Unser Universum dehnt sich aus. Alles bewegt sich von allem weg und zwar um so schneller, je weiter es weg ist. Das wissen wir seit den revolutionären Beobachtungen von Edwin Hubble und diese Beobachtungen bilden die Grundlage der Urknall–Theorie die die Entwicklung unseres Universums beschreibt. Die Geschwindigkeit mit der sich das Universum ausdehnt, wird durch die sogenannte Hubble-Konstante beschrieben. Die genau zu messen ist knifflig – aber sehr wichtig. Denn eine genaue Kenntnis dieser Zahl hilft nicht nur beim Verständnis der Expansion des Universums; man kann daraus auch Rückschlüsse auf die Gültigkeit einiger kosmologischer Hypothesen ziehen. Astronomen ist es nun kürzlich gelungen die Hubble-Konstante so genau wie nie zuvor zu messen und damit eine Alternative zur Theorie der dunklen Energie zu widerlegen.
Die Hubble-Konstante ist eine Zahl, die in Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec angegeben wird (ein Parsec ist eine Entfernungseinheit und entspricht dabei etwa 3.26 Lichtjahren). Die Messung der Konstante (die mit H0) bezeichnet wird ist schwierig und anfangs hatte man dabei große Schwierigkeiten.
Um überhaupt eine Chance zu haben, die Entfernung einer anderen Galaxie zu bestimmen, ist man darauf angewiesen, die Helligkeit bestimmter Sterne dort zu beobachten. Das allein reicht aber noch nicht. Denn wenn die Sterne einer Galaxie uns vergleichsweise hell erscheinen, dann kann das entweder daran liegen, dass die Galaxie uns sehr nahe ist – oder aber sie ist weit weg und die Sterne sind einfach sehr groß und deswegen heller als wir dachten. Ohne Details über den physikalischen Hintergrund und Kenntnis der absoluten Helligkeit kann man über die Entfernung nichts aussagen. Kennt man aber die absolute und die scheinbare Helligkeit, dann kann man daraus leicht die Entfernung berechnen. Ein Fall bei dem das funktioniert, sind die Cepheiden. Das ist eine Klasse von Sternen deren Helligkeit sich periodisch ändert und zwar nach einem ganz speziellen Muster das von ihrer absoluten Helligkeit abhängt. Kennt man also ihre Perioden und scheinbaren Helligkeiten, kann man daraus die absolute Helligkeit und damit ihre Entfernung berechnen. Genauso hat damals auch Edwin Hubble die Entfernung zur Andromeda-Galaxie bestimmt.
Ein zweiter Schritt auf der sogenannten “Entfernungsleiter” der Astronomie sind die Supernovae vom Typ Ia. Sternexplosionen von diesem Typ verlaufen ebenfalls immer nach einem ganz speziellen Muster aus dem sich ihre absolute Helligkeit ableiten lässt. Und da sie so extrem hell sind, kann man sie auch noch in weit entfernten Galaxien sehen. Man fängt also damit an, die Entfernung von Cepheiden in nahen Galaxien zu bestimmen. Idealerweise sind das Galaxien, in den man auch Supernovae vom Typ Ia beobachtet hat. Dann kann man die Cepheiden benutzen um die Entfernungsbestimmung mit den Supernovae zu kalibrieren und dann in den weiter entfernten Galaxien, in denen man keine Cepheiden mehr sehen kann, nach neuen Supernovae suchen. Jetzt muss man noch bestimmen, wie schnell sich die jeweiligen Galaxien von uns weg bewegen. Auch das geht durch die Beobachtung von Cepheiden bzw. Supernovae. Hier benutzt man die Spektroskopie und spaltet das Licht in seine Bestandteile auf. Dann sucht man nach den dunklen Spektrallinien (die durch das Vorhandensein der verschiedenen Elemente) und sieht nach, ob sie dort sind, wo sie sein sollen. Das ist normalerweise nicht der Fall – denn so wie der Dopplereffekt dafür sorgt dass sich die Tonhöhe bei bewegten Schallquellen (z.B. einem vorbeifahrenden Krankenwagen) ändert, verschieben sich auch die Spektrallinien im Licht das von sich bewegenden Galaxien ausgesandt wird.
Man kann nun also durch die Beobachtung von Cepheiden und Supernovae sowohl die Entfernung als auch die Geschwindigkeit vieler Galaxien bestimmen und wenn man dann noch ordentlich rechnet, dann erhält man einen Wert für die Hubble-Konstante. Diese Beobachtungen und Rechnungen haben kürzlich Wissenschaftler um Adam Riess (ich spar mir mal den Witz 😉 ) von der John Hopkins Universität in Baltimore gemacht. Die Ergebnisse sind in einem Artikel mit dem Titel A 3% solution: Determination of the Hubble Constant with the Hubble Space Telescope and Wide Field Camera veröffentlicht wurden. Die Beobachtungen dort waren Teil des “Supernovae and H0 for the Equation of State”-Projekts das auch unter dem wunderbaren Akronym SH0ES bekannt ist. Mit der Wide-Field-Kamera des Hubble-Weltraumteleskops wurden über 600 Cepheiden beobachtet die sich in acht Galaxien befanden in denen man schon Typ-Ia Supernovae kannte. Dann hat man nochmal 253 weitere Supernovae in entfernteren Galaxien beobachtet.
Am Ende hatte man einen Wert für die Hubble-Konstante von 73.8 ± 2.4 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec bestimmt. Eine Galaxie in einer Entfernung von einem Megaparsec bewegt sich von uns also mit 73.8 Kilometern pro Sekunde (immerhin 265700 km/h) weg. Eine Galaxie in einer Entfernung von 2 Megaparsec ist doppelt so schnell: 147.6 Kilometer pro Sekunde – usw. Diese Meßergebnisse passen gut zu den theoretischen Vorhersagen die man durch die Beobachtung der kosmischen Hintergrundstrahlung gewonnen hatte. Die sagte einen Wert von 71.0±2.5 Kilometern pro Sekunde pro Megaparsec voraus und innerhalb der Fehlergrenzen stimmen die Werte überein. Die neuen Ergebnisse passen auch gut zu den früheren Messungen: bei den letzten genauen Beobachtungen aus dem Jahr 2009 hat man 74.2 +/- 3.6 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec gemessen. Auch das stimmt innerhalb der Fehlergrenzen mit dem neuen Wert überein nur das bei dem die Fehlergrenzen kleiner sind.
Der größte Beitrag zu diesem Fehler wird übrigens von der geringern Zahl an Kalibrationssupernovae (das waren ja nur acht) verursacht. Man hofft aber, dass zukünftige Durchmusterungen mehr passende Supernovae finden werden und das neue Weltraumteleskope wie GAIA oder JWST demnächst mehr Cepheiden auch weiter weg beobachten können.
In der Arbeit der Astronomen findet sich am Schluss auch noch folgender interessanter Satz:
“The measured H0 is also highly inconsistent with the simplest inhomogeneous matter models invoked to explain the apparent acceleratio nof the universe without dark energy.”
Der nun gemessene Wert der Hubble-Konstante ist also höchst inkonsistent mit einer der Alternativtheorie zur dunklen Energie. Denn als 1998 Wissenschaftler schonmal Typ-Ia Supernovae beobachteten um Entferung und Geschwindigkeit zu bestimmen, fanden sie etwas seltsames heraus: die Expansionsgeschwindigkeit des Universums ist nicht konstant, sondern sie nimmt zu! Den Grund dafür kennt man noch nicht – auch wenn es jede Menge Hypothesen gibt. Die Existenz dieser dunklen Energie ist durch unabhängige Beobachtungen relativ zwingend belegt – aber trotzdem gab es bis jetzt auch noch eine alternative Deutung der Messungen. Die besagte, dass sich unsere Milchstrasse zufällig in einer sehr großen, etwa acht Milliarden Lichtjahre durchmessenden relativ leeren “Blase” befindet. Wenn wir dann noch in der Nähe der Mitte dieser Blase leben würden, dann könnte das den Eindruck der beschleunigten Expansion bewirken. Aber diese Hypothese konnte nun mit den neuen Daten von Riess et al. widerlegt werden. Was immer auch sich am Ende als Erklärung für die dunkle Energie herausstellen wird: ein einfacher Beobachtungseffekt ist es nicht!
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