“Jede einzelne dieser Beobachtungen stellt das Dunkle-Materie-Modell vor Probleme Zusammengenommen kollidieren sie so stark mit der Theorie, dass diese nicht mehr zu halten scheint. Wir müssen uns auf die Suche nach Alternativen machen.”
dann halte ich das für etwas übertrieben. Wie ich schon sagte: wir wissen noch nicht genug. Was wir wissen ist, dass ein Problem existiert: unter der Annahme das die “normale” Materie; die Materie die wir sehen, die gesamte Materie ist, die existiert lässt sich das Universum nicht korrekt beschreiben. Für die Existenz der dunklen Materie gibt es sehr viele gute Belege. Oder besser gesagt: für die Existenz von “etwas” gibt es sehr viele gute Belege. Aber was genau dieses “etwas” ist, ist noch unklar und insofern ist es auch schwierig Vorhersagen über das Verhalten dieses “etwas” zu machen. Wir wissen auch, dass die allgemeine Relativitätstheorie unter gewissen extremen Bedingungen nicht mehr funktioniert und theoretische Physiker überall auf der Welt sind auf der Suche nach einer neuen Theorie der Quantengravitation und einem neuen Verständnis von Gravitation. Für die Existenz so einer Theorie gibt es ebenfalls sehr viele gute Belege – aber auch hier wissen wir nicht, wie die am Ende im Detail aussehen wird.
Wenn wir noch ein paar Jahre warten, dann sieht die Situation vielleicht ganz anders aus. Vielleicht haben die Teilchenphysiker dann schon neue Teilchen nachgewiesen, aus denen die dunkle Materie bestehen könnte. Dann können wir auch ganz konkrete Vorhersagen machen die sich dann auch ganz konkret bestätigen oder widerlegen lassen. Vielleicht gibt es neue astronomische Beobachtungen (z.B. von der GAIA-Mission) die uns neue Informationen über die Bewegung der Himmelskörper liefern. Vielleicht haben wir dann neue, konkrete Ideen für die Modifizierung der allgemeinen Relativitätstheorie.
Momentan jedenfalls braucht man die dunkle Materie noch nicht abzuschreiben. Nur weil man damit noch nicht alles erklären kann, heisst das nicht, dass sie widerlegt ist (das erklärt z.B. auch SB.com Kollege Ethan Siegel in einem seiner Artikel). In einem Punkt stimme ich mit Pavel Kroupa aber absolut überein. Wenn er sagt
“Wir müssen uns auf die Suche nach Alternativen machen.”
dann hat er natürlich Recht! Bei der Forschung zu diesem Thema herrscht im Prinzip der selbe Zustand wie in der theoretischen Physik den auch schon Lee Smolin in seinem Buch “Die Zukunft der Stringtheorie” beschreibt. Hier ist es so, dass fast die gesamten Ressourcen der theoretischen Physik auf die Erforschung der Stringtheorie verwendet werden und Alternativen wie beispielsweise die Schleifen-Quantengravitation nur von einer kleinen Minderheit der Wissenschaftler verfolgt werden. Natürlich gibt es in der Wissenschaft genauso “Mode-Themen” wie anderswo. Aber wenn bei der Lösung eines Problems ein Ansatz zu stark bevorzugt wird, dann kann das problematisch werden.
Ich selbst habe in meinem Blog nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich ebenfalls zu den Leuten gehöre, die davon ausgehen, dass die dunkle Materie tatsächlich eine neue, bisher unbekannte Form von Materie ist. Ich finde die bisherigen Untersuchungen zum Thema überzeugend. Aber ich hätte auch kein Problem damit, von einer modifizierten Gravitationstheorie überzeugt zu werden. Neue Gleichungen die die gravitative Wechselwirkung beschreiben sind mindestens so spannend wie eine neue Form von Materie! In der Vergangenheit haben sowohl die jeweiligen Entdeckungen neuer Gravitationsgesetze (von Newton und Einstein) als auch die jeweiligen Entdeckungen neuer Form von Materie wissenschaftliche Revolutionen ausgelöst! Ich gehe zwar davon aus, dass in diesem Fall die Revolution durch die Entdeckung neuer Materie ausgelöst wird und nicht durch die Entdeckung neuer Gleichungen. Aber falls ich mich irre, dann wäre es gut zu wissen, dass es noch genügend Wissenschaftler gibt, diesen anderen Weg verfolgen. Und wer weiß: es kann gut sein, dass beide Recht haben. Es gibt auch einige Überlegungen die davon ausgehen, dass wir sowohl eine neue Form von Materie als auch eine neue Formulierung des Gravitationsgesetzes brauchen, um das Universum richtig zu beschreiben…
Kommentare (338)