Seit 10 Jahren schreibe ich regelmäßig in den Einleitungen meiner wissenschaftlichen Artikel, Projektanträgen und Blogtexten von der Zeit, wo wir dank Satellitenmissionen wie Kepler, CoRoT oder bald auch Gaia nicht nur einige hundert sondern einige tausend oder gar zehntausende extrasolare Planeten kennen werden. Dann werden wir viele Dinge über die wir jetzt nur spekulieren können tatsächlich auch vernünftig untersuchen und statistisch belegen können – zum Beispiel die Frage ob Planeten die unserer Erde ähneln selten oder häufig sind. Jetzt hat diese Zeit tatsächlich angefangen! Das Weltraumteleskop Kepler der NASA hat gestern jede Menge Daten veröffentlicht. Seit die Mission im März im 2009 gestartet wurde, hat man über 1200 Planetenkandidaten gefunden.
Ich habe absichtlich “Planetenkandidaten” geschrieben und nicht “Planeten”. Das ist wichtig – denn Exoplaneten finden sich nicht einfach so mal im Vorübergehen. Ihre Existenz aus den Beobachtungen des Weltraumteleskops abzuleiten ist knifflig und harte Arbeit. Lest dazu unbedingt Ludmilas Serie über Das Super-Erden-Drama! Es ist zwar relativ leicht, im Licht der Sterne die typischen Verdunkelungen zu finden die auf das Vorhandensein von Planeten hindeuten. Aber dann auch tatsächlich zu bestätigen, dass es sich tatsächlich um Planeten handelt ist viel komplizierter und dauert…
Die europäische Konkurrenz von Kepler – das Weltraumteleskop CoRoT – nimmt die Sache etwas ernster; dort werden i.A. wirklich nur bestätigte Planeten veröffentlicht. In Amerika hat man einen anderen Zugang zu diesen Dingen und veröffentlicht auch schon die Planetenkandidaten. Und genau darum handelt es sich bei den 1235 Objekten die gestern vorgestellt wurden.
Aber trotzdem ist die Sache natürlich spannend. Sehr spannend sogar! Von den 1235 potentiellen Exoplaneten sind 19 größer als Jupiter, der größte Planet in unserem Sonnensystem. 165 sind in etwa gleich groß wie Jupiter und 662 in etwa so groß wie Neptun. 288 sind “Super-Erden” – also Planeten mit einigen Erdmassen. Und 68 sind in etwa so schwer wie unsere Erde.
Das ist schonmal der erste interessante Punkt! In der Anfangszeit der Exoplanetenforschung haben wir hauptsächlich sehr große Planeten gefunden – Planeten, die viel größer als Jupiter waren. Das war nicht sonderlich überraschend; immerhin waren vor 10 bis 15 Jahren (der erste Exoplanet wurde ja erst 1995 entdeckt) die Methoden noch nicht so gut wie heute und wenn man damit was gefunden hat, dann hauptsächlich die großen Brocken. Aber es stellte sich schon auch die Frage, ob vielleicht kleine Planeten wie unsere Erde doch eher selten sind und die Riesenplaneten dominieren. Die Zahlen von Kepler sagen nun anderes: Super-Jupiters gibt es knapp 20; Planeten mit der Masse der Erde hat man knapp 70 gefunden. Sie scheinen also deutlich häufiger zu sein!
Den zweiten interessanten Punkt sieht man, wenn man überlegt das Kepler ja nur einen winzig kleinen Teil des Himmels beobachtet hat. Und dort dann auch nur die relativ hellen Sternen. Phil Plait von Bad Astronomy hat hochgerechnet, dass es in unserer Milchstrasse bis zu einer Millionen erdähnlicher Planeten geben kann!
Aber auch hier muss man wieder aufpassen, dass man sich nicht von den Worten blenden lässt. Genausowenig wie ein Planetenkandidat ein Planet sein muss, muss ein “erdähnlicher” Planet ein Planet mit Leben so wie auf unserer Erde sein. Als “erdähnlich” bzw. “terrestrisch” bezeichnet man erstmal alle Planeten, die in etwa eine erdähnliche Masse und Dichte haben. In unserem Sonnensystem zählt man auch Merkur, Venus und Mars zu den terrestrischen Planeten. Ob auf einem Planeten auch Bedingungen wie auf der Erde herrschen hängt noch von vielen anderen Faktoren ab. Einer der wichtigsten ist sein Abstand vom Stern – der muss genau richtig sein um die richtigen Temperaturen hinzukriegen. Diesen Bereich nennt man “habitable Zone”. Von den 1235 Planetenkandidaten von Kepler liegen nur 54 in der jeweiligen habitablen Zone. Und fünf davon sind erdähnlich! Auch das heisst noch nicht, dass dort Leben existieren kann. Dazu braucht es noch die richtige Atmosphäre; Plattentektonik, vielleicht einen großen Mond, usw. Aber der Fund von erdähnlichen Planeten in der habitablen Zone wäre schonmal ein wichtiger Schritt auf der Suche nach einer echten “zweiten Erde”. Und wenn sich das Keplerteam mit der Nachbeobachtung der Planeten anstrengt, dann schaffen sie die Bestätigung des ersten erdähnlichen Planeten in der habitablen Zone vielleicht noch rechtzeitig, um die Vorhersagen von Arbesman und Laughlin zu verifizieren. Die haben ja letztes Jahr anhand szientometrischer Analysen prognostiziert, das die Entdeckung so eines Planeten im Mai 2011 publiziert werden wird.
Die Kepler-Kandidaten haben noch mehr zu bieten: 170 von ihnen umkreisen ihren Stern nicht alleine sondern gemeinsam mit anderen Planetenkandidaten. Und ein System konnte man schon ausreichend beobachten um zu bestätigen das es von gleich sechs Planeten umkreist wird. Die Planeten Kepler-11b bis Kepler-11-g sind dabei ihrem Stern alle näher als die Venus unserer Sonne und sie sind alle viel schwerer als die Erde (die Massen reichen von etwa 2 bis 300 Erdmassen).
Die Details der Kepler-Beobachtungen werden sich erst in den nächsten Monaten zeigen. Aber man sieht jetzt schon, dass Planeten tatsächlich häufig sind. Und nicht nur Gasriesen wie Jupiter – auch kleine Planeten, so wie unsere Erde sind anscheinend eher die Regel und nicht die Ausnahme! Wir sind nicht allein in der Milchstrasse und das ist doch schonmal ein tröstlicher Gedanke… auch wenn es noch lange dauern wird, bis wir herausfinden, ob auf irgendeinem dieser Planeten auch Leben existiert.
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