Segue 1 ist eine kleine Zwerggalaxie die gravitativ an unsere Milchstraße gebunden ist. Sie ist – für eine Galaxie – relativ nahe: von der Sonne ist sie etwa 23000 Parsec bzw. 75000 Lichtjahre entfernt. Das ist aber nicht das, was sie bemerkenswert macht. Schon 2008 fanden die Wissenschaftler heraus, dass Segue 1 enorm dunkel ist. Sehr dunkel. Viel dunkler als sie sein dürfte! Das sich in den Galaxien mehr Material befindet als das, was wir in Form von leuchtenden Sternen und leuchtenden Gas sehen können, wissen wir ja schon lange. Da muss auch noch eine andere Form der Materie sein, die zwar gravitativ wechselwirkt, aber nicht elektromagnetisch und deswegen kein Licht abgibt oder reflektiert: also dunkel ist. Segue 1 scheint nun von allen bisher vermessenen Galaxien diejenige zu sein, die im Verhältnis zur Menge ihrer Sterne die meiste dunkle Materie enthält. Sie ist das “Herz der Finsternis”1.
Die ersten Ergebnisse über die dunkelste aller Galaxie wurden schon 2009 veröffentlicht. Aber wie das so ist mit interessanten und spektakulären Ergebnissen gibt es manche, die nicht überzeugt sind und es ist generell eine gute Idee, mehr und bessere Daten zu sammeln. Genau das haben Marla Geha von der Yale University und ihre Kollegen gemacht. Sie haben das Keck-Teleskop auf Hawaii benutzt um nochmal ganz genau hinzusehen. Es war vor allem wichtig, die Geschwindigkeiten der Sterne exakt zu messen. Somit konnte man erst mal sicher stellen, dass Segue 1 tatsächlich eine eigene Galaxie ist (dann müssen sich die Sterne ja als Gruppe bewegen), eine Messung der Geschwindigkeit zeigt aber auch, wie viel Masse in der Umgebung vorhanden ist. Daraus kann man dann Informationen über die dunkle Materie ableiten.
Passend zum Herz der Finsternis wurden die Geschwindigkeitsmessungen mit DEIMOS durchgeführt. Deimos (Schrecken) ist gemeinsam mit seinem Bruder Phobos (Furcht) der Begleiter des Kriegsgottes Mars in der griechischen Mythologie. An der Keck-Sternwarte steht Deimos allerdings für “DEep Imaging Multi-Object Spectrograph” und bezeichnet ein spezielles Spektrometer mit dem sich mehrere Objekte gleichzeitig vermessen lassen. Segue 1 besteht aus etwa 1000 sichtbaren Sternen. Wenn an der Zwerggalaxie nicht mehr dran wäre als das, dann sollten sich diese Sterne alle mit annähernd der gleichen Geschwindigkeit bewegen. Das tun sie aber nicht! Die Messungen von Marla Geha und ihren Kollegen zeigen, dass manche dabei sind, die sich mit flotten 224 Kilometern pro Sekunde bewegen während andere nur 194 Kilometer pro Sekunde drauf haben (im Vergleich zur Milchstrasse). Diese Variation in der Geschwindigkeit kann man nur erklären, wenn es in Segue 1 noch jede Menge Masse gibt, die die Sterne auf diese Geschwindigkeiten beschleunigt. Masse, die man offensichtlich nicht sehen kann. Dunkle Materie. Die Astronomen haben berechnet, dass die Gesamtmasse von Segue 1 600000 Sonnenmassen betragen muss! Sehen können wir davon aber nur knapp 1000 Sonnenmassen – fast die gesamte Masse der Galaxie ist also unsichtbar!
Ein paar Sterne von Segue 1 sind außerdem noch extrem alt. Die Forscher haben nachgesehen, aus welchen Elementen die Sterne bestehen und fanden bei einigen extrem geringe Mengen an Eisen und anderen schweren Elementen. Das bedeutet, dass sie früher als alle anderen entstanden sein müssen. Denn die schweren Elemente gab es ja nach dem Urknall noch nicht. Da entstanden nur Wasserstoff und Helium. Erst als die ersten Sterne in ihrem Inneren schwere Elemente fusionierten und nach ihrem Tod als Supernova ins All pusteten, standen sie anderen Sternen – wie unserer Sonne – zur Verfügung. Sterne mit so geringen Mengen wie man sie bei Segue 1 gefunden hat, kennt man bis jetzt noch kaum. Knapp 30 dieser primitiven Sterne kennt man bisher insgesamt; die drei die bei Segue 1 entdeckt wurden machen also schon ein Zehntel aller bekannten Objekte aus.
Segue 1 ist also ein spannendes Forschungsobjekt. Auch andere Teleskope richten sich auf diese Galaxie. Wenn es dort wirklich so viel dunkle Materie gibt, dann könnte man von dort auch einen Überschuß an Röntgenstrahlung beobachten den die Teilchen der dunklen Materie verursachen wenn sie mit ihren Antiteilchen kollidieren. Messungen dieser Art wurden in der Vergangenheit schon durchgeführt, teilweise mit vielversprechenden Ergebnissen. Jetzt haben Röntgenteleskope wie FERMI eine neue Chance, die Signale der dunklen Materie vielleicht bei Segue 1 zu identifizieren. Aber bei so entfernten Objekten ist es leider wirklich nur eine kleine Chance denn es ist unklar, ob FERMI stark genug ist die vorhergesagte Gammastrahlung aus Segue 1 zu sehen. Die Astronomen werden auf jeden Fall weitersuchen! Nicht nur nach Gammastrahlung, auch nach anderen dunklen Galaxie wie Segue 1. Sie bieten faszinierende Forschungsmöglichkeiten!
1: Super Einfall der PR-Abteilung der Keck-Sternwarte. Da kann man kaum anders als diese Phrase zu übernehmen 😉
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