Das hier ist die Rezension eines Kapitels von “Der Stoff aus dem der Kosmos ist” von Brian Greene. Links zu den Rezensionen der anderen Kapitel kann man hier finden.
Im zweiten Kapitel geht es gleich los mit der Erforschung der Wirklichkeit. Die erste fundamentale die Greene sich stellt, ist die nach dem Raum. Was ist Raum? Und er erzählt von einem Experiment, mit dem sich diese Frage untersuchen lässt. Nein, dazu braucht man keinen Teilchenbeschleuniger und keine Raumsonder. Man braucht einen Eimer.
Das Experiment mit dem Eimer geht auf Isaac Newton zurück. Es ist wirklich einfach: Ein Eimer hängt an einem Seil und das Seil wird verzwirbelt. Dann lässt man den Eimer los und er beginnt sich zu drehen. Das Wasser bleibt erstmal in Ruhe. Irgendwann beginnt auch das Wasser sich zu drehen und zeigt nun keine flache Oberfläche mehr sondern eine konkave Einbuchtung.
So weit so gut. Klingt jetzt nicht sonderlich spektakulär – aber wenn man mal genauer drüber nachdenkt, dann tun sich Abgründe auf…
Fangen wir mal am Anfang an: da dreht sich der Eimer, aber das Wasser nicht. Es gibt also eine Relativbewegung zwischen Eimer und Wasser. Später, wenn das Wasser sich mitdreht, gibt es keine Relativbewegung mehr – und trotzdem ändert sich erst dann die Form der Wasseroberfläche. Und wenn man das Experiment weiterlaufen lässt, dann wirds noch seltsamer: irgendwann dreht der Eimer sich immer langsamer und langsamer bis er stehen bleibt und das Seil sich in die Gegenrichtung aufwickelt. An diesem Punkt steht der Eimer und das Wasser dreht sich – es gibt also genau die gleiche Relativbewegung wie am Anfang – nur ist einmal die Wasseroberfläche flach und einmal nicht. Woran liegt das?
Was ist hier los? Um die Situation vernünftig beschreiben zu können braucht man ein passendes Bezugssystem. Der Eimer scheidet aus – denn da wird die Wasseroberfläche ja genau dann konkav, wenn Wasser und Eimer zueinander in Ruhe sind (weil sich das Wasser mitbewegt). Aber was dann? Greene beschreibt ein Gedankexperiment, bei dem wir uns mitten im leeren All in einer Zentrifuge befinden. Wenn die sich dreht, dann spüren wir die Beschleunigung. Aber was ist hier unser Bezugspunkt? Es ist ja nichts da.
Isaac Newtons Antwort war der absolute Raum. Der Raum selbst ist das letztgültige Bezugssystem. Nur was sich in Bezug zum absoluten Raum bewegt, bewegt sich tatsächlich – alles andere sind Relativbewegungen. Damit erklärt sich das Eimerexperiment: Am Anfang sind zwar Eimer und Wasser relativ zueinander in Bewegung und je nach Bezugssystem kann man einmal den Eimer und einmal das Wasser als rotierend betrachten. Aber in Bezug auf den absoluten Raum dreht sich nur der Eimer! Deswegen ist die Wasseroberfläche flach. Erst später, wenn sich das Wasser mitdreht, dreht es sich auch in Bezug auf den Raum – und deswegen wird die Oberfläche konkav – so wie in diesem Video:
Ja – soweit Newton. Er konnte zwar nicht erklären, was dieser absolute Raum nun sein soll – aber seine Physik war enorm erfolgreich. Aber der absolute Raum bleibt trotzdem irgendwie unbefriedigend.
“Falls es den absoluten Raum gibt, muss er eigentlich ein Bezug für alle Bewegung liefern, nicht nur für die beschleunigte Bewegung. Wenn es den absoluten Raum wirklich gibt, warum lässt er uns dann nicht erkennen, wo wir uns, absolut betrachtet, befinden, so dass wir andere materielle Objekte nicht mehr als Bezugspunkte verwenden müssen um unsere Position zu bestimmen. Und wenn der absolute Raum wirklich existiert, wie kommt es dann, dass er auf uns einwirken kann (indem er beispielsweise unsere Arme nach außen zieht, wenn wir uns drehen), während wir offenbar keine Möglichkeit haben, ihn zu beeinflussen?
Eine bessere Erklärung für Newtons Eimer fand aber erst der österreichische Physiker und Philosoph Ernst Mach. Mitte des neunzehnten Jahrhunderts fragte er sich, ob es wirklich einen absoluten Raum geben muss oder ob da nicht vielleicht doch noch andere Bezugssysteme existieren könnten. Wieder befinden wir uns im Gedankenexperiment im Weltall. Wir schweben friedlich vor uns hin – da saust ein anderer Astronaut vorbei und dreht uns im Kreis. Wir drehen uns – und merken das, weil die Sterne nicht mehr still stehen sondern sich bewegen. Aber was, wenn das All leer wäre. Komplett leer. Kein Stern, kein Planet, kein Atom – nichts, nur wir. Was passiert dann, wenn wir uns drehen?
Nichts, meint Mach. In einem leeren Universum haben wir keine Möglichkeit festzustellen, ob wir uns drehen oder nicht. Es gibt keine Möglichkeit zwischen “Rotieren” und “Nicht-Rotieren” zu unterscheiden und daher macht diese Unterscheidung auch keinen Sinn. Aber was ist mit uns? Wir würden doch spüren ob wir uns drehen oder nicht? Nein, meint Mach. Wir würden auch keinen Unterschied spüren – weil es eben keinen Unterschied gibt! In einem völlig leeren Universum würde also auch der Eimer nichts “spüren”, weil hier Aussagen über drehen oder nicht drehen sinnlos sind – die Wasseroberfläche würde immer flach bleiben. Aber wie kann das sein?
Reicht es wirklich, einen Stern irgendwo ins Universum zu setzen (womit wir einen Bezugspunkt hätten um eine Rotation zu bemerken) um unser Gefühl für die Rotation “einzuschalten”. Anscheinend ja! Denn die Kraft, die wir spüren wenn wir uns im Kreis drehen ist geringer, wenn weniger Materie im Universum ist. Eine Beschleunigung merken wir nur dann, wenn wir relativ zur durchschnittlichen Verteilung der restlichen Materie im All beschleunigen. Ohne andere Materie gibt es keine Beschleunigung bzw. keine Möglichkeit Beschleunigung zu erfahren, meint Mach.
Mach konnte allerdings keine Theorie vorschlagen, wie denn die Materie des Universums diesen Einfluss ausüben soll. Natürlich liegt die Vermutung nahe das es etwas mit der Gravitation zu tun hat – und auch Einstein hat darüber nachgedacht. Was er bei seinem Überlegungen zum Wechselspiel zwischen Raum und Materie rausgefunden hat, ist dann das Thema des nächsten Kapitels.
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