Über die Sonnenaktivität habe ich hier ja schon einiges gesagt. Zum Beispiel, dass wir uns nicht wirklich Sorgen machen müssen, dass die böse Sonne im Jahr 2012 die Welt kaputt macht. Aber das Thema eignet sich halt so gut für spektakuläre Berichte – da wird dann gerne auch der “Sonnen-Tsunami” herauf beschworen. Besonders gern wird auch von der NASA erzählt, die ja angeblich eine Studie veröffentlicht hat laut der 2012 mit ganz besonders katastrophaler Sonnenaktivität zu rechnen ist. Dass das nicht stimmt, scheint die wenigstens zu interessieren.
Die BILD-Zeitung schreibt beispielsweise gestern:
“Wissenschaftler haben das Jahr 2013 im Visier. Dann sollen gewaltige Plasmaströme der Sonne für Tumulte auf unserem Planeten sorgen. Eine von der NASA in Auftrag gegebene Studie bestätigte, dass die geomagnetischen Sonnenstürme einen großen Einfluss auf das Leben auf der Erde haben werden.”
Und sogar der seriöse Standard springt auf den Zug auf:
“Aber auch seriöse Wissenschafter sagen für 2012 ein Ereignis voraus, das sehr unangenehme Folgen haben und Schäden in Milliardenhöhe verursachen könnte: Experten der National Academy of Sciences (NAS) gehen davon aus, dass in zwei Jahren besonders starke elektromagnetische Sonnenstürme eine ernsthafte Bedrohung für Computer darstellen. “
Die Geschichte mit dieser Studie habe ich ja schon anderswo genauer beschrieben. Die Kurzfassung: Es gibt eine Studie der National Academy of Sciences (NAS) aus dem Jahr 2008 die sich mit den potentiellen Schäden durch Sonnenstürme beschäftigt (die ja tatsächlich existieren – auch wenn sie nicht die Welt untergehen lassen werden). In dieser Arbeit wird aber nichts konkretes für 2012 oder 2013 vorhergesagt. Solche Vorhersagen gibt es dagegen tatsächlich von der NASA (die dann dort auch schonmal die NAS-Studie erwähnt). Denn im Jahr 2013 haben wir wirklich mit einem Maximum der Sonnenaktivität zu rechnen – allerdings wird das deutlich schwächer ausfallen als die bisherigen Maxima. So sieht die aktuelle Prognose aus:
Hier sieht man, wie sich die sogenannte “Sonnenflecken-Relativzahl” die ein Maß für die Aktivität der Sonne ist, im Laufe der Zeit ändert. Dazu sieht man die Vorhersage für den Verlauf des aktuellen Zyklus – er wird im Frühjahr 2013 ein Maximum von etwa 90 für die Sonnenfleckenzahl erreichen. So niedrig waren die (maximalen) Werte seit den 1930ern nicht mehr! (Der Zyklus Nummer 19 erreichte im Jahr 1954 sein Maximum beispielsweise bei einem Wert von 254!). Es gibt also keinen Grund in Panik auszubrechen. Maxima der Sonnenaktivität gibt es alle 11 Jahre und das kommende Maximum wird nicht wirklich aufregend werden – da haben wir in der Vergangenheit schon wesentlich schlimmeres erlebt; ohne große Katastrophen (oder gar “Bewusstseinssprünge“).
Aber wie kommen die Wissenschaftler eigentlich zu diesen Vorhersagen? Woher weiß man, wie stark die Sonnenaktivität in der Zukunft ausfallen wird? Nun, wissen tut man es natürlich nicht. Die Vorhersagen für die Sonnenaktivität kann man mit der Wettervorhersage vergleichen. Auch hier gibt es keine exakten Prognosen – aber man hat doch eine ziemlich gute Ahnung, was so passieren wird. Einen schönen Überblick zu diesem Thema findet man in der Arbeit “A synthesis of solar cycle prediction techniques” (hier als pdf verfügbar) von David Hathaway, Robert Wilson und Edwin Reichmann (alle vom NASA Marshall Space Flight Center).
Idealerweise würden wir die Sonnenaktivität direkt aus einem Modell des Sonneninneren vorhersagen. Hätten wir ein detailliertes und funktionierendes Modell der Vorgänge im Inneren unseres Sterns; dort wo die Konvektion den magnetischen Dynamo am laufen hält dann könnten wir; zusammen mit Beobachtungsdaten wirklich genau Vorhersagen machen. Aber auch wenn man auf diesem Gebiet große Fortschritte macht sind wir noch nicht so weit. Daher müssen wir uns andere Methoden ausdenken, wie wir die Aktivitätszyklen vorhersagen können.
Der wichtigste Indikator für die Sonnenaktivität ist die schon oben angesprochene Sonnenflecken-Relativzahl. Sie wird normalerweise “R” genannt und ist so definiert:
Hier ist “n” die Anzahl der einzelnen Sonnenflecken die man auf der Sonnenscheibe sehen kann und “g” die Anzahl der Fleckengruppen. “k” ist ein Faktor, der von der Beobachtungstechnik abhängt und dazu dient, Beobachtungen unter verschiedenen Bedingungen und mit verschiedenen Techniken zu vereinheitlichen. Messungen gibt es seit 1750 – so hat sich die Relativzahl seitdem verändert:
Man erkennt den 11-Jahres-Zyklus ziemlich deutlich. Man erkennt aber auch deutlich, dass es darüber hinaus noch jede Menge Variationen gibt; vor allem in der Stärke des jeweiligen Maximums. Aber es gibt Möglichkeiten der Vorhersage. Einmal wird direkt die Sonnenflecken-Relativzahl betrachtet. Man probiert herauszufinden, wie man die Form eines Zyklus am besten modellieren kann. Dazu gibt es verschiedene statistische Methoden; verschiedene Arten, um die Kurven zu glätten und durch bekannte Funktionen zu fitten. Man kennt zum Beispiel den “Waldmeier-Effekt” der besagt, dass ein Zyklus sein Maximum umso schneller erreicht, je höher dieses ausfallen wird. Mit solchen Analysen und Beobachtungen kann man dann den Verlauf eines Zyklus prognostizieren. Allerdings sind diese Methoden nicht immer praktisch. Manche erlauben es z.B. nur, ein paar Monate in die Zukunft zu gehen. Andere, die wesentlich erfolgreicher sind und die Form eines Zyklus recht exakt beschreiben, brauchen zu viele Daten. Die Methode, die Hathaway und seine Kollegen vorstellen, braucht beispielsweise Daten aus den ersten 3 Jahren eines Zyklus um den Rest vorherzusagen. Praktischer wäre es natürlich, wenn man tatsächlich vor einem Zyklus; noch im Aktivitätsmininum Vorhersagen treffen könnte.
Für solche Fälle gibt es aber auch Methoden! Besonders effektiv sind hier Untersuchungen von sogenannten “geomagnetischen Indikatoren”. Denn die Sonnenaktivität wirkt sich ja direkt auf das Magnetfeld der Erde aus das daher als eine Art “Meßinstrument” dienen kann. Da gibt es zum Beispiel den K-Index der die Stärke der irregulären Variationen im Magnetfeld angibt; gemessen über 3 Stunden. Aus diesem Index werden dann verschiedene andere Größen abgeleitet – zum Beispiel der “aa-index” bei dem Messungen an zwei Stationen auf gegenüberliegenden Punkten der Erde verglichen werden. Man hat nun herausgefunden, dass sich diese Indizes eignen, um die Sonnenaktivität vorherzusagen.
Die Minima des aa-Index beispielsweise nehmen die Maxima des jeweils folgenden Aktivitätszyklus vorweg. Je größer der Wert des aa-Minimums, desto größer wird auch das Maximum ausfallen – wie man hier recht gut sehen kann:
Joan Feynman (ja, der berühmte Richard hatte auch noch eine kluge Schwester) hat diese Methode noch verbessert. Sie hat herausgefunden, dass sich der aa-Index aus zwei Komponenten zusammensetzt: eine “interplanetare Komponente” und eine Komponente die direkt mit den Sonnenflecken zusammenhängt. Betrachtet man die Komponenten einzeln, so lässt sich daraus eine noch genauere Prognose erstellen. Ebenfalls recht gut ist die Methode von Richard Thompson. Er betrachtete die Anzahl der Tage an denen während eines Zyklus geomagnetische besonders viel los auf Erde war (d.h. bei denen der geomagnetische Index einen gewissen Wert überschreitet). Es zeigt sich, dass diese Zahl proportional zur Summe der Maxima des aktuellen und des kommenden Zyklus ist (und zwar mit einem Korrelationskoeffizient von 0.971 – was auf einen wirklich starken Zusammenhang hindeutet).
Hathaway und seine Kollegen haben noch einige andere Methoden betrachtet – aber die von Feynman und Thompson haben sich am erfolgreichsten herausgestellt und wurden deswegen verwendet, um eine kombinierte Prognosetechnik zu konstruieren die dann nochmal besser ist als die beiden einzelnen Methoden. Die damit gewonnene Vorhersage für den Zyklus 23 (1999 als der Artikel erschienen ist war das der, der gerade begonnen hatte) war sehr gut. Es wurde ein Maximum von 154 plus/minus 21 prognostiziert. Der tatsächliche Wert war dann 139 – was sehr schön innerhalb der Fehlergrenzen liegt.
Auch wenn wir die Vorgänge im Inneren der Sonne also noch nicht vollständig verstehen und daher keine Vorhersagen machen können, die auf einem physikalischen Modell basieren ist es dennoch möglich, die Stärke und den Verlauf zukünftiger Aktivitätszyklen ausreichend verläßlich abzuschätzen. Es gibt daher wirklich keinen Grund, Angst vor dem solaren Aktivitätsmaximum im Jahr 2013 zu haben! Und außerdem haben wir ja noch jede Menge Satelliten im All, die nichts anderes machen, als die Sonne zu beobachten. Dadurch werden wir erstens unsere Modelle und Prognosetechniken verbessern können. Und zweitens sehen wir so direkt wenn die Sonne besonders aktiv ist und uns etwas entgegenschleudert und haben genug Zeit um zu reagieren. Also: kein Grund zur Panik!
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Hathaway, D., Wilson, R., & Reichmann, E. (1999). A synthesis of solar cycle prediction techniques Journal of Geophysical Research, 104 (A10), 22375-22388 DOI: 10.1029/1999JA900313
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