dritten Potenz des Abstands) – usw.

    als ich das gerade las kam mir das irgendwie total komisch vor … ruckzuck die laplacegleichung für nen 2-d operator aufgeschrieben und tatsache die kraft geht wie 1/r
    die frage ist was ist hier ursache und was wirkung? es könnte gut sein dass wir an einer stelle d=3 angenommen haben um darauf zu kommen dass poissongleichungen und der laplaceoperator überhaupt das mittel der wahl sind.. oder überseh ich da grad was?

  12. #12 Dr. Johannes Reck
    11. November 2010

    Ganz allgemein bezüglich der Ergebnisse oder besser Hypothesen an der vordersten Front der theoretischen Physik: Anschaulich vorstellbar ist davon ja gar nichts mehr – im Gegenteil: Jeder Versuch sich das in unserer gewohnten 3- max.4-dimensionalen Begriffswelt vorzustellen, kann das wirkliche Verständnis nur behindern. Eine stimmige mathematische Beschreibung muss genügen. Und da stellt sich halt die Frage: Jede richtige Behauptung muss mathematisch stimmig sein, aber nicht jede mathematisch stimmige Behauptung ist deswegen auch richtig. Ist Mathematik = Wahrheit? Interessiert den Avantgarde-Pysiker/Kosmologen Wahrheit oder Tatsächlichkeit überhaupt?

  13. #13 aric
    22. März 2014

    könnte der “Big Splat” nicht dadruch entstehen das ein extremer Gravitationspunkt in einer Brane entsteht ?
    (z.B. alle Materie auf einem Punkt gebracht wird wie in einem schwarzen Loch)
    und daruch eine “verbindung” zu einer anderen Brane entsteht.

  14. #14 Florian Freistetter
    22. März 2014

    @aric: Naja, mit den aktuellen Entdeckungen in Sachen Inflation cheint die Sache mit den kollidierenden Branen jetzt ja sowieso widerlegt zu sein. Aber ob etwas von Brane zu Brane reisen kann, hängt davon ab, obs offene oder geschlossene Strings sind. Offene Strings hängen IMMER an ihrer Brane und können NIE weg. Geschlossene, wie das Gravitation, können überall hin. Verbindungen zwischen Branen sind also wohl nicht so einfach.