Das hier ist die Rezension eines
Kapitels von “Der Stoff aus dem der Kosmos
ist” von Brian Greene. Links zu den Rezensionen der anderen Kapitel kann man hier finden.
Nachdem Greene uns in den ersten vier Kapiteln anhand von Relativitätstheorie und Quantenmechanik erklärt hat, wie sehr sich die Wirklichkeit des Raums von dem unterscheidet, was wir uns mit unserer Alltagserfahrung so vorstellen, sind die nächsten drei Kapitel der Zeit gewidmet. Unter dem Titel “Zeit und Erfahrung” demonstriert Greene nun, dass auch die Zeit nicht wirklich dass zu sein scheint, wofür wir sie halten.
Wenn wir rein nach unserer Erfahrung gehen, dann ist es vollkommen klar und eindeutig, dass sich die Zukunft von der Vergangenheit entscheidetg. Die Zukunft scheint Unmengen an Möglichkeiten zu enthalten; die Vergangenheit genau eine einzige. Dazwischen liegt die Gegenwart über die die Zukunft zur Vergangeheit wird. Die Zeit scheint für uns zu fließen. Und sie scheint eine Richtung zu haben – man spricht hier vom “Zeitpfeil”. Gewisse Dinge passieren immer auf eine bestimmte Art und Weise und nie auf eine andere. Es passiert oft, dass Kaffeetassen vom Tisch fallen und in lauter Scherben zerbrechen. Aber es passiert nie, dass ein Haufen Scherben und ein bisschen Flüssigkeit vom Boden auf den Tisch springen und eine intakte Tasse voll mit Kaffee formen. Wieso ist das so?
Bevor sich Greene dem Problem des Zeitpfeils widmet, spricht er zuerst noch über die fließende Zeit. Es kommt uns zumindest so vor, als würde die Zeit fließen. Wir merken ja ständig, wie sie vergeht. Betrachtet man aber die spezielle Relativitätstheorie, dann zeigt sich, dass sie Zeit eigentlich überhaupt nicht fließt.
Greene beschreibt das an seinem “Raumzeit-Brotleib”. Man kann sich die zeitliche Abfolge von Ereignissen zum Beispiel als Serie von Bildern vorstellen (wie in einem Daumenkino). Stapelt man alle diese Bilder übereinander erhält man einen Teil der Raumzeit. In etwa sowas:
Das hier ist quasi das gesamte Universum, die Totalität des Raums zu jeden beliebigen Zeitpunkt, angefangen vom Urknall (links) bis heute (rechts). Das, was ein Beobachter als “Gegenwart” bezeichnet, kann man sich als “Scheibe” vorstellen, die man aus dieser Gesamtheit herausschneidet. Auf dieser Scheibe befindet sich alles, was aus Sicht des Beobachters “jetzt” passiert. Greene schlägt vor, man könne eine Liste für einen bestimmten “Jetzt-Moment” erstellen. Existiert Karl der Große genau jetzt? Nein – er kommt nicht auf die Liste. Existiert Kaiser Nero jetzt? Nein. Existiert mein Ururenkelkind jetzt? Nein – es kommt ebenfalls nicht auf die Liste. Das Ticken der Uhr in meinem Arbeitszimmer existiert jetzt – es kommt auf die Liste. In der Andromeda-Galaxie explodiert genau jetzt ein Stern – der kommt auch auf die Liste. Und so weiter. Natürlich kann man so eine Liste nur im nachhinein aufstellen. Das Licht des Sterns in Andromeda braucht ja einige Zeit, bis es zu mir gelangt und ich darüber Bescheid weiß. Aber theoretisch könnte man so eine “Jetzt-Liste” erstellen.
Folgt man Newtons Auffassung von einer absoluten Zeit, dann ist meine Jetzt-Liste von einem bestimmten Zeitpunkt identisch mit der Jetzt-Liste jeder beliebigen anderen Person. Für uns alle gilt die selbe Zeit.
“Das Jetzt aller ist dasselbe Jetzt.”
sagt Greene. Aber seit Einstein wissen wir, dass das nicht stimmt. Zwei Beobachter die sich relativ zueinander bewegen, haben unterschiedliche Jetzts. Ihre Jetzts schneiden die den Brotlaib der Raumzeit in verschiedenen Winkeln und auf jeder Scheibe liegen unterschiedliche Ereignisse. Greene sagt:
“Beobachter, die sich relativ zueinander bewegen, haben verschiedene Begriffe davon, was zu einem gegebenen Zeitpunkt existiert, und daher auch verschiedene Wirklichkeitsbegriffe.”
Normalerweise treten die relativistischen Effekte nur auf, wenn die Relativgeschwindigkeit sehr groß ist. Aber, wie Greene ausführt – es reicht auch schon eine große räumliche Trennung der Beobachter. Denn der Winkel zwischen den “Jetzt-Scheiben” der Raumzeit ist zwar kleine, wenn die relative Geschwindigkeit größer ist – doch je weiter die Entfernung, desto größer ist der Abstand zwischen den Scheiben (so wie bei einer Schere bei der sich die Spitzen weit auseinander befinden, auch wenn man sie nur ein bisschen öffnet).
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