Unser Mond nimmt als Himmelskörper eine gewisse Sonderstellung ein. Betrachtet man nur die kleinen, erdähnlichen Planeten im inneren Sonnensystem, dann wird das besonders deutlich. Merkur und Venus haben überhaupt keinen Mond und Mars nur zwei winzige Gesteinsbrocken die er sich vermutlich aus dem nahen Asteroidengürtel eingefangen hat. Die Erde allerdings hat einen vergleichsweise gewaltigen Mond. Er hat einen Durchmesser von 3476 Kilometern und ist damit der fünftgrößte Mond im Sonnensystem. Die anderen vier großen Monde (Io, Kallisto, Titan und Ganymed) umkreisen allerdings alle Jupiter oder im Fall von Titan den Saturn. Und im Vergleich mit diesen gewaltigen Gasriesen sind deren Monde wieder ziemlich winzig. Nur die Erde hat einen Mond, der sich in einer vergleichbaren Größenordnung wie sie selbst bewegt. Und unser Mond spielt eine wichtige Rolle für uns Menschen! Nein, ich meine damit nicht den esoterischen Unsinn aus diversen Mondkalendern sondern den Einfluss, den er auch die Erdachse ausübt.
Ich habe das schon mal ausführlich beschrieben; hier ist die Kurzversion.
Die Temperatur die an verschiedenen Stellen der Erdoberfläche herrscht, hängt auch stark von der Neigung der Erdachse und dem Winkel, in dem die Sonnenstrahlen auftreffen, ab. Die Achse unserer Erde ist um etwa 23 Grad aus der Vertikalen geneigt und das ist der Grund, warum wir auf der Erde Jahreszeiten haben. Diese Neigung ist konstant und das ist auch gut so! Würde sich die Neigung der Erdachse im Laufe der Zeit ändern, dann könnte sich auf der Erde kein stabiles Klima entwickeln und vermutlich auch kein höher entwickeltes Leben. Die Erdachse ist aber nur deswegen so stabil, weil wir einen so großen Mond haben, der sie mit seiner Gravitationskraft quasi fest hält. Numerische Simulationen haben gezeigt, dass die Erdachse über lange Zeiträume betrachtet sehr stark schwanken würde gäbe es keinen Mond (beim Mars, der keinen großen Mond hat, tut die Achse das übrigens).
Es gibt daher viele Wissenschaftler, die die Existenz eines großen Mondes zur Voraussetzung für die Habitabilität eines Planeten machen. Ein erdähnlicher Planet in einem extrasolaren Planetensystem kann sich einen ausreichend großen Mond aber nicht einfach so einfangen. Er müsste auf die gleiche Art entstehen, wie unser Mond: durch eine gewaltige Kollision! In der Frühzeit des Sonnensystems gab es noch nicht nur die 8 jetzt bekannten Planeten sondern viel mehr. Ein ganzer Schwung Protoplaneten schwirrte um die Sonne und stießen ab und zu auch mal zusammen. Dieses Schicksal traf auch die Protoerde die mit einem marsgroßen Protoplaneten namens Theia kollidierte. Die Kollision verlieft streifend; deswegen wurde die Erde nicht zerstört. Es wurde aber jede Menge Material aus ihr herausgeschlagen dass sich in einer Scheibe um den Planeten ansammelte und aus dem sich im Laufe der Zeit dann unser Mond bildete. Die Frage die man sich nun sofort stellt ist: war das eine einmalige Katastrophe? Oder kommen solche Kollisionen bei der Planetenentstehung öfter vor? Stoßen die Protoplaneten auch in extrasolaren Planetensystemen zusammen? Werden erdähnliche Planeten bei anderen Sternen auch von großen Monden umkreist die ein stabiles Klima gewährleisten oder sind die Erde und ihr Mond (und damit auch wir Menschen) ein Sonderfall?
Genau diese Frage wollen Sebastian Elser und seine Kollegen von den Unis in Zürich und Boulder beantworten. Mit dabei waren praktischerweise auch Ben Moore und Joachim Stadel; beide Experten für Supercomputer und numerische Astrophysik. Denn mit normalen Methoden und Rechnern lassen sich solche Probleme kaum lösen. Man muss ja nicht einfach nur der Bewegung einer Handvoll Planeten folgen sondern auch die Kollisionen entsprechend behandeln; die gravitative Entwicklung der ganzen Trümmerstücke in der Scheibe verfolgen solange bis sich wieder ein Mond gebildet hat und dann auch noch zum Beispiel den Einfluss des interplanetaren Gases auf die Bewegung der Planeten berücksichtigen. Zum Glück hat die Uni Zürich einen tollen Supercomputer – die zBox – den ich sogar selbst schon mal besichtigen und benutzen konnte als mir vor Jahren bei einem kurzen Besuch an der Uni Zürich Joachim Stadel die Sache mit den Supercomputern beigebracht hat. Auf die technischen Details der Simulation möchte ich hier jetzt nicht eingehen. Wer möchte kann sie im Artikel “How common are Earth-Moon planetary systems?” nachlesen. Ich werde mich lieber gleich mit den interessanten Ergebnissen beschäftigen.
Die Autoren haben bei ihren Simulationen erstmal nachgesehen, wann und in welchen Fällen es überhaupt zu einer passenden Kollision und Bildung eines Mondes kam und diese Ereignisse in vier verschiedene Klassen unterschieden:
a) Es gab nur eine Kollision bei der ein Mond entstehen kann und sie ist die letzte größere Kollision in der Geschichte des Planeten.
b) Es gab mehrere Kollisionen bei denen Monde entstanden, die letzte diese Kollisionen ist der letzte größere Einschlag auf dem Planeten.
c) Es gab nur eine Kollision bei der ein Mond entstehen kann; danach gab es weitere größere Einschläge die den Mond wieder zerstören können.
d) Es gab mehrere Kollisionen bei denen Monde entstanden, danach gab es weitere größere Einschläge die den Mond wieder zerstören können bzw. verhinderte der schon existierende Mond die Bildung eines weiteren aus der Trümmerscheibe.
Und so oft traten die verschiedenen Fälle auf:
Die Ereignisse bei denen schon entstandene Monde wieder zerstört werden können sind also deutlich in der Mehrheit. Aber natürlich wollen wir auch wissen wieviele Monde nun übrig bleiben und wie groß denn nun generell die Chance ist, dass ein erdähnlicher Planet einen mondähnlichen Mond hat. Von 180 Planeten in der Simulation hatten am Ende 88 einen ausreichend großen Mond der ihre Achsen stabilisierte. Betrachtet man nur die Fälle, die dem Erde-Mond-System ähneln (Planeten mit mehr als halber Erdmasse und Monde mit mehr als halber Mondmasse), dann bleiben immer noch 15 passende Kollisionsereignisse übrig. Berücksichtigt man alle Unsicherheiten und die diversen Einschränkungen der Simulationen und macht man dann eine entsprechende Hochrechnung, dann kommt man zu dem Schluß, dass von all den erdähnlichen Planeten die sich in der bewohnbaren Zone um ihren Stern befinden, etwa 10 Prozent einen ausreichend großen Mond haben, um ihre Achse zu stabilisieren.
Unser Erde-Mond-System ist also durchaus selten – aber auch wieder nicht so selten, dass wir befürchten müssen, auf dem einzigen bewohnbaren Planeten im All zu leben!
Sebastian Elser, Ben Moore, Joachim Stadel, & Ryuji Morishima (2011). How common are Earth-Moon planetary systems? Icarus arXiv: 1105.4616v1
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