Dieser Text ist eine Besprechung eines Kapitels aus dem Buch “The Hidden Reality: Parallel Universes and the Deep Laws of the Cosmos” von Brian Greene. Links zu den Besprechungen der anderen Kapitel finden sich hier
Im nächsten Kapitel findet sich für die Leser von Greenes früheren Büchern schon Bekanntes: es geht um die Vereinheitlichung der Grundkräfte, die Suche nach der Quantengravitation und die Entwicklung der Stringtheorie. Wer die früheren Bücher kennt, der kann dieses Kapitel überspringen. Ich werde es auch tun denn die Stringtheorie hab ich ja schon im Rahmen der Rezension von Greenes letzem Buch vorgestellt.
Aber eigentlich lohnt es sich trotzdem, das Kapitel zu lesen. Greene spricht hier viele interessante Aspekte an die zumindest für mich neu waren. Zum Beispiel die Tatsache, dass die Stringtheorie eine echte Erweiterung der bisherigen Physik ist. Bei Einstein war es ja genauso. Seine allgemeine Relativitätstheorie hat Newtons Physik nicht widerlegt sondern sie nur erweitert. Nimmt man Einsteins Gleichungen und wendet sie auf Situationen an, in denen die Massen und Geschwindigkeiten nicht allzu groß sind, dann vereinfachen sie sich direkt zu den alten Newtonschen Gleichungen. Genauso ist es mit der Stringtheorie. Benutzt man sie für Situationen in der Gravitaton eine Rolle spielt, die Quanteneffekte aber nicht, dann bekommt man wieder Einsteins Relativitätstheorie. Will man Situationen untersuchen, in denen die Quanteneffekte wichtig sind, aber nicht die Gravitation, dann vereinfacht sich die Stringtheorie zur Quantenfeldtheorie.
Greene geht auch wieder explizit auf die Experimente ein. Man hört ja immer wieder, die Stringtheorie sei ja nichts anderes als Religion weil man sie nicht experimentell bestätigen oder widerlegen könne. Das ist natürlich Unsinn. An Religion muss man tatsächlich glauben. An die Stringtheorie nicht; es gibt tatsächlich jede Menge Experimente, die sie bestätigen oder falsifizieren können. Die meisten dieser Experimente sind momentan nur leider technisch nicht machbar – eben weil die Strings so unvorstellbar klein sind. Aber manche Sachen sind in Reichweite. Die gewaltigen Energien des Urknalls könnten manche Strings so stark vergrößert haben, dass sie heute detektiert werden könnten. Die Gravitationswellen die sie aussenden sind ganz charakteristisch und die Gravitationswellendetektoren der nächsten Generation könnten das in ein paar Jahren messen. Auch Messungen der Hintergrundstrahlung die der Planck-Satellit gerade durchführt könnten Vorhersagen der Stringtheorie bestätigen und die Experimente die am Teilchenbeschleuniger LHC gerade durchgeführt werden könnten die Existenz der von der Stringtheorie vorhergesagten Extradimensionen bestätigen.
Für die Geschichte der Paralleluniversen besonders interessant ist die aktuelle Weiterentwicklung der Stringtheorie: die M-Theorie (ich habe hier schonmal mehr darüber geschrieben). Die Gleichungen der Stringtheorie sind so komplex, dass sie in ihrer vollständigen Form momentan nicht benutzt werden können. Man verwendet stattdessen Vereinfachungen die mit Störungsrechnung gewonnen werden. Ed Witten konnte nun Mitte der 1990er zeigen, dass man durch diese Vereinfachungen einiges übersehen hat. Bis dahin kannte man fünf verschiedene Versionen der Stringtheorie. Die sind aber in Wahrheit alle nur verschiedene Ausprägungen einer einzigen Theorie, die “M-Theorie” genannt wird. Die vereinfachten Gleichungen hatten außerdem noch eine weitere Extradimension versteckt! Bis dahin war man ja der Meinung, es müsse 10 Dimensionen geben denn nur so könne die Stringtheorie funktionieren. Davon bemerken wir nur die bekannten 3 Dimensionen des Raums und die eine der Zeit. Die übrigen sechs Raumdimensionen sind so winzig das wir sie bis jetzt nie bemerkt haben. In den Gleichungen der M-Theorie taucht nun aber noch eine weitere Dimension auf. Und auch die Dimensionalität der Grundbestandteile unserer Welt ist nicht mehr nur auf eine Dimension festgelegt.
Viele Stringtheoretiker fragten sich ja manchmal, warum denn eigentlich die Strings so etwas besonders waren. Ok, sie konnten die bekannten Elementarteilchen erklären. Die waren keinen punktförmigen Etwase mehr sondern nur verschiedene Schwingungen des selben fundamentalen eindimensionalen Strings. Aber wieso sollten die Strings gerade nur eine Dimension haben? Wenn die ganze Raumzeit elf Dimensionen haben kann: wieso diese Beschränkung auf eine Dimension? Die M-Theorie zeigt nun, dass diese Beschränkung nicht existiert. Neben eindimensionalen Strings gibt es dort auch zweidimensionalen Membranen, dreidimensionale 3-Branen usw. Und diese Branen sind es, die eine weitere Möglichkeit für parallele Welten bieten!
Ich habe oben schon die kosmischen Strings erwähnt, die beim Urknall aufgeblasen wurden. Normalerweise sind Strings ja wirklich winzig. Aber man braucht nur genug Energie reinstecken, dann können beliebig groß werden. Das gleiche gilt auch für Branen. Wenn wir uns jetzt eine dreidimensionale Bran vorstellen, die enorm groß ist, was haben wir dann? Etwas, dass ganz so wie das dreidimensionale Universum aussieht, das wir bewohnen. Der Raum an sich wäre dann kein Konzept mehr, über das sich Philosophen und Physiker den Kopf zerbrechen. Er wäre ein konkretes Ding: eine 3-Bran im zehndimensionalen Raum der M-Theorie. Die Vorstellung das wir auf einer 3-Bran leben nennt man auch das “Branwelt-Szenario”. Jetzt gibt es natürlich nicht nur eine einzige 3-Bran. Der höherdimensionale Raum könnte voller 3-Branen (bzw. höherdimensionaler Branen) sein. Aber wir würden nie etwas davon mitbekommen. Denn die Strings, aus denen wir alle bestehen sind sogenannten “offene Strings”. Das heisst sie haben zwei Enden und kleben damit an der Bran fest. In der Bran können sie sich beliebig bewegen aber sie können sie niemals verlassen. Und damit sind auch wir auf ewig in der 3-Bran die unser Universum darstellt gefangen. Genauso wie z.B. die elektromagnetische Kraft. Auch sie ist nicht fähig die Bran zu verlassen. Die nächste Parallebranwelt könnte als direkt vor unseren Augen sein – wir könnten sie nicht sehen (übrigens auch nicht die Kollegen Esoteriker – die bestehen aus der gleichen Materie wie der Rest der Welt und sind genauso an unsere Bran gebunden). Die einzige Kraft, die die Bran verlassen kann ist die Gravitation. Die Teilchen die die Gravitationskraft vermitteln bestehen aus geschlossenen Strings und die können sich beliebig bewegen. Wir könnten das Branweltszenario deswegen auch sogar experimentell bestätigen (vielleicht haben wir das sogar schon). Denn diese besondere Eigenschaft der Gravitation führt dazu, dass sie sich auf sehr kleinen Skalen nicht mehr so verhält wie wir es gewohnt sind. Neue Messungen der Anziehungskraft bei sehr kleinen Bereichen könnten das messen.
Besonders interessant ist es, sich zu überlegen was passiert, wenn zwei solcher Branen kollidiern. Da die Gravitation ja zwischen den Branen wirken kann, können sie sich auch gegenseitig anziehen. Wenn zwei Branen nun zusammenstoßen, dann würde alles was sich in ihnen befindet zerstört. Es würden gewaltige Energien freigesetzt, es entstünden jede Menge neue Teilchen und Strahlung. Es würde ganz genauso aussehen wie beim Urknall… Wenn unser Universum wirklich eine Branwelt ist, dann könnte es in regelmäßigen Abständen immer wieder mit einer anderen Bran kollidieren – man nennt das “Ekpyrosis”. Nach jeder Kollision prallen die beiden wieder voneinander ab, nur um sich dann wieder zu nähern und erneut zu kollidieren. Es würde Urknall auf Urknall folgen und jedes Mal ein neues Universum entstehen. Wir wären also Teil eines zyklischen Multiversums, eingebettet in einen höherdimensionalen Raum voller anderer – vielleicht ebenso zyklischer – Universen…
Kommentare (12)