Dieser Text ist eine Besprechung eines Kapitels aus dem Buch “The Hidden Reality: Parallel Universes and the Deep Laws of the Cosmos” von Brian Greene. Links zu den Besprechungen der anderen Kapitel finden sich hier
Als Albert Einstein 1915 seine allgemeine Relativitätstheorie aufstellte und sie auf das Universum in seiner Gesamtheit anwandte stellte er fest, dass es sich entweder ausdehnen oder zusammenziehen müsste. Ein statisches Universum – und von seiner Existenz waren zu der Zeit die meisten Wissenschaftler inklusive Einstein überzeugt – das immer gleich ist und sich nicht ändert war in den Gleichungen nicht vorgesehen. Der statische Fall würde nur dann eintreten, wenn die sogenannte “kosmologische Konstante” in Einsteins Gleichungen einen Wert hat der nicht gleich Null ist. Und da Einstein damals unbedingt ein statisches Universum haben wollte, hat er der Konstante eben genau den speziellen Wert gegeben den sie dafür brauchte anstatt sie einfach gleich Null zu setzen.
Wäre Einstein ein wenig mutiger gewesen und hätte seinen ursprünglichen Rechnungen vertraut, dann hätte er die wenig später von Hubble tatsächlich gemessene Expansion des Universums vorhersagen können. So aber stellte sich heraus, dass das Universum eben doch nicht statisch ist und Einstein bezeichnete die Einführung der kosmologischen Konstante als seine “größte Eselei” (diese Geschichte stimmt aber vermutlich nicht; es gibt keine verläßliche Quelle für diese Aussage). Die Geschichte der Konstante ist aber damit noch nicht vorbei… Vor wenigen Jahren hat sie ihre Auferstehung gefeiert und spielt eine interessante Rolle wenn es um die Parallelwelten geht.
Albert Einstein mag sich zwar kurzfristig geirrt haben, als er unbedingt ein statisches Universum haben wollte. Aber er war immer noch ein großes Genie und das merkt man auch in einem Brief den er 1917 an Willem de Sitter schrieb:
“Aber egal, eines ist sicher. Die allgemeine Relativitätstheorie erlaubt die Einführung einer kosmologischen Konstante in die Feldgleichungen. Eines Tages wird unser Wissen über den Fixsternhimmel, die Bewegung dieser Sterne und die Positionen der Spektrallinien in Abhängigkeit von der Entfernung weit genug fortgeschritten sein um empirisch entscheiden zu können ob die kosmologische Konstante gleich Null ist oder nicht.”
Wie üblich hatte Einstein Recht. Dieser Tag kam im Jahr 1998 als Wissenschaftler genau das taten, worüber Einstein 81 Jahre zuvor spekuliert hatte: sie maßen die Entfernung von Galaxien und untersuchten deren Spektrallinien um so auf ihre Geschwindkeiten schließen zu können. Da wir am Himmel nicht nur in die Ferne sondern immer auch in die Vergangenheit blicken, können wir so feststellen, wie schnell sich das Universum früher ausgedehnt hat. Was hat das jetzt mit der kosmologischen Konstante zu tun? Die hat Einstein ja deswegen eingeführt, um der Gravitationskraft entgegenzuwirken. Er wollte ja einen statischen Kosmos haben. Die Gravitationskraft der im All enthaltenen Masse will das Universum zusammenziehen und die kosmologische Konstante stellte nun eine Kraft dar, die der Gravitation entgegenwirkt. Sie ist gewissermassen eine Eigenschaft des Raums selbst; eine Energie, die in jedem Stück Raum steckt. Als nun Brian Schmidt, Saul Permutter und ihre Kollegen 1998 nun untersuchten, wie sich das Universum früher ausgedehnt hatte, erwarteten sie eigentlich zu messen, dass die Expansion immer langsamer wird. Beobachtet haben sie dann das genau Gegenteil: seit etwa 7 Milliarden Jahren expandiert das Universum immer schneller. Ich habe die ganze Geschichte hier im Detail erzählt. Kurz gesagt ist Einsteins kosmologische Konstante wieder aufgetaucht. Im Raum scheint tatsächlich Energie zu stecken. Die kosmologische Konstante ist nicht gleich Null sondern hat einen positiven Wert (es ist allerdings noch nicht völlig klar, ob sich die dunkle Energie tatsächlich wie die kosmologische Konstante verhält oder doch anders – aber bis jetzt sieht alles danach aus)
Diese Entdeckung der dunklen Energie gehört zu den überraschendsten und spekulärsten Entdeckungen in der Astronomie. Bis dahin waren alle fest davon überzeugt, dass die kosmologische Konstante den Wert Null haben muss. Grund dafür war wieder einmal die Quantenmechanik. Es ist zwar schön und gut einfach so zu behaupten, im Raum würde Energie stecken wie Einstein das getan hatte, als er die Konstante einführte. Aber irgendwann muss dann auch ein entsprechender Mechanismus her der erklärt, wo denn diese Energie her kommt. Die Quantenmechaniker konnten bald eine Erklärung liefern. Aus der Heisenbergschen Unschärerelation folgt, dass das Vakuum des Alls nicht völlig leer ist sondern bevölkert von kurzlebigen Teilchen die eben genau wegen der prinzipiellen Unschärfe der Quantenmechanik entstehen können und sofort danach wieder verschwinden. Dieses Quantengebrodel im Vakuum gibt dem Raum eine gewisse Energie und ist kein Hirngespinst der Physiker sondern mittlerweile experimentell nachgewiesen. Die Frage lautet nun: wieviel Energie steckt im Raum? Und genau da wird es kritisch. Das ganze spielt sich auf extrem kleinen Skalen ab und die Energien der virtuellen Teilchen die kurzfristig im Vakuum auftauchen können so groß werden, dass man zu ihrer korrekten Beschreibung auch die Gravitation berücksichten muss. Kleine Skalen und Gravitation: das geht nicht gut denn uns fehlt immer noch eine Quantentheorie der Gravitation. Wenn man vorerst einfach mal alle Beiträge ignoriert die sich auf Skalen unterhalb der Plancklänge abspielen, dann kann man allerdings einen konkreten Wert für die Energie im Raum berechnen. Der lässt sich dann mit dem vergleichen, was man durch die Messungen der dunklen Energie kannte.
Das Ergebnist wohl die bisher spektakulärste Abweichung zwischen Theorie und Experiment die in der Wissenschaft je aufgetreten ist. Die Beobachtungen sagen uns, dass die dunkle Energie einem Massenäquivalent von 10-29 Gramm pro Kubikzentimeter Raum entsprecht. Die Theorie der Quantenfluktuationen sagt einen Wert von 1094 Gramm pro Kubikzentimer vorher. Tja… eine Diskrepanz von mehr als 100 Größenordnungen sieht man in der Physik tatsächlich nicht oft. Ganz offensichtlich stimmt hier also irgendwas nicht. Der Fehler kann nicht wirklich bei den Messungen liegen. Wenn die kosmologische Konstante tatsächlich wesentlich größer als Null wäre, dann hätte man das sofort gemerkt. Die Probleme liegen ganz klar auf der theoretischen Seite. Die meisten Physiker gingen immer davon aus, dass wir noch nicht ausreichend Bescheid wissen, um die Gesamtenergie der Vakuumfluktuationen tatsächlich berechnen zu können. Da wir keine Quantentheorie der Gravitation haben, fehlen uns vermutlich wesentliche Informationen. Die Stringtheorie zum Beispiel ist eine Quantentheorie der Gravitation und sie sagt einen ganzen Schwung neuer Teilchen vorher. Jedes bekannte Elementarteilchen hat einen bisher unbekannten Partner. Diese Supersymmetrie hat weitreichende Auswirkungen. Unter anderem würden sich bei den Vakuumfluktuationen die Beiträge von einem Teilchen und seinem supersymmetrischen Partner gegenseitig auslöschen und am Ende bliebe nichts mehr übrig. Die kosmologische Konstante wäre demnach Null, genauso wie man bisher immer dachte. Mittlerweile wissen wir aber, dass die Supersymmetrie nicht völlig perfekt sein kein. Die Partnerteilchen müssen schwerer als die bekannten Teilchen sein, sonst hätten wir sie schon längst entdeckt. Und damit ist auch die Auslöschung nicht komplett und die kosmologische Konstante verschwindet nicht. Uns fehlt aber immer noch die richtige Physik um die Theorie der Quantenfluktuationen mit den tatsächlichen Messungen zur dunklen Energie in Einklang zu bringen.
Ein ganz anderer Ansatz zur Lösung dieses Problems – und mit ihm die Parallelwelten – kommt von Nobelpreisträger Steve Weinberg. 1987 – also lange vor der Entdeckung der dunklen Energie – veröffentlichte er einen Artikel der erklärt, warum die kosmologische Konstante nicht gleich Null, aber auch nicht sehr groß sein kann. Denn rechnet man die Werte in die für dieses Problem natürlicheren Planck-Einheiten um, dann beträgt der Wert der kosmologischen Konstante nur 10-123. Also
0,0000000000000000000000000000000000000000000000000000
000000000000000000000000000000000000000000000000000000
00000000000000001
anstatt 0. Eine enorm geringe Abweichung aber eine höchst relevante. Und Weinberg meinte erklären zu können, warum das so ist. Seine Arbeit trug den Titel “Anthropic bound on the cosmological constant” und benützt das berühmt-berüchtigte “anthropische Prinzip”. Viele halten es für dumm oder trivial. Aber im Prinzip ist es nichts anderes als eine Denkweise die einen davor bewahrt, dumme Fragen zu stellen. Wenn ein Zoologe die Verbreitung der Forellen untersuchen will, dafür aber nur Feldforschung in der Sahara anstellt, dann könnte das am Ende zur Frage “Warum sind die Forellen ausgestorben?!” führen. Diese Frage ist allerdings dumm, weil die Suche in der Wüste per definition nicht zum Fund von Forellen führen kann. Ebenso könnte man sich die Frage stellen: “Warum ist die Erde genau 150 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt?”. Den physikalischen Gesetzen nach könnte die Erde genauso gut nur 10 Millionen Kilometer oder aber 10 Milliarden Kilometer entfernt sein. Warum ist sie also genau da wo sie ist? Auch das ist eine dumme Frage. Allein die Tatsache das wir als Lebewesen diese Fragen stellen können setzt voraus, dass die Erde Leben ermöglicht. Damit wird gleichzeitig voraus gesetzt, dass die Erde nicht zu nah und nicht zu fern der Sonne ist weil es sonst kein flüssiges Wasser gäbe. Die Frage “Warum ist die Erde dort wo sie ist” ist also eine, die wir vernünftiger Weise gar nicht erst stellen sollten weil sie nur auf einem Auswahleffekt basiert und physikalisch keinen tieferen Sinn hat. Die Erde ist da wo sie ist weil wir sonst gar nicht da sein könnten um diese Frage zu stellen. Natürlich, wenn die Erde der einzige Planet im Universum wäre, dann würde die Frage immer noch einen gewissen Sinn haben. Aber wir wissen ja mittlerweile dass das Universum und unser Sonnensystem voller Planeten ist. Auf einigen ist Leben möglich auf anderen nicht. Und zwangsläufig müssen wir fragestellenden Lebewesen auf einem aus der ersten Gruppe sein.
Steve Weinberg hat dieses anthropische Prinzip auf das Universum insgesamt und die kosmologische Konstante angewandt. Denn der genaue Wert der Konstante hat Auswirkungen auf das was im Universum vorgeht. Je nachdem wie schnell oder langsam sich das Universum ausdehnt, können sich darin Galaxien und damit Sterne, Planeten und Leben bilden oder nicht. Weinberg fand heraus, dass die Konstante nicht wirklich viel größer sein durfte als 10-121 (in Planck-Einheiten) ansonsten würde es im Universum kein Leben geben. wir sind also in der gleichen Situation wie bei der Frage nach dem Abstand der Erde: Zu fragen, warum die kosmologische Konstante genau den Wert hat, den sie hat macht wenig Sinn. Hätte sie nicht den Wert den sie hat, dann wären wir nicht da um die Frage zu stellen. Aber halt: das anthropische Prinzip konnte die Sache mit der Entfernung der Erde nur deswegen befriedigen lösen, weil das Universum voller verschiedener Planeten mit allen möglichen Abständen von ihrem Stern ist. Weinbergs Argument mit dem anthropischen Prinzip bleibt solange unvollständig solange wir nicht eben so viele Universen haben, in denen all die verschiedenen Wert der kosmologischen Konstante verwirklicht sind. Glücklicherweise kann die Stringtheorie hier helfen.
Es wurde ja schon früher erwähnt, dass die Stringtheorie 7 zusätzliche Extradimensionen des Raums voraussetzt. Soviel ist klar – allerdings weiß man nicht, welche exakte Form diese Dimensionen haben sollen. Früher dachte man, es nur mit ein paar dutzenden; höchstens tausenden möglichen Formen zu tun zu haben. Irgendwann würde man die passenden gefunden haben. Als man dann im Zuge der Entwicklung der M-Theorie die Gleichungen besser verstand, sah man allerdings, dass es deutlich mehr mögliche Formen gibt. Viel mehr. Sehr viel mehr. Die Extradimensionen können unvorstellbare 10500 verschiedene Formen annehmen! Jede dieser möglichen Formen liefert ein anderes Universum mit anderen physikalischen Eigenschaften und es ist noch völlig unklar, welche Wahl der Dimensionen unser Universum liefert. Diese Situation ist für viele Physiker äußerst unbefriedigend. Was nützt eine Theorie, die 10500 verschiedene Möglichkeiten bietet, unser Universum zu beschreiben aber nichts darüber sagen kann, wie man aus all diesen Möglichkeiten diejenige bestimmt, die richtig ist? Wir wären dann wieder bei einem analogen Problem wie weiter oben: Warum soll man gerade diese Form der Extradimensionen wählen wo doch alle anderen physikalisch genau so erlaubt sind? Eben!, sagen anderen Physiker. Sie sehen die Unzahl der Möglichkeiten – die “Landschaften der Stringtheorie” – nicht als Problem sondern als Chance. All diese Formen beschreiben unterschiedliche Universen mit unterschiedlichen Eigenschaften und all diese Universen sind tatsächlich existent. Wir leben dann eben in genau dem dass die passenden Eigenschaften hat um Leben hervor zu bringen. Das ist nicht nur reines Wunschdenken. Man kann im Rahmen der Springtheorie zeigen, dass die verschiedenen Möglichkeiten tatsächlich alle verwirklicht werden. Ich will nicht ins Detail gehen (ein bisschen lesen sollt ihr das Buch ja auch noch). Aber so wie der Tunneleffekt in der Quantenmechanik dafür sorgen kann, dass ein Teilchen eine scheinbare unüberwindbare Barriere doch irgendwann durchquert kann man auch zeigen, dass sich ein Universum dank des Tunneleffekts spontan von einer zur anderen Möglichkeit verändern kann. Dabei wird nicht das gesamte Universum von einem Moment auf den anderen “umgepolt” sondern es beginnen sich in einer kleinen Region die Form der Extradimensionen zu ändern. Diese Region dehnt sich aus (das äußere Universum dehnt sich allerdings schneller aus; es besteht also keine Gefahr dass es komplett verschluckt wird) und wird immer größer. Das gleiche kann immer wieder und wieder geschehen sodaß man viele verschiedene, verschachtelte Universen mit verschiedenen Eigenschaften hat.
Wenn wir wieder zurück zum Käse-Universum aus dem früheren Kapitel gehen, dann ergibt sich nun ein wesentlich komplexeres Bild. Die Löcher im “Käse” sind nicht einfach nur mehr Blasenuniversen sondern bestehen aus unzähligen ineinander verschachtelten Universen (und in jedem von ihn kann wieder ein Vielzahl an “Steppdecken-Multiversen” stecken). Jedes von ihnen hat andere Eigenschaft, unter anderem auch eine unterschiedliche kosmologische Konstante. Und wir Menschen leben eben genau dort, wo wir leben können. Briane Greene beendet das Kapitel mit einer berechtigten Frage: “Ist das noch Wissenschaft?”. Die Antwort gibts im nächsten Teil!
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