Das hier ist die Rezension eines
Kapitels von “Der Stoff aus dem der Kosmos
ist” von Brian Greene. Links zu den Rezensionen der anderen Kapitel kann man hier finden.
Das letzte Kapitel in “Der Stoff aus dem der Kosmos ist” gehört der Zukunft! Wo geht der Weg hin? Wie könnten unsere zukünftigen Vorstellungen von Raum und Zeit aussehen? Greene meint, dass wir vielleicht bald merken könnten, dass Raum und Zeit so wie wir sie verstehen, überhaupt nicht existieren sondern sich nur als “Vorspiel zu komplexeren, umfassenderen und fundamentaleren Prinzipien erweisen, die der physikalischen Wirklichkeit zugrunde liegen.”
Spekulationen über diese “fundamentaleren Prinzipien” bilden den Inhalt des letzten Kapitels.
Es ist schwierig, sich eine Welt ohne Raum und Zeit vorzustellen. Vermutlich ist es für uns sogar unmöglich. Ich schaffs jedenfalls nicht und auch Greene schreibt, dass er dabei jedesmal scheitert. Aber trotzdem könnten Raum und Zeit in unserem Universum nicht wirklich existieren sondern nur den kollektiven Eigenschaften irgendwelcher anderen, fundamentaleren Bestandteilen entspringen. Natürlich ist “Existenz” hier schwierig zu definieren. Der Duft einer Blume entsteht aus den kollektiven Eigenschaften ihrer Moleküle und ist nichts Fundamentales. Existiert der Duft nun oder nicht?
Auf der Suche nach dem Fundament der Realität (Bild: Rainer Knäpper Copyleft; Free Art License)
Aber egal – das mag zwar philosophisch interessant sein; auf der Suche nach den fundamentalen Bestandteilen der Raumzeit bringen uns solche Überlegungen nicht weiter. Wir wissen ja außerdem noch nicht mal, ob es sowas wirklich gibt. Die theoretische Physik liefert aber zumindest ein paar Anhaltspunkte. Da wäre zum Beispiel die “übersetzte Geometrie”. In einem früheren Kapitel hat Greene ja die verschiedenen Formulierungen der Stringtheorie erläutert. Die sind zwar alle anders – aber trotzdem nur unterschiedliche Ansichten der selben zugrunde liegenden, einheitlichen Theorie. Interessanterweise gibt es nun bei der geometrischen Beschreibung des Raums enorme Unterschiede zwischen den verschiedenen Stringtheorien! Die Extradimensionen der Stringtheorie werden da jeweils völlig anders dargestellt. Greene sagt
“Da die beiden Beobachter einfach alternative mathematische Beschreibungen desselben physikalischen Universums verwenden, lässt sich nicht sagen, der eine habe Recht und der andere Unrecht.”
Wenn die Raumzeit aber tatsächlich fundamental wäre, dann sollte man auch erwarten, dass jeder Physiker am Ende zum selben Ergebnis kommt – ega welchn Weg er nimmt.
Interessant sind in dieser Hinsicht auch die Untersuchungen, die über schwarze Löcher gemacht wurden. Außer der Masse, der elektrischen Ladung und dem Drehimpuls hat ein schwarzes Loch keine weitere Eigenschaften. Das ist ALLES was man über ein schwarzes Loch wissen kann. Außerdem – wie schon früher beschrieben – sind sie die Objekte im Universum die bei gegebener Größe die höchstmögliche Entropie besitzen. Normalerweise ist es ja so, dass die maximale Entropie proportional zum Raumvolumen ist. In eine kleine Tupperwareschüssel bekomme ich weniger Gas rein als in eine große – also ist in der großen auch eine größere Entropie möglich. Jacob Bekenstein und Stephen Hawking haben allerdings gezeigt, dass das bei schwarzen Löchern anders ist. Hier ist die Entropie proportional zur Oberfläche des Ereignishorizonts; nicht zum Volumen, das er umschliesst. Das ist eine interessante Erkenntnis:
“Wenn die maximale Entropie in einer gegebenen Raumregion proportional zum Oberflächeninhalt der Region ist und nicht zu ihrem Volumen, dann befinden sich vielleicht die wahren, fundamentalen Freiheitsgrade – die Eigenschaften die die Möglichkeit haben, diese Unordnung hervorzurufen – in Wirklichkeit auf der Oberfläche der Region und nicht in ihrem Volumen. Das heisst, vielleicht finden die realen physikalischen Prozesse des Universums auf einer dünnen, fernen Fläche statt, die uns umgibtm während alles, was wir sehen und erfahren nur eine Projektion dieser Prozesse ist. Mit anderen Worten: Vielleicht ähnelt das Universum eher einem Hologramm.”
Das klingt phantastisch – aber wissenschaftlich ist es durchaus im Bereich des Möglichen. Der Nobelpreisträger Gerard ‘t Hooft und Leonard Susskind haben diese These Anfang der 1990er erstmals aufgestellt. Demnach wäre das, was im “Inneren” des Universums, dem Bulk, passiert bestimmt durch das, was auf der Randfläche stattfindet. 1997 fand der Physiker Juan Maldacena dass es im Rahmen der Stringtheorie tatsächlich möglich ist, ein holografisches Universum zu realisieren. Er konnte zeigen, dass es tatsächlich möglich ist, die Holographie aus der Stringtheorie abzuleiten – wenn auch vorerst nur in einem hypothetischen Modelluniversm das nicht dem unseren entspricht. Aber immerhin: die Holographie könnte tatsächlich eine Eigenschaft des Universums sein (zumindest wenn es durch die Stringtheorie beschrieben wird)! Wenn das wahr ist (und aktuelle Experimente liefern spannende Daten), dann zeigt sich hier nur wieder, dass unsere vertraute Raumzeit nicht fundamental sein kann. Aber was ist es dann?
Leben wir in einem Hologramm (Bild: Eric Leiser)
Dazu gibt es momentan verschiedene Ideen. Die Stringtheorie macht einen simplen Vorschlag: die Raumzeit selbst besteht aus Strings. Sie “verflechten” sich quasi zur Raumzeit; ohne ihre Vereinigung gibt es keinen Raum und keine Zeit. Das Problem ist allerdings, dass die Stringtheorie nicht hintergrundunabhängig ist: sie lässt sich nur in der Raumzeit formulieren; man kann Raum und Zeit (noch) nicht direkt ableiten sondern muss deren Existenz vorgeben.
Eine Variation davon existiert im Branwelt-Szenario wo man vorschlägt, dass alles, auch Raum und Zeit, aus Null-Branen zusammengesetzt ist. So wie die klassischen Punktteilchen besitzen Null-Branen keine räumliche Ausdehnung – aber weil sie immer quasi an Strings dran hängen, gibt es mit ihnen nicht die Probleme, die uns die klassischen Punktteilchen beschert haben.
Es gibt auch Alternativen zur Stringtheorie: die Schleifen-Quantengravitation beschreibt ebenfalls ein Universum, in dem die Raumzeit aus diskreten Objekten (den Schleifen die den Strings ähneln aber nicht identisch mit ihnen sind) zusammengesetzt ist. Diese Theorie IST hintergrundunabhängig – hat aber andere Probleme. Details dazu kann man in Martin Bojowalds Buch “Zurück vor den Urknall” nachlesen (das ich aber nur bedingt empfehlen kann; eine Rezension dazu gibts bei Jörg).
Vielleicht schafft man es in Zukunft, Stringtheorie und Schleifen-Quantengravitation irgendwie zu vereinen? Greene sagt:
“Ich denke, das wird der Funke sein, der eine dritte Superstringrevolution auslösen wird, in der, wie ich zuversichtlich annehme, viele der verbliebenen Rätsel gelöst werden.”
Also warten wir ab, was die Zukunft bringt! Sowohl die Theoretiker als auch die experimentellen Physiker arbeiten hart daran, die Rätsel von Raum und Zeit zu lüften. Aber vielleicht sind es die Astronomen, die schließlich die fehlenden Puzzlesteine liefern? Das wir bei der Beobachtung des Himmels Informationen über die mikroskopische Quantenwelt und den Anfang von Raum und Zeit gewinnen können, hat Greene ja schon in frühren Kapiteln erkärt. Er beendet das Buch mit diesen Sätzen:
“Doch ich persönlich kann mir nichts Poetischeres, kein eleganteres Ergebnis, keine vollständigere Vereinheitlichung vorstellen, als die Bestätigung unserer Theorien über die allerkleinsten Dinge – unsere Theorien über die ultramikroskopischen Beschaffenheit von Raum, Zeit und Materie – zu finden, indem wir unsere leistungsfähigsten Teleskope himmelwärts richten und still zu den Sternen emporschauen.”
Ein sehr schönes Schlußwort!
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