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Dieser Text ist eine Besprechung eines Kapitels aus dem Buch “The Hidden Reality: Parallel Universes and the Deep Laws of the Cosmos” von Brian Greene. Links zu den Besprechungen der anderen Kapitel finden sich hier


Es wäre ja cool, wenn Greene im letzten Kapitel ein definitives Fazit ziehen und erklären könnte, welches Multiversum denn nun der Realität entspricht oder ob wir doch das einzige Universum sind. Aber leider klappt das nicht. Bis dahin ist es noch ein langer Weg.
Die Entwicklung der Wissenschaft hat uns jedenfalls eines deutlich gezeigt: unsere Alltagserfahrung kann uns tatsächlich nur in unserem Alltag nützlich sein. Geht es darüber hinaus, dann dürfen wir uns darauf nicht mehr verlassen. Wenn uns das Multiversum also seltsam vorkommt, dann ist allein noch kein Grund, es zu verwerfen.

Zum Abschluss stellt Greene noch einmal fünf zentrale Fragen, deren Antworten die Wissenschaftler in den nächsten Jahren weiterhin suchen werden bzw. müssen:

  • Setzt sich die kopernikanische Revolution fort?: Seit Kopernikus die Erde vom Zentrum des Universums zu einem Planeten degradierte, der die Sonne umläuft, ging es stetig abwärts mit der Menschheit. In den folgenden Jahrhunderten haben wir gelernt, dass unsere Sonne ebenfalls nicht der Mittelpunkt des Universums ist. Dass sie auch nicht im Zentrum der Milchstrasse steht und die Milchstrasse nicht im Zentrum des Universums sondern nur eine von vielen Galaxien ist. Setzt sich diese Reihe fort? Der nächste Schritt wäre die Erkenntnis, dass unser Universum selbst nichts besonderes ist sondern nur eines von vielen. Die Wissenschaft deutet auf diese Möglichkeit hin – und dabei haben die Wissenschaftler nicht wirklich aktiv nach Multiversen gesucht. Sie tauchen einfach überall auf, wenn man wissenschaftliche Forschung betreibt. Oder, wie Greene sagt: “Multiversen sind schwieriger zu vermeiden als zu finden”.
  • Können Theorien die in Multiversum beinhalten, getestet werden?. Dieser Frage hat Greene ja schon ein eigenes Kapitel gewidmeet. Der zentrale Punkt hier lautet: Wir müssen den Mechanismus verstehen, der die Universen des Multiversums erzeugt. Wenn das der Fall ist, dann haben wir auch eine Möglichkeit, überprüfbare Vorhersagen zu machen.
  • Können wir die bestehenden Multiversumstheorien testen?: Zur Zeit nicht. Aber das kann sich ändern. Greene selbst forscht zum Beispiel gerade über die Frage, wie der Mechanismus funktioniert, der im Landschaftsmultiversum die Universen erzeugt. Aber noch hat man keine konkreten Ergebnisse. Ob man deswegen jetzt gleich die ganze Theorie verwerfen muss, bleibt zweifelhaft und hängt davon ab, wie man Wissenschaft definiert. Wer der Meinung ist, nur das wäre wissenschaftlich, was mit den momentan verfügbaren Mitteln testbar ist, der wird tatsächlich Probleme mit Multiversen haben. Aber Greene meint, es wäre etwas beschränkt, nur auf den etwas willkürlichen Stand der aktuellen Technik zu bauen. Es geht eher darum, ob etwas prinzipiell überprüfbar ist oder nicht und – bis auf das ultimative Multiversum – ist das bei allen bisher vorgestellten Multiversumstheorien der Fall.
  • Wie verändert ein Multiversum die Natur der wissenschaftlichen Forschung?: Wenn wir wissenschaftliche Vorhersagen machen – zum Beispiel darüber, wo ein geworfener Ball landet oder wie sich ein Elektron durch einen Chip bewegt, dann müssen wir drei Dinge angeben. 1) Welche Gleichungen/Naturgesetze verwenden wir? 2) Welche Werte haben die verwendeten Naturkonstanten? 3) Wie sind die Anfangsbedingungen beschaffen (d.h. z.B. mit welcher Geschwindigkeit wurde der Ball geworfen)? Wenn wir unsere Welt erklären wollen, dann stellen sich natürlich auch sofort die Fragen: 1) Warum sind die Naturgesetze so, wie sie sind? 2) Warum haben die Konstanten den Wert den sie haben? Und 3) Können wir erklären, warum die Anfangsbedingungen zu einem frühesten Zeitpunkt (z.B. dem Urknall) so beschaffen waren wie sie es waren? Ein Multiversum könnte unsere Fragestellung und die Richtung der Wissenschaft deutlich beeinflussen. Im Steppdecken-Multiversum sind alle möglichen Anfangsbedingungen realisiert und es gibt keinen fundamentale Erklärung für eine bestimmte Version. Im inflationären Multiversum variieren die Naturkonstanten von Universum zu Universum und im simulierten Multiversum können die Naturgesetze beliebige Formen annehmen und es macht keinen Sinn, eine fundamentale Erklärung für die spezielle Ausprägung zu suchen, die wir erfahren.
  • Sollen wir der Mathematik glauben? Mathematik ist die Sprache, mit der wir die Natur beschreiben. Aber wie ernst sollen wir sie nehmen? Sollen wir ihr einfach folgen, egal wohin sie uns führt? Als Maxwell beispielsweise seine berühmten Gleichungen aufstellte und daraus die Lichtgeschwindigkeit berechnen konnte, war er verwirrt, weil ihm die Gleichungen nicht sagten, relativ wozu sich das Licht mit der errechneten Geschwindigkeit bewegte. Also wurde der “Äther” postuliert…Einstein aber folgte der Mathematik: Wenn nicht angegeben wird, relativ wozu sich das Licht beweget, dann bewegt es sich eben relativ zu Allem mit der errechneten Geschwindigkeit! Und genauso war es dann auch, es braucht keinen Äther wie Einstein mit seiner speziellen Relativitätstheorie zeigte. Bei der allgemeinen Relativitätstheorie war Einstein dann wieder zu zögerlich. Die Gleichungen zeigten ihm ein Universum, das expandierte aber er wollte es nicht glauben und führte seine kosmologische Konstante ein. Erst andere, die der Mathematik vertrauten, konnten die moderne Kosmologie schaffen. Sollen wir diesen Weg weitergehen? Die Gleichungen der Quantenmechanik führen direkt zum Quanten-Multiversum. Vertrauen wir der Mathematik? Auch die anderen Multiversen sind weniger der Kreativität der Wissenschaftler entsprungen, sondern entstammen der Mathematik, die uns bei unserer Suche nach den fundamentalen Naturgesetzen begegnet ist.

Ob wir tatsächlich in einem Multiversum leben oder nicht, wissen wir nicht. Aber wir sollten dieser Frage nachgehen, auch wenn sie uns in seltsame Gegenden führt. Greene beendet das Buch mit folgender Aussage:

“Wenn die Mathematik die uns dazu gebracht hat über Multiversen nachzudenken, sich als relevant für die Realität herausstellt, dann gibt es für Einsteins berühmte Frage ob das Universum so ist, wie es ist, weil es keine andere Möglichkeit gibt, eine definitive Antwort: Nein. Unser Universum ist nicht das einzig mögliche. Seine Eigenschaften hätten anders sein können. (…) Ich weiß nicht, ob das alles wirklich so ist. Keiner weiß das. Aber nur durch furchtloses Engagement können wir unsere eigenen Grenzen kennenlernen. Nur wenn wir konsequent den Theorien folgen, auch denen, die uns in seltsame und ungewohnte Bereiche führen, haben wir eine Chance, die Natur der Realiät zu enthüllen.”

Kommentare (28)

  1. #1 973
    30. Juli 2011

    Die am Ende zitierte Frage ist insofern interessant, wie darüber nachgedacht werden muß, wo physikalische Gesetze (aber auch die in unserem Weltall gültige Logik und Geometrie) überhaupt herkommen. Sind sie unveränderlich ? Kommen neue dazu ? Wie verhält sich das Abstrakte zum Konkreten ? Meiner rein privaten Meinung nach, sind die heutigen Naturgesetze Nachwirkungen der allerersten Ereignisse, die in der Welt passierten (umso grundlegender, desto früher) und die nicht wieder ungeschehen gemacht werden können und somit Bedingungen für künftige Ereignisse darstellen. Diese Auffassung beinhaltet, daß ständig neue ‘kleine’ Regeln hinzukommen. Wenn Oma gestern gestorben ist, kann sie nicht morgen auch noch sterben, frühere Fakten schränken künftige Möglichkeiten ein. Demnach ist ‘innerhalb den Naturgesetzen’ unserer Welt zwar keine andere Welt möglich, weil sie nur ein Abbild aller vorangegangenen Ereignisse darstellen. Jedoch ist die Zukunft nicht vorherbestimmt, sodaß gegenwärtig genügend Freiheit für eine Fortentfaltung der Welt besteht, ohne frühere Geschehnisse und daraus hinterbliebene Regeln zu verletzen. In diesem Sinne, wäre formal für ein ‘Nein’ auf die zuletzt aufgeworfene Frage zu plädieren, ist wegen der reziproken Korrespondenz der Ereignisse zu ihren Bedingungen für die zukünftige Entwicklung mE die Frage aber sinnlos.

  2. #2 Frank Wappler
    30. Juli 2011

    Florian Freistetter schrieb (30.07.11 · 09:00 Uhr):
    > Zum Abschluss stellt Greene noch einmal fünf zentrale Fragen

    > Setzt sich die kopernikanische Revolution fort?: Seit Kopernikus die Erde vom Zentrum des Universums zu einem Planeten degradierte, der die Sonne umläuft, ging es stetig abwärts mit der Menschheit. […]

    Gegenfrage: Setzt sich die kopernikanische Revolution durch?.
    Nachdem das (gedankliche) “Degradieren” bald ziemlich ausgereizt ist, bliebe vielleicht noch irgendwas (gedanklich) zu “befördern”?

    > Können Theorien die […] Multiversum beinhalten, getestet werden?.

    Sind Beobachtungsdaten denkbar, die unter Anwendung einer bestimmten Testoperation den Ergebniswert haben: “Ja, der Test-Begriff Multiversum ist richtig.”??

    Sind Beobachtungsdaten denkbar, die unter Anwendung der selben bestimmten Testoperation den Ergebniswert haben: “Nein, der Test-Begriff Multiversum ist falsch.”??

    Gibt es denn wenigstens einen Test des Modells (bzw. der Hypothese), dass das Glühlämpchen hinter der geschlossenen Kühlschranktür noch in der Fassung sitzt? …

  3. #3 mar o
    30. Juli 2011

    zum Punkt “sollen wir der Mathematik glauben”:

    Es ist nicht so, dass die Mathematik sich eindeutig äußert. Ja, der Kollaps ist ein zusätzliches Postulat der Kopenhagener Deutung, aber Many Worlds ist bei weitem nicht die einzige Interpretation, die ohne Kollaps auskommt. In meinen Augen sticht Many Worlds durch nichts hervor, außer durch Abgefahrenheit. 😉

    Die minimale Interpretation mit den wenigsten Annahmen ist die statistische Interpretation (kein Kollaps), die klassische deterministische die Bohmsche Mechanik (keine Wahrscheinlichkeiten, kein Kollaps) und die praktikabelste “shut up and calculate”. 😉

  4. #4 Florian W.
    30. Juli 2011

    zum Punkt: “Sollen wir der Mathematik glauben”:
    Ich bin ja kein Wissenschaftler, aber ich würde Messwerten aus sauber durchgeführten Messreihen glauben. Ausserdem würde ich gerne das Gedächtnis von Herrn Greene löschen und ihn dann per Zeitreise zu Herrn Maxwell schicken. Schließlich würde es dann ja die RT ein paar Jahre früher geben.

  5. #5 mar o
    30. Juli 2011

    @Florian W.:
    Messwerte sind ohne mathematische Modelle völlig uninteressant, sobald es über unmittelbare Alltagsphysik hinausgeht.

  6. #6 973
    30. Juli 2011

    Ich möchte nochmal an mein hier schon woanders gebrachtes maximal einfaches Beispiel erinnern, daß zBsp quadratische Gleichungen überall auftreten, aber idR nur eine der beiden Lösungen ‘physikalisch’ und richtig ist. Die Gleichung an sich (und die dahintersteckende Theorie) ist potentiell richtig; die Auswahl und Deutung der Lösungen evtl. falsch. Die Formeln der QT und der ART sind ungleich komplizierter, zweifelsohne richtig (jedenfalls innerhalb von ihnen zu erwartender Grenzen und innerhalb ihrer Voraussetzungen), aber haben viele Lösungen die unrealistisch sind und gleich verworfen werden sollten. Insofern kann man grob der Überschrift von gestern zustimmen, “Realität ist, wie Mathematik sich anfühlt”. Wichtig ist immer der Bezug zur Realität, den wir durch Erfahrung / Offensichtlichkeit oder gesicherte Beobachtung gewinnen müssen, wozu bei neuen Effekten Versuche gehören sie erst einmal durch bekannte Physik darzustellen. Bei solchen Sachen wie Multiversen, Branen etc etc gibt es eben diese beobachtungsseitige Evidenz nicht, nur die ‘Hinweise’ bzw formalen Lösungen irgendwelcher Formeln, was deshalb aber mit der höchsten Vorsicht behandelt werden muß – bereits bereits bei einfachen wie quadratischen Gleichungen gibt es die ebenso ‘nahegelegte’ zweite, unphysikalische Lösung nicht.

  7. #7 Bjoern
    30. Juli 2011

    @973:

    Die Formeln der QT und der ART sind ungleich komplizierter, zweifelsohne richtig (jedenfalls innerhalb von ihnen zu erwartender Grenzen und innerhalb ihrer Voraussetzungen), aber haben viele Lösungen die unrealistisch sind und gleich verworfen werden sollten.

    Dann erleuchte uns doch bitte mal, wie man feststellst, ob die Lösungen “unrealistisch” sind oder nicht…

    Vermutlich hättest du bei Diracs Vorhersage der Positronen damals auch behauptet, diese Lösungen seiner Gleichung seien doch “unrealistisch” und sollten “gleich verworfen werden”…

    Wichtig ist immer der Bezug zur Realität, den wir durch Erfahrung / Offensichtlichkeit oder gesicherte Beobachtung gewinnen müssen, wozu bei neuen Effekten Versuche gehören sie erst einmal durch bekannte Physik darzustellen.

    Positronen waren auch nicht “durch bekannte Physik darzustellen”.

    Bei solchen Sachen wie Multiversen, Branen etc etc gibt es eben diese beobachtungsseitige Evidenz nicht,…

    Die gab’s bei den Positronen vier Jahre lang auch nicht.

  8. #8 973
    30. Juli 2011

    Wie schon mehrmals gesagt, sind einige Effekte (wie zBsp bestimmte Elementarteilchen) relativ naheliegende Extrapolationen oder Konsequenzen einer durch Beobachtungen gut begründeten Theorie, andere dagegen total hypothetisch. Als Beispiel sind zBsp die Lichtablenkung am Sonnenrand oder auch Gravitationswellen naheliegende zu erwartende Effekte der aus sonstigen Beobachtungen erarbeiteten RT.

    Hinzu kommt, daß bei Doppeldeutigkeit von (zBsp quadratischen) Gleichungen, etwa im technischen Bereich, die unrealistische Lösung sicher ausscheidet, und nicht nur vielleicht (in dem Sinne, daß niemand behaupten kann, sie existiert vielleicht mit einer geringen Wahrscheinlichkeit, oder ihre Effekte werden vielleicht in 100 Jahren entdeckt).

    Gerade das Aussondern des Absurden, das Beschränken auf das Offensichtliche (was durch neue Beobachtungen erweitert werden kann), ist was die Naturwissenschaften von der Philosophie und von wahrlosen Spekulationen und Vermutungen abgrenzen sollte. Die SRT ist sehr erfolgreich (jedenfalls innerhalb ihrer gut definierten Bedingungen wie lokaler Umgebung), weil sie geleitet durch die Beobachtung von unzähligen denkbaren mathematisch möglichen Modellen eins und das richtige alternativlos bezeichnet, freilich sind auch hier bei Anwendung außerhalb ihrer VBoraussetzungen unsinnige Betrachtungen möglich (Tachyonen …).

    Aussortierungen sind auch nicht absolut, aber um nicht total in Spekulationen zu verfallen, muß man nahe dem Beobachteten oder unmittelbar Beobachtbarem bleiben, vor vorsorglichen Theorien über Thorien über Theorien … erst einmal die erste zugrundeliegende Theorie überprüfen. Nur als Beispiel, die Einzelheiten zum Ursprung sind weitgehend unklar und kontrovers, einschließlich ob bzw in welchem Sinn er einen Anfang oder aber nur einen neuen Zyklus oder eine Umformung der Welt darstellte, auch ob vorher dieselben physikalischen gesetze, Naturkonstanten, Dimensionen usw bestanden wie jetzt, usw usf; ich halte es für unwissenschaftlich bevor diese Fragen geklärt sind, weitergehende Spekulationen oder gar als wahrscheinlich bezeichnete Vorhersagen über Größe und Verteilung von Galaxien der Vorurknallwelt zu machen, und zBsp Ringe in der KHS durch sowas zu deuten statt erst einmal durch naheliegende Gründe unserer Nachurknallwelt.

  9. #9 Bjoern
    30. Juli 2011

    @973:

    Wie schon mehrmals gesagt, sind einige Effekte (wie zBsp bestimmte Elementarteilchen) relativ naheliegende Extrapolationen oder Konsequenzen einer durch Beobachtungen gut begründeten Theorie, andere dagegen total hypothetisch.

    Und wer genau darf entscheiden, was “relativ naheliegende Extrapolationen” sind, und welche “total hypothetisch” sind? Anscheinend nur du…?

    Gerade das Aussondern des Absurden, das Beschränken auf das Offensichtliche…

    Und wer genau darf entscheiden, was “absurd” und was “offensichtlich” ist? Anscheinend nur du…?

    …freilich sind auch hier bei Anwendung außerhalb ihrer VBoraussetzungen unsinnige Betrachtungen möglich (Tachyonen …).

    Ah ja. Tachyonen sind “unsinnig”. Und ich darf raten: warum sie das sind, ist so “offensichtlich”, dass es unter deiner Würde ist, es zu erklären – nicht wahr?

    Aussortierungen sind auch nicht absolut, aber um nicht total in Spekulationen zu verfallen, muß man nahe dem Beobachteten oder unmittelbar Beobachtbarem bleiben,…

    Dirac blieb mit seiner Vorhersagen von Positronen auch nicht nahe an diesen Dingen. Trotzdem beschwerst du dich über den nicht… (ach ja, ich vergass: du bist ja auch der einzige, der entscheiden darf, wann man noch “nahe dem Beobachteten oder unmittelbar Beobachtbarem” ist und wann nicht mehr – nicht wahr?)

    Nur als Beispiel, die Einzelheiten zum Ursprung sind weitgehend unklar und kontrovers, einschließlich ob bzw in welchem Sinn er einen Anfang oder aber nur einen neuen Zyklus oder eine Umformung der Welt darstellte, auch ob vorher dieselben physikalischen gesetze, Naturkonstanten, Dimensionen usw bestanden wie jetzt, usw usf; ich halte es für unwissenschaftlich bevor diese Fragen geklärt sind, …

    Und du hast sicher auch einige tolle Vorschläge, wie man diese Fragen klären könnte – oder?

    …und zBsp Ringe in der KHS durch sowas zu deuten statt erst einmal durch naheliegende Gründe unserer Nachurknallwelt.

    Und du hast sicher auch einen tollen Vorschlag, welcher naheliegende Grund unserer Nachbarschaft das ist – oder?

  10. #10 mar o
    31. Juli 2011

    Ich möchte nochmal an mein hier schon woanders gebrachtes maximal einfaches Beispiel erinnern, daß zBsp quadratische Gleichungen überall auftreten, aber idR nur eine der beiden Lösungen ‘physikalisch’ und richtig ist. Die Gleichung an sich (und die dahintersteckende Theorie) ist potentiell richtig; die Auswahl und Deutung der Lösungen evtl. falsch.

    Um Bjoern nochmal auf den Punkt zu bringen: Dirac konnte das Positron vorhersagen gerade weil er Lösungen physikalische Realität zuordnete, die Andere als mathematische Artefakte verworfen haben. Das ist das perfekte Gegenbeispiel zu deiner Aussage, weil es sich um eine quadratische Gleichung handelt. Klassisch ist die Energie-Impulsrelation E~p², relativistisch E²~p² (von der Ruhemasse mal abgesehen). Die positiven Lösungen entsprechen in der QM Teilchen, die negativen Anti-Teilchen.

    Dein Pauschalurteil ist also nicht gerechtfertigt und es lohnt sich auf jeden Fall, die Mathematik Ernst zu nehmen. Und wie Bjoern schon sagt: was ist schon “offensichtlich” und wer soll das entscheiden?

  11. #11 Redfox
    31. Juli 2011

    Halb off Topic:

    Kleiner Hinweis auf ein Thematisch teilweise verwandtes Buch von Victor J. Stenger:

    The Fallacy of Fine-Tuning

    Why the Universe Is Not Designed for Us

    A number of authors have noted that if some physical parameters were slightly changed, the universe could no longer support life, as we know it. This implies that life depends sensitively on the physics of our universe. Does this “fine-tuning” of the universe also suggest that a creator god intentionally calibrated the initial conditions of the universe such that life on earth and the evolution of humanity would eventually emerge? Some influential scientists, such as National Institutes of Health Director Francis Collins, think so. Others go even further, asserting that science “has found God.”

  12. #12 973
    31. Juli 2011

    Es kommt sicherlich auf den Fall an. Bei technischen Berechnungen (zBsp in Statik, Maschinenbau …) treten quadratische Gleichungen usw dauernd auf, und werden die offensichtlich unrichtigen sofort verworfen. Stell dir mal vor, man würde da anfangen zu deuten, ob die unrichtige Lösung nicht doch eine Bedeutung oder wenigstens geringe Wahrscheinlichkeit hat, die nächstes Jahrhundert entdeckt wird … Da hätte man nach kurzer Zeit schon eine Menge (dort ganz sicher unsinnige) Scheinlösungen mit denen man sich beschäftigen müste, und garnichts ginge mehr weiter …

    Andererseits gibt es auch F¨alle, in denen beide L¨osungen realistisch sind. Das h¨angt vom Anwendungsfall ab. Falls bei einer Anwendung zwei M¨oglichkeiten bestehen, dann ist anzunehmen, daß sie auch durch beide L¨osungen einer quadratischen Gleichung dargestellt werden, dann also zwei L¨osungen derselben sinnvoll sind. Man darf hier aber nicht umgekehrt denken, daß deswegen auch in anderen F¨allen die zweite L¨osung iA eine reelle Bedeutung haben sollte und sie uns nur verborgen sei; in anderen F¨allen gibt es schlicht und einfach nichts reelles was ihr entspricht.

    Die Antimaterie ist nun eben ein Fall, daß es sie gibt, aus eigenen Gr¨unden, und auch durch dieselbe Gleichung wie normale Materie beschrieben wird. In 99% anderer F¨alle bzw irrealistischer L¨osungen gibt es aber nichts.

    In Branchen der Physik besteht zwar mitunter keine Anschauung, auch keine Erfahrung. Ein sicheres Kriterium ist immer nur die Beobachtung bzw Offensichtlichkeit selbst sein, deswegen steht die E-physik über der theoretischen. Die relevantesten noch nicht bekannten Effekte sollten sich anläslich routinemäßiger Experimente selbst bemerkbar machen, nicht erst wann man nach ihnen gezielt sucht. So war das bei denen der QT und RT. Solange man keine triftigen Beobachtungen hat die dies erfordern, also rein spekulativ, sollte man außer leichten Interpolationen in der Nähe des Bekannten bewegen, und insbesondere keine sehr hypothetischen Objekte (Branen, Parallelwelten …) erst nehmen.

    Mit Argumenten wie solchen der Vorredner kann man gleich argumentieren, es ist ja alles möglich und nichts auszuschließen.

  13. #13 Bjoern
    31. Juli 2011

    @973:

    In 99% anderer F¨alle bzw irrealistischer L¨osungen gibt es aber nichts.

    Wie kommst du auf diese Zahl? Frei nach dem Motto “traue keiner Statistik, die du nicht selbst erfunden hast”, oder?

    Ein sicheres Kriterium ist immer nur die Beobachtung bzw Offensichtlichkeit selbst sein, …

    “Beobachtung” ist klar. Aber “Offensichtlichkeit” ist subjektiv.

    Die relevantesten noch nicht bekannten Effekte sollten sich anläslich routinemäßiger Experimente selbst bemerkbar machen, nicht erst wann man nach ihnen gezielt sucht.

    Äh, wieso? (und was genau meinst du hier mit “relevant”? Relevant für was oder wen?)

    So war das bei denen der QT und RT.

    Gravitative Lichtablenkung? Hat sich nicht “anlässlich routinemäßiger Experimente selbst bemerkbar” gemacht, sondern danach musste gezielt gesucht werden. Welleneigenschaften von Teilchen? Hat sich nicht “anlässlich routinemäßiger Experimente selbst bemerkbar” gemacht, sondern danach musste gezielt gesucht werden. usw. usf.

    Von der Geschichte der Wissenschaft hast du auch nicht viel Ahnung, oder?

    Solange man keine triftigen Beobachtungen hat die dies erfordern, also rein spekulativ, sollte man außer leichten Interpolationen in der Nähe des Bekannten bewegen, und insbesondere keine sehr hypothetischen Objekte (Branen, Parallelwelten …) erst nehmen.

    Wer darf entscheiden, ob eine Interpolation noch “leicht” ist oder nicht? Wer darf entscheiden, ob man noch “in der Nähe des Bekannten” ist oder nicht? Wer darf entscheiden, ob Objekte “sehr hypothetisch” sind oder nicht? Anscheinend nur du…?

    Mit Argumenten wie solchen der Vorredner kann man gleich argumentieren, es ist ja alles möglich und nichts auszuschließen.

    Äh, nein. Letztlich geht’s natürlich immer darum, ob Hypothesen auch experimentell überprüfbar sind.

  14. #14 SCHWAR_A
    31. Juli 2011

    @973:

    …deswegen steht die E-physik über der theoretischen.

    M.E. ergänzen sich beide hervorragend, ja gehören sogar zusammen. Die E-Physik kann sowohl bis dato unerklärte Effekte ans Licht bringen, die dann einer Theorie bedürfen, als auch umgekehrt einen theoretischen Effekt beweisen, den man in Experimenten bislang noch nicht bemerkt hatte. Hat man einen Beweis nicht gefunden, befruchtet das wiederum die Theorie, usw.

    Ich glaube, es gibt immer beide Herangehensweisen: der eine versucht ein beobachtetes Phänomen theoretisch zu erfassen, der andere findet Merkwürdigkeiten in seinen Gleichungen und versucht diese zu beweisen oder zu widerlegen (lassen).

    Aber noch etwas anderes kann man beobachten: In der heutigen Wissenschaft gibt es wohl tatsächlich immer öfter nur dann Mittel für Experimente, wenn die Thoerie diesbezüglich etwas vorhersagt – siehe CERN. Es wird nicht einfach drauflos experimentiert. Es braucht da schon echte Ziele. Also doch eher theorie-getriebene Experimentalphysik?

  15. #15 SCHWAR_A
    31. Juli 2011

    “Hat man einen Beweis nicht gefunden,…”

    sollte natürlich besser heißen:

    “Hat man einen Beweis gefunden oder auch nicht,…”

  16. #16 Bjoern
    31. Juli 2011

    @SCHWAR_A: Ersetze “beweisen” durch “nachweisen” oder “belegen” – dann hast du meine voll Zustimmung. 🙂

  17. #17 SCHWAR_A
    31. Juli 2011

    @Bjoern:
    Ersetze “beweisen” durch “nachweisen” oder “belegen”

    Sieh’s mir bitte nach – da ist wohl ein gehöriger Anteil Mathematiker in mir…;-)

    Meinem Sprachgefühl nach ist eine Unterscheidung eher im Kontext zu suchen, und weniger in der eigentlichen Bedeutung. Oder gibt es hierbei einen Aspekt, der mir bisher verborgen geblieben ist?

    Ach, übrigens, hast Du das eigentlich übersehen? Vermutlich habe ich immer noch nicht ganz die unterschiedlichen Zeitabläufe in unterschiedlichen Frames kapiert…

  18. #18 Bjoern
    31. Juli 2011

    @SCHWAR_A:

    Meinem Sprachgefühl nach ist eine Unterscheidung eher im Kontext zu suchen, und weniger in der eigentlichen Bedeutung.

    Ich verstehe nicht so ganz, was du hier meinst…

    Ach, übrigens, hast Du das eigentlich übersehen?

    Nö – eher vergessen, ‘tschuldigung. Allzuviel kann ich leider sowieso nicht dazu sagen…

  19. #19 mr_mad_man
    31. Juli 2011

    Sollen wir der Mathematik glauben? Zunächst muss wohl festgehalten werden, dass die Multiversen nicht deshalb vorhergesagt werden, weil man sie gerne haben möchte, sondern weil man mathematische Ansätze, die für was ganz anderes gemacht wurden, konsequent zuende gedacht/gerechnet wurden. So wie andere mathematische Vorhersagen, die uns erstmal unrealistisch vorkommen mögen, sich aber bewahrheitet haben, sollte man die Multiversen daher auch nicht einfach so abtun. Allerdings stellt sich die Frage, ob alle Vorhersagen zutreffen. Wenn ja würden wir in einem holographischen viele Welten MultiBran Blasen und Parallelwelt Universum leben. Denn die unterschiedlichen mathematischen Ansätze sagen diese unterschiedlichen Multiversen voraus. Wenn man die Ausgangsfrage mit einem grundsätzlichen ‘ja ohne Einschränkungen’ beantworten möchte, muss man alle diese unterschiedlichen Multiversen unter einen mathematischen Hut bekommen. Oder man muss die Frage mit einem ‘ja, aber nicht immer’ beantworten.

  20. #20 SCHWAR_A
    31. Juli 2011

    @Bjoern:

    Mit Kontext meine ich: Mathematik -> Beweis; Physik -> Nachweis/Beleg.
    Beides hat aber eigentlich dieselbe Bedeutung, so wie ich das bisher sehe…

    …vergessen… Macht ja nichts… Vielen Dank trotzdem. Weiteres dann dort…

  21. #21 Bjoern
    31. Juli 2011

    @SCHWAR_A:

    Mit Kontext meine ich: Mathematik -> Beweis; Physik -> Nachweis/Beleg. Beides hat aber eigentlich dieselbe Bedeutung, so wie ich das bisher sehe…

    Nö, hat es nicht. Das ist ja einer der wichtigen Unterschiede zwischen Mathematik und Naturwissenschaften: wenn in der Mathematik etwas bewiesen wurde, dann ist es garantiert richtig und wird auch immer richtig bleiben (vorausgesetzt natürlich, die Axiome stimmen…). Wenn in den Naturwissenschaften dagegen eine Theorie exzellent belegt ist, dann kann sie trotzdem falsch sein…

  22. #22 Frank Wappler
    1. August 2011

    Bjoern schrieb (31.07.11 · 14:21 Uhr):
    > Das ist ja einer der wichtigen Unterschiede zwischen Mathematik und Naturwissenschaften: wenn in der Mathematik etwas bewiesen wurde, dann ist es garantiert richtig und wird auch immer richtig bleiben (vorausgesetzt natürlich, die Axiome stimmen…).

    Axiome sind/stimmen selbstverständlich.
    Das einzig nachvollziehbare Defizit gegebener Axiomen wäre, dass daraus folgende/bewiesene Theoreme nicht zueinander konsistent sind.
    Und auch in solchen Fällen waren und bleiben die einzelnen, bewiesenen Theoreme garantiert nachvollziehbar und richtig.

    > Wenn in den Naturwissenschaften dagegen eine Theorie exzellent belegt ist, dann kann sie trotzdem falsch sein…

    Nö. Ganz egal ob ein bestimmtes naturwissenschaftliches Modell exzellent belegt ist, oder unbedeutend belegt ist, oder gar nicht belegt ist, oder widerlegt ist:

    Die nachvollziehbaren Begriffe (insbesondere: Messgrößen), die gebraucht wurden, um das entsprechende Modell auszudrücken (insbesondere: bestimmte Erwartungswerte von Messgrößen) und (ggf.) zu belegen oder zu widerlegen (durch Messwerte der entsprechenden Messgrößen), waren und bleiben garantiert nachvollziehbar;

    und Theoreme, die sich aus diesen Begriffen ergeben, waren und bleiben insgesamt (als Theorie) garantiert nachvollziehbar und richtig.

    Falsifizierbar (und ggf. falsch) wäre höchstens jeweils die Hypothese, dass ein gegebenes Modell auch im nächsten Versuch unwiderlegt bleibt.

  23. #23 knorke
    1. August 2011

    beim zweiten Punkt deiner Zusammenfassung der offenen Fragen, die Green benennt:

    […] und hängt davon ab, wie man Wissenschaft definiert. Wer der Meinung ist, nur das wäre wissenschaftlich, was mit den momentan verfügbaren Mitteln testbar ist, der wird tatsächlich Probleme mit Multiversen haben. Aber Greene meint, es wäre etwas beschränkt, nur auf den etwas willkürlichen Stand der aktuellen Technik zu bauen. Es geht eher darum, ob etwas prinzipiell überprüfbar ist oder nicht und – bis auf das ultimative Multiversum – ist das bei allen bisher vorgestellten Multiversumstheorien der Fall.

    Diese Frage ist eigentlich schon lange geklärt und sehe da keinen Spielraum. Es muss prinzipiell überprüfbar, d.h. falsifizierbar sein. Ich nehme an dass Greene dies nur aus literarisch-dramaurgischen Gründen offenlässt?

  24. #24 knorke
    1. August 2011

    Ups, ich meinte den dritten Punkt.

  25. #25 Florian Freistetter
    1. August 2011

    @knorke: “Diese Frage ist eigentlich schon lange geklärt und sehe da keinen Spielraum. Es muss prinzipiell überprüfbar, d.h. falsifizierbar sein. “

    Naja – wie man bei Diskussionen über dieses Thema (siehe die Kommentare von 973) sieht, gibt es doch einige Menschen die glauben, man dürfe nur das Wissenschaft nennen, was jetzt überprüfbar ist.

  26. #26 knorke
    1. August 2011

    @FF, schon. Aber statt dann auf Detailebene zu kabbeln, würde auch der Verweis auf diese winzige Kleinigkeit die “Diskussion” zu beenden. Dann muss auch nicht immer in jedem Argument Recht haben, um einen Standpunkt für falsch erklären zu können.

  27. #27 Basilius
    1. August 2011

    @knorke
    Ich glaube nicht, daß ein Verweis auf diese Winzigkeit bei der Argumenteresistenz so mancher Mitkommentatoren hier tatsächlich jemals eine Diskussion beenden könnte.
    Aber die Vorstellung ist zugegebenermaßen schön.

  28. #28 Frank Wappler
    2. August 2011

    knorke schrieb (01.08.11 · 14:06 Uhr):
    > beim [dritten] Punkt […]
    > Es muss prinzipiell überprüfbar, d.h. falsifizierbar sein.

    Es” — was denn genau??

    Eine Spur Sorgfalt in diesem Detail dürfte der effektivste Prügel sein, um verbale Kabbeleien von Argumenten zu trennen.
    Bis dahin setzt es auf grobe (gedankliche) Klotzigkeiten eben eher grobe (gedankliche) Keile …