Dieser Text ist eine Besprechung eines Kapitels aus dem Buch “The Hidden Reality: Parallel Universes and the Deep Laws of the Cosmos” von Brian Greene. Links zu den Besprechungen der anderen Kapitel finden sich hier
Das selbst unser Universum schon unendlich viele Parallelwelten haben kann, hat Greene im letzten Kapitel ausführlich erklärt. Jetzt geht es um die Entstehung des Universums und die Vorgänge die da abgelaufen sind. Die könnten nämlich dazu geführt haben, dass der Raum von einer Vielzahl an einzelnen “Blasenuniversen” enthalten kann.
Wenn man bedenkt dass wir Menschen eigentlich nur ne Bande haarloser Affen sind die – jedenfalls was astronomische Zeitskalen angeht – eben erst gelernt haben von den Bäumen zu steigen und “Ugh!” zu sagen, dann ist es enorm beeindruckend was wir in den letzten Jahrzehnten alles gelernt haben. Wir wissen, dass wir in einem Universum leben, das gewaltig viel größer ist als alles was wir uns vorstellen können, das es vor 13.7 Milliarden Jahren bei bei einem Ereignis entstanden ist, dass wir “Urknall” nennen und es sich seitdem ausdehnt. Wir verstehen, wie damals die Elemente entstanden, aus denen wir und unsere Welt aufgebaut sind. Und wir können diese Thesen nicht nur aufstellen sondern auch experimentell bestätigen.
Seit den Theorien von Albert Einstein, Alexander Friedmann, Georges Lemaître und Edwin Hubble die den Grundstein für unser Verständnis des Urknalls gelegt haben, haben sich Physiker natürlich weiter Gedanken gemacht und die Theorie weiter entwickelt. Der Urknall konnte zwar viel erklären, aber manche Sachen stellten immer noch ein Problem dar. Da war zum Beispiel die Sache mit der Hintergrundstrahlung. Wenn es einen Urknall gibt, so sagten George Gamov, Ralph Alpher und Robert Hermann voraus, dann muss man heute noch Strahlung im Mikrowellenbereich beobachten die aus allen Richtungen völlig gleichförmig auf uns trifft. Arno Penzias und Robert Wilson konnte 1963 diese Vorhersage der Urknalltheorie eindrucksvoll bestätigen und die Strahlung messen. Und so wie vorhergesagt war sie völlig gleichförmig und traf aus allen Richtungen gleich stark auf uns. Das war eine großartige Bestätigung der Urknalltheorie, warf aber gleichzeitig eine neue Frage auf: Warum war die Hintergrundstrahlung so gleichförmig? Wenn wir 10 Milliarden Lichtjahre in die eine Richtung blicken und 10 Milliarden Lichtjahre in die andere, dann haben diese beiden Bereiche des Universums noch keine Zeit gehabt, miteinander irgendwie in Kontakt zu treten. Das Universum ist noch nicht alt genug damit Licht vom einen Ende das andere erreicht haben kann. Wenn aber nicht alle Bereiche des Universums miteinander kommunizieren können, wie ist es dann möglich, dass sich überall exakt die gleiche Temperatur eingestellt hat?
Dieses “Horizontproblem” der Kosmologie entzog sich lange einer Lösung. Als aber 1980 Alan Guth sich nochmal intensiv mit der allgemeinen Relativitätsttheorie beschäftigte, entdeckte er eine interessante Möglichkeit: Gravitation konnte auch manchmal abstossend wirken. Das hat mit Druck zu tun: Einsteins Gleichungen sagen uns, dass ein Objekt unter Druck eine größere Masse hat als man normalerweise erwarten würde (es steckt ja mehr Energie drin). Positiver Druck erhöht die Masse und die Gravitationskraft. Negativer Druck dagegen erzeugt abstossende Gravitation (negativen Druck kann man sich z.B. wie bei einem gestreckten Gummiband vorstellen). Wenn das Universum jetzt – so wie es Einsteins Gleichungen sagen – von einer gleichförmigen Energie erfüllt ist (die berühmte “kosmologische Konstante”), dann erzeugt dass auch negativen Druck und eine abstossende Gravitationskraft.
Die Details sind etwas kompliziert – ich habe hier schon mal drüber geschrieben und Greene erklärt es in seinem Buch auch sehr gut. Die Sache hat mit Quantenfeldern zu tun; Feldern – so wie das elektrische oder magnetische Feld – die jedem Elementarteilchen zugeordnet sind. Die inflationäre Kosmologie geht von einem “Inflaton-Feld” aus das das Universum erfüllt und dessen negativer Druck kurz nach dem Urknall zu einer Phase extrem schneller Expansion führte. Also wirklich extrem schnell! In einer Zeitspanne die so kurz war, dass man sie nicht mehr veranschaulichen kann ist das Universum so schnell gewachsen, dass man es sich ebenfalls nicht wirklich vorstellen kann (in etwa so als würde man eine Erbse auf die Größe des gesamten Universums aufblasen). Im jungen Universum hatten also alle Ecken und Enden des Raums Gelegenheit miteinander zu kommunizieren und die Temperatur konnte sich ausgleichen. Die Inflation hat das Universum dann aufgeblasen und dafür gesorgt, dass auch Bereiche die heute enorm weit entfernt voneinander sind die gleiche Temperatur haben.
Aber die Astronomen haben sich die Inflation doch einfach nur ausgedacht, nicht wahr? Um ihre Theorie zu retten und weiter im Geschäft bleiben zu können? Ja – sowas hört man zwar oft, es ist aber trotzdem Unsinn. Die inflationäre Kosmologie kann nicht nur enorm viele Sachen erfolgreich erklären, sie macht auch überprüfbare Vorhersagen. Die haben wieder mit der Quantentheorie zu tun. Und mit Paralleluniversen! Geht es nach der inflationären Kosmologie, dann darf die Hintergrundstrahlung nicht völlig gleichförmig sein. Denn auch im prä-inflationären Universum gab es Quantenfluktuationen. Die basieren auf der Heisenbergschen Unschärfelation die uns sagt, dass man z.B. die Stärke eines Feldes und seine Änderungsrate nicht gleichzeitig exakt kennen kann. Das führt dazu, dass auf sehr kleinen Skalen jedes Feld fluktuiert. Das Universum kann als vor der Inflation nicht völlig gleichförmig gewesen sein und die extreme Ausdehnung hat diese winzigen Fluktuationen dann über das ganze Universum verteilt. Es muss also auch in der Hintergrundstrahlung winzige Unregelmäßigkeiten geben. Und genau die wurden 1992 erstmals tatsächlich gemessen (mit dem Satellit COBE) und seitdem bestätigen immer genauere Messungen die Vorhersagen der inflationären Kosmologie immer wieder und besser.
Die Quantenfluktuationen spielen aber auch eine wichtige Rolle wenn es um die Paralelluniversen geht. Denn warum hat die Inflation eigentlich nur so extrem kurz gedauert? Nicht das wir uns beschweren sollten – wenn sie länger gedauert hätte, dann hätte sich das Universum in dem wir leben so nicht bilden können und wir auch nicht. Aber warum hat die Inflation irgendwann aufgehört anstatt das Universum immer weiter aufzublähen? Das liegt einerseits am Wert des Inflaton-Feldes. Je nachdem wie groß dieser Wert ist, gibt es eine Inflation oder nicht. Andererseits gibt es aber auch die Quantenfluktuationen die diesen Wert ändern können. Ein Inflaton-Feld mit dem passenden Wert für eine inflationäre Phase kann entweder zu einer ewigen Expansion führen. Oder aber die Quantenfluktuationen schubsen den Wert des Feldes kurz nach Einsetzen der Inflation wieder zurück und das Universum benimmt sich wieder normal. Das ist anscheinend in unserem Fall passiert. Aber, und das ist wichtig: das Inflaton-Feld hat an jedem Punkt im Raum einen Wert und es kann also immer wieder zu inflationären Phasen kommen. Das Bild, das Greene zur Veranschaulichung bringt ist das des Schweizer Käses.
Stellen wir uns ein Stück Käse mit Löchern drin vor. Der Käse selbst ist der Raum, der immer weiter inflationär expandiert. Die Löcher im Käse sind “Blasenuniversen”, so wie unseres in dem die Inflation aufgehört hat. Die inflationäre Kosmologie (bzw. manche Variationen davon) liefert uns also einen unvorstellbaren großen Raum ewiger inflationärer Expansion der durchsetzt ist von vielen Universen in denen es keine Inflation mehr gibt. In diesen Universen gelten überall die selben physikalischen Gesetze – aber die Bedingungen können trotzdem anders sein. Wenn der Higgs-Mechanismus – also die Theorie die erklärt wie Elementarteilchen zu ihrer Masse kommen – korrekt ist, dann ist unser Universum von einem Higgs-Feld durchzogen dass einen bestimmten Wert hat. Dieser Wert bestimmt, welche Masse die Teilchen haben und die Masse der Teilchen bestimmt die Eigenschaften des Universums. Zum Beispiel ob sich Sterne, Planeten oder Menschen bilden können. In einem der anderen Blasenuniversen wird das Higgs-Feld einen anderen Wert haben – und völlig anders aussehen. Mit ziemlicher Sicherheit aber auch extrem lebensfeindlich. Unsere Blase im Käse stellt eine Oase mit den richtigen Bedingungen für Leben dar.
Das inflationäre Multiversum passt auch wunderbar zum Steppdeckenuniversum aus dem letzten Kapitel. Ich werde das jetzt nicht im Detail erklären (ihr sollt das Buch von Greene ja auch noch lesen 😉 ) – aber auch wenn es für einem externen Beobachter so aussieht als wären die Blasenuniversen von endlicher Größe sind sie für einen Beobachter in der Blase unendlich groß. In den Blasenuniversen ist also auch noch ausreichend Platz für unsere Doppelgängerwelten.
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