Dieser Text ist eine Besprechung eines Kapitels aus dem Buch “The Hidden Reality: Parallel Universes and the Deep Laws of the Cosmos” von Brian Greene. Links zu den Besprechungen der anderen Kapitel finden sich hier
In den bisherigen Kapiteln hat sich Greene mit Multiversen beschäftigt auf die Wissenschaftler im Zuge ihrer Arbeit und bei der Interpretation wissenschaftlicher Theorien gestoßen sind. Jetzt schlägt Greene eine andere Richtung ein. Anstatt zu fragen ob die Naturgesetze ein Multiversum zulassen oder sogar verlangen, können wir uns ja auch überlegen, ob vielleicht wir selbst irgendwann einmal ein neues Universum erschaffen können.
Natürlich können wir das nicht. Jedenfalls nicht Heute. Aber wir können ja spekulieren, ob unsere Nachkommen vielleicht erfolgreicher sein könnten. Jetzt mal abgesehen von diesen technischen Problemen: ist es physikalisch überhaupt möglich, ein neues Universum zu erschaffen? Nun, ein Universum muss aus irgendwas bestehen. Unser Universum ist voll mit Zeug: Planeten, Sterne, Galaxien, dunkle Materie, usw. Wo nehmen wir das ganze Material für ein neues Universum her? Müssen wir wirklich Unmengen an Materie zusammen tragen, wenn wir ein neues Universum basteln wollen?
Glücklicherweise nicht: nach dem Urknall entstand die Materie aus der Energie des Inflaton-Feldes (ich habe das hier schon mal genauer erklärt). Wir brauchen also gar nicht so viel Materie, wir brauchen nur ein Inflaton-Feld mit ausreichender Energie. Und wo nehmen wir die her? Von der Gravitation! Und wo holt die sich die Energie? Jetzt wird es ein wenig knifflig. Gravitation hat einen quasi unerschöpflichen Energievorrat zur Verfügung. Wenn ich von einem Hochhaus springe, dann falle ich immer schneller und schneller. Meine Bewegungsenergie wird immer mehr anwachsen. Und wenn mein Fall nicht irgendwann ziemlich abrupt gebremst wird, dann könnte das immer so weiter gehen. Ich kann das Gravitationskonto quasi beliebig überziehen (und nur hoffen, dass ich die Energie nicht irgendwann zurückzahlen muss um aus dem gigantischen Loch in das ich gesprungen bin wieder rauszuklettern…). Das Inflaton-Feld holt sich also seine Energie bei der Expansion direkt von der Gravitation und kann daher jede Menge Materie erzeugen. Alles was wir brauchen ist ein kleines Dingens, ungefähr 10 -26 cm groß und befüllt mit einem Inflaton-Feld dessen Energie einer Masse von 10 Gramm entspricht. Dieses Universum-Saatkorn wird sich dann wahnsinnig schnell ausdehnen, es wird ein neues Universum entstehen gefüllt mit Materie, so wie unser eigenes.
Natürlich haben wir keine Ahnung wie man so ein Saatkorn für ein Universum herstellt, aber wer weiß, vielleicht kriegen das ja die klugen Leute in der Zukunft raus. Die Frage ist nur: Was hätten wir dann von diesem neuen Universum? Wenn wir es tatsächlich herstellen können, dann könnten wir es vermutlich nie untersuchen. Denn – und das hat man jetzt schon ausgerechnet – so ein neues Universum kann sich nicht in unserem Universum ausbreiten (das liegt an den Druckverhältnissen der unterschiedlichen Räume). Das heißt, das neue Universum würde sich seinen eigenen Raum schaffen, sich quasi abkoppeln – und für uns würde das Ganze aussehen wie ein schwarzes Loch. Aber vermutlich wird es mit dem Universum aus dem Labor sowie so nichts werden, denn damit die Expansion des neuen Universums überhaupt losgeht, braucht es erst mal einen passenden Anstoß. Das muss ein enorm energiereiches Ereignis sein, eines von dem sich bisher niemand vorstellen kann wie das funktionieren soll. Vielleicht könnten magnetische Monopole als Katalysatoren wirken – aber auch deren Existenz ist bestenfalls ungewiss.
Die Erschaffung eines realen Universums scheint also eher unmöglich zu sein. Aber wie wäre es mit einem virtuellen Universum? Die Frage ist ja ein philosophischer Klassiker: Können wir sicher sein, das unsere Welt real ist und keine ausgeklügelte Simulation? Oder anders gefragt: Woher wissen wir dass wir nicht in der Matrix leben? Nun, wir wissen es nicht…
Wenn man über dieses Thema nachdenkt dann kommt man schnell in des Teufels Küche. Wenn alles nur eine Simulation ist, über die ich keine Kontrolle habe, dann kann ich mich auch gleich von der Logik verabschieden. So kommen wir nicht wirklich weiter, also tun wir jetzt einfach mal so, als wüssten wir, das unsere Welt real und keine Simulation ist. Und überlegen wir uns, ob wir selbst eine virtuelle Welt schaffen können. An der Computerpower wird es wohl nicht scheitern. Aktuelle Schätzungen vergleichen die Rechenleistung des menschlichen Gehirns mit der Leistung von ein paar hundert Supercomputern. Mit der Weiterentwicklung der Computer werden diese Zahlen schnell sinken und sollten wirklich einmal Quantencomputer zum Standard werden, dann läuft ein simuliertes Hirn vielleicht bald auf einem einzelnen Rechner.
Die Computer sind also nicht das Problem – eher schon die Praxis: Wie kriegt man einen virtuellen Menschen vernünftig simuliert? Auch hier gibt es jede Menge Projekte ( Projekt „Blue Brain”). Im Vergleich zum „echten”, physikalischen Universum ist die Simulation einer virtuellen Welt nicht allzu weit her geholt. Wenn das also möglich scheint, dann bleibt wieder die Frage von vorhin: wie können wir ausschließen, das wir in einer Simulation leben? (Das Thema und die entsprechende Aussagen des Philosophen Nik Bostrom waren ja schon einmal Anlaß für eine heftige Diskussion hier im Blog).
Eine Simulation läuft immer Gefahr, Rundungsfehler auf zubauen, denn eine Simulation kann die Realität immer nur mit diskreten Zeitschritten annähern. Das würde sich auch in simulierten Universen bemerkbar machen. Wenn wir seit Jahrhunderten messen, dass die Lichtgeschwindigkeit 299792,458 km/s beträgt und dann neue Messungen einen anderen Wert liefern – dann könnte das ein Hinweis auf eine Simulation sein in der Rundungsfehler überhand nehmen. Aber natürlich kann der allmächtige Programmierer auch einfach das Programm zurücksetzen und das Gedächtnis der simulierten Menschen löschen. Wir werden wohl warten müssen, bis wir tatsächlich in der Lage sind, virtuelle Universen zu schaffen, deren Bewohner dann vielleicht wieder eigene Simulationen kreieren). Denn dann stellt sich nämlich eine weitere Frage: Wie wahrscheinlich ist es, das gerade WIR die einzige reale Welt sind? Ist wirklich gerade UNSER Universum so besonders? Oder wäre es nicht logischer anzunehmen, das wir nicht besonders sind – sondern auch nur eine virtuelle Welt von vielen?
Das letzte Multiversum, das Greene vorstellt ist das, das ich am blödesten finde 😉 Es nennt sich „Ultimatives Multiversum” und geht auf philosophische Überlegungen von Robert Nozick zurück. Es lässt sich zumindest einfach erklären: Das ultimative Universum besteht aus allen Universen die man sich ausdenken kann. Ein Universum in dem die Stringtheorie korrekt ist, eines in dem sie falsch ist, ein Universum das nur aus Schmelzkäse besteht: sie alle sind Teil des ultimativen Multiversums. Es würde auch die alte Frage von Leibniz beantworten: „Warum gibt es etwas und nicht Nichts?” Nun, laut ultimativen Universum gibt es ALLES, auch ein Universum, das „Nichts” ist.
Das ist zwar spannend, wenn man darüber nachdenkt – aber auch irgendwie unbefriedigend. Warum soll das so sein? Das ultimative Multiversum – ein Gegensatz zu den anderen Multiversen die wir bisher kennen gelernt haben – erklärt nichts. Es sagt einfach nur: Im Multiversum ist alles möglich, wir brauchen daher nicht zu fragen, warum unser Universum so ist, wie es ist. Greene führt die Idee aber trotzdem weiter. Mathematik! Vielleicht ist Mathematik nicht einfach nur die Sprache, mit der sich das Universum beschreiben lässt. Vielleicht ist Mathematik die Realität. Klingt seltsam und Greene bringt ein Beispiel. Als Samuel Johnson einmal von Bischof Berkeley gefragt wurde, wie er sicher sein konnte, das er sich die Welt nicht einfach nur einbildet. Johnson trat gegen einen Stein und meinte das wäre seine Antwort. Das hätte aber genau so funktioniert, wenn Johnson und Berkeley in einer Simulation leben würden. Müssen wir die Simulation aber tatsächlich ablaufen lassen? Die Grundlage der Simulation ist Mathematik und das einzige, was beim Simulieren passiert, ist die Veränderung einiger Bits im Computer. Das braucht es aber nicht wirklich. Johnson, Berkeley und der Stein stecken direkt in der Mathematik! Die ganze Simulation ist nur das Erleben dieser Mathematik.Oder, wie Greene sagt: Realität ist, wie Mathematik sich anfühlt. Und das ultimative Universum folgt einfach direkt aus dieser Überlegung.
Naja – mich überzeugt das ultimative Multiversum nicht. Und auch die Frage nach der Matrix macht mir momentan keine großen Probleme. Auch Greene sagt zum Abschluss des Kapitels:
„Solange mir nicht der Atem wegbleibt weil ich eine Simulation mit Bewusstsein sehe, mache ich mir keine ernsthaften Gedanken, ob ich selbst eine bin.”
Kommentare (73)