Die Entdeckungen der Exoplanetenforscher werden immer aufregender – und wir nähern uns immer mehr dem Punkt, an dem wir endlich ein System finden, das unserem Sonnensystem gleicht bzw. einem Planeten, der tatsächlich das in den Medien oft verwendete Label “zweite Erde” verdient. Angefangen hat alles 1992: die ersten Planeten außerhalb des Sonnensystem wurden damals entdeckt und sie waren so seltsam, dass man sie auch heute kaum wirklich zu den Exoplaneten zählt. 3 Jahre nach der Entdeckung dieser Pulsarplaneten fand man erstmals einen Planeten, der einen “echten” Stern; einen sogenannten “Hauptreihenstern” umkreiste. Dieser Planet, 51 Pegasi b war aber ebenfalls völlig anders als die Planeten, die wir bisher kannten. Er war viel größer als Jupiter, der größte Planet unseres Sonnensystems und er befand sich extrem nahe an seinem Stern – viel näher als Merkur, der sonnennächste Stern unsere Sonne umkreist. Auch die nächsten Entdeckungen lieferten solche seltsamen “Hot Jupiters” und erst im Laufe der nächsten Jahre und mit besserer Technik fanden wir auch Planeten, die etwas kleiner waren und sich etwas weiter weg von ihrem Stern befanden. Aber die extrasolaren Systeme waren immer noch sehr anders: wir kannten keine Planeten, die so klein waren wie unsere Erde und die Sterne wurden auch nur von einem oder zwei Planeten umkreist und nicht von 8, wie unsere Sonne.
Aber langsam tut sich was! Anfang des Jahres fand man CoRoT-7b. Dieser Planet hat eine Masse von 4,8 Erdmassen und ist damit der aktuell leichteste Exoplanet, den wir kennen. Und mit der Entdeckung des ersten Planeten, der tatsächlich nur so schwer wie unsere Erde oder gar leichter ist, ist quasi täglich zu rechnen. Und auch was die Anzahl der Planeten die einen Stern umkreisen angeht, nähern wir uns Bekanntem an. 2007 fand man den fünften Planeten, um den Stern 55 Cancri – und gestern veröffentlichte die europäische Südsternwarte ESO die Entdeckung eines Planetensystems, das aus bis zu 7 Planeten bestehen könnte!
Der Stern heisst HD 10180, ist vom gleichen Spektraltyp wie unsere Sonne und ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Christophe Lovis (Universität Genf) hat ihn mit dem großen 3,6 Meter-Teleskop der ESO in Chile und dem HARPS-Spektrographen beobachtet. Dabei fanden sie nicht nur einen Planeten – sondern gleich fünf starke Signale, die auf Planeten hindeuten!
Diese Planeten sind in etwa so schwer wie Neptun in unserem Sonnensystem. Hier ist eine Übersicht:
Die große Halbachse, also der mittlere Abstand der Planeten vom Stern ist in astronomischen Einheiten angegeben. Die Erde hat eine Abstand von der Sonne von einer AE – die neuen Planeten bei HD10180 sind also tendentiell viel näher an ihrem Stern als die Planeten bei uns. Der äußerste Planet, HD 10180 g, hat eine Bahn die in etwa so groß ist wie die Bahn des Mars. Und in diesem engen Raum wurde viel mehr Masse gesteckt als in unserem Sonnensystem. Die Masse der Planeten ist in der Tabelle in Erdmassen angegeben. Die Planeten sind also in etwa so schwer wie Neptun (er hat die 17fache Erdmasse) – und ihre Bahnen sind ein wenig exzentrischer (d.h. sie weichen von der Kreisform ab) als die in unserem Sonnensystem.
Wirklich interessant ist aber, dass diese fünf Planeten vermutlich nicht alles sind. Die Daten zeigen, dass da vermutlich noch zwei weitere Planeten sind. Einer, viel weiter draussen, in etwa dort wo bei uns der Asteroidengürtel ist und etwas kleiner als der Saturn und einer noch viel näher am Stern. Dieser Planet hätte dann allerdings nur das 1.35fache der Erdmasse; wäre damit also der bisher kleinste Planet, den wir kennen. Und mit 7 Planeten würde HD10180 von fast genausoviel Planeten umkreist wie unsere Sonne. So sähe das System aus:
Und hier gibt es das ganze nochmal als Video:
Bei so vielen Planeten stellt sich natürlich sofort die Frage nach der Dynamik – vor allem, wenn sie so dicht gepackt sind wie bei HD 10180. Lovis und seine Kollegen haben das natürlich auch untersucht. Sie haben die Bahnen der Planeten numerisch integriert und festgestellt, dass sie durchaus auch für lange Zeiten stabil bleiben:
Die schwarzen Linien zeigen die Bahnen der Planeten so wie sie bestimmt wurden und die bunten Punkte geben an, wie stark diese Bahnen während 10 Millionen Jahren schwanken. Um festzustellen, ob dieses System wirklich stabil ist, muss man aber wohl noch längere Simulationen durchführen. Denn es kann durchaus sein, dass sich bei so einem engen System noch chaotische Effekte zeigen (die gibts ja sogar bei uns im Sonnensystem). Und der innerste Planet zeigt auch jetzt schon ein problematisches Verhalten:
Hier sieht man, wie sich die Exzentrizitäten von HD 10180b (rot) und HD 10180c (grün) im Laufe der Zeit ändern. Im obersten Bild sieht man, dass sich die Exzentrizität von HD 10180b sehr schnell von 0 (kreisförmige Bahn) auf 0.4 (stark elliptische Bahn) ändert. Und je elliptischer die Bahn ist, desto größer die Chance einer Kollision und desto instabiler das System. Im mittleren Bild wurden die Effekte der allgemeinen Relativitätstheorie berücksichtigt was die chaotischen Effekte etwas abschwächt und im untersten Bild wurden auch noch die Gezeitenkräfte zwischen Stern und Planet mit einbezogen was die Schwankungen der Exzentrizität nochmal dämpft. Um ganz sicher zu gehen, ob diese Planeten tatsächlich auch für lange Zeiten stabil sind, wird man aber hier wirklich noch jede Menge numerische Simulationen durchführen müssen (mir jedenfalls wäre das hier als Beleg zu wenig).
Interessant ist es auch, sich anzusehen, ob um HD 10180 noch Platz für einen weiteren Planeten wäre. Nicht wirklich, meinen Lovis und seine Kollegen:
Die x-Achse gibt hier wieder die große Halbachse in AE an; die y-Achse den Wert der Exzentrizität. Die Farbe zeigt an, ob für die Kombination von Halbachse und Exzentrizität eine stabile Bahn möglich wäre (blau) oder nicht (gelb/rot). Man sieht, dass bis auf die äußeren Bereiche des Systems und die Gegend ganz nahe am Stern keine zusätzlichen Planeten mehr Platz haben und das System quasi voll ist. Das gilt übrigens auch mehr oder weniger für unser Sonnensystem (auf jeden Fall für den inneren Bereich) und Lovis und seine Kollegen spekulieren deshalb, ob vielleicht jedes Planetensystem “dicht gepackt” ist. Dann würde sich auch zwangsläufig eine gewisse “Ordnung” der Planeten ergeben; so wie man auch in unserem Sonnensystem dachte, sie in Form der Titius-Bode-Reihe gefunden zu haben. Aber natürlich haben wir immer noch viel zu wenig Daten um sagen zu können, ob sich für jedes Planetensystem ein allgemeines Gesetz für die Abstände der Himmelskörper finden lässt. Auch Lovis et al. meinen:
“We do not want to speculate on ‘missing’ planets introducing gaps in the Titius-Bode-like relations, since almost anything can be fitted to the present, limited datasets if more than two free parameters are allowed.”
Wie immer gilt also: wir brauchen mehr Daten 😉 Aber wir sind auf einem guten Weg! Raumsonden wie Kepler und CoRoT werden auch weiterhin neue Planeten finden und wir werden immer mehr und immer komplettere Planetensysteme finden. Und irgendwann werden wir dann auch ein umfassendes Bild der exoplanetaren Systeme haben und wissen, ob unser Sonnensystem ein Spezialfall ist oder nur eines von vielen…
Kommentare (21)