Segue 1 ist eine kleine Zwerggalaxie die gravitativ an unsere Milchstraße gebunden ist. Sie ist – für eine Galaxie – relativ nahe: von der Sonne ist sie etwa 23000 Parsec bzw. 75000 Lichtjahre entfernt. Das ist aber nicht das, was sie bemerkenswert macht. Schon 2008 fanden die Wissenschaftler heraus, dass Segue 1 enorm dunkel ist. Sehr dunkel. Viel dunkler als sie sein dürfte! Das sich in den Galaxien mehr Material befindet als das, was wir in Form von leuchtenden Sternen und leuchtenden Gas sehen können, wissen wir ja schon lange. Da muss auch noch eine andere Form der Materie sein, die zwar gravitativ wechselwirkt, aber nicht elektromagnetisch und deswegen kein Licht abgibt oder reflektiert: also dunkel ist. Segue 1 scheint nun von allen bisher vermessenen Galaxien diejenige zu sein, die im Verhältnis zur Menge ihrer Sterne die meiste dunkle Materie enthält. Sie ist das “Herz der Finsternis”1.

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So sieht die Gegend am Himmel aus, in der sich Segue 1 befindet. Wie es sich für eine dunkle Galaxie gehört, kann man sie kaum sehen (Bild: Marla Geha)

Die ersten Ergebnisse über die dunkelste aller Galaxie wurden schon 2009 veröffentlicht. Aber wie das so ist mit interessanten und spektakulären Ergebnissen gibt es manche, die nicht überzeugt sind und es ist generell eine gute Idee, mehr und bessere Daten zu sammeln. Genau das haben Marla Geha von der Yale University und ihre Kollegen gemacht. Sie haben das Keck-Teleskop auf Hawaii benutzt um nochmal ganz genau hinzusehen. Es war vor allem wichtig, die Geschwindigkeiten der Sterne exakt zu messen. Somit konnte man erst mal sicher stellen, dass Segue 1 tatsächlich eine eigene Galaxie ist (dann müssen sich die Sterne ja als Gruppe bewegen), eine Messung der Geschwindigkeit zeigt aber auch, wie viel Masse in der Umgebung vorhanden ist. Daraus kann man dann Informationen über die dunkle Materie ableiten.

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Die grün markierten Sterne wurden vermessen und gehören zu Segue 1 (Bild: Marla Geha)

Passend zum Herz der Finsternis wurden die Geschwindigkeitsmessungen mit DEIMOS durchgeführt. Deimos (Schrecken) ist gemeinsam mit seinem Bruder Phobos (Furcht) der Begleiter des Kriegsgottes Mars in der griechischen Mythologie. An der Keck-Sternwarte steht Deimos allerdings für “DEep Imaging Multi-Object Spectrograph” und bezeichnet ein spezielles Spektrometer mit dem sich mehrere Objekte gleichzeitig vermessen lassen. Segue 1 besteht aus etwa 1000 sichtbaren Sternen. Wenn an der Zwerggalaxie nicht mehr dran wäre als das, dann sollten sich diese Sterne alle mit annähernd der gleichen Geschwindigkeit bewegen. Das tun sie aber nicht! Die Messungen von Marla Geha und ihren Kollegen zeigen, dass manche dabei sind, die sich mit flotten 224 Kilometern pro Sekunde bewegen während andere nur 194 Kilometer pro Sekunde drauf haben (im Vergleich zur Milchstrasse). Diese Variation in der Geschwindigkeit kann man nur erklären, wenn es in Segue 1 noch jede Menge Masse gibt, die die Sterne auf diese Geschwindigkeiten beschleunigt. Masse, die man offensichtlich nicht sehen kann. Dunkle Materie. Die Astronomen haben berechnet, dass die Gesamtmasse von Segue 1 600000 Sonnenmassen betragen muss! Sehen können wir davon aber nur knapp 1000 Sonnenmassen – fast die gesamte Masse der Galaxie ist also unsichtbar!

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Segue 1 in all ihrer dunklen Pracht! Die Vorder- und Hintergrundsterne wurden in diesem Bild ausgeblendet (Bild: Marla Geha)

Ein paar Sterne von Segue 1 sind außerdem noch extrem alt. Die Forscher haben nachgesehen, aus welchen Elementen die Sterne bestehen und fanden bei einigen extrem geringe Mengen an Eisen und anderen schweren Elementen. Das bedeutet, dass sie früher als alle anderen entstanden sein müssen. Denn die schweren Elemente gab es ja nach dem Urknall noch nicht. Da entstanden nur Wasserstoff und Helium. Erst als die ersten Sterne in ihrem Inneren schwere Elemente fusionierten und nach ihrem Tod als Supernova ins All pusteten, standen sie anderen Sternen – wie unserer Sonne – zur Verfügung. Sterne mit so geringen Mengen wie man sie bei Segue 1 gefunden hat, kennt man bis jetzt noch kaum. Knapp 30 dieser primitiven Sterne kennt man bisher insgesamt; die drei die bei Segue 1 entdeckt wurden machen also schon ein Zehntel aller bekannten Objekte aus.

Segue 1 ist also ein spannendes Forschungsobjekt. Auch andere Teleskope richten sich auf diese Galaxie. Wenn es dort wirklich so viel dunkle Materie gibt, dann könnte man von dort auch einen Überschuß an Röntgenstrahlung beobachten den die Teilchen der dunklen Materie verursachen wenn sie mit ihren Antiteilchen kollidieren. Messungen dieser Art wurden in der Vergangenheit schon durchgeführt, teilweise mit vielversprechenden Ergebnissen. Jetzt haben Röntgenteleskope wie FERMI eine neue Chance, die Signale der dunklen Materie vielleicht bei Segue 1 zu identifizieren. Aber bei so entfernten Objekten ist es leider wirklich nur eine kleine Chance denn es ist unklar, ob FERMI stark genug ist die vorhergesagte Gammastrahlung aus Segue 1 zu sehen. Die Astronomen werden auf jeden Fall weitersuchen! Nicht nur nach Gammastrahlung, auch nach anderen dunklen Galaxie wie Segue 1. Sie bieten faszinierende Forschungsmöglichkeiten!


1: Super Einfall der PR-Abteilung der Keck-Sternwarte. Da kann man kaum anders als diese Phrase zu übernehmen 😉

Kommentare (38)

  1. #1 SCHWAR_A
    2. August 2011

    Sehr interessant!

    Wie schließt man eigentlich auf die Gesamtmasse der Zwerggalaxie? Über ihre Entfernung und ihre mittlere Geschwindigkeit bzgl. der Milchstraße, denke ich – richtig?

    Alternativ ermittelt man die Gesamtmasse der Zwerggalaxie durch die Einzelbewegungen der beteiligten Sterne bzgl. ihres Baryzentrums, oder?

    Wurden beide Methoden angewandt und gibt es dabei eine Diskrepanz?

  2. #2 Horatiorama
    2. August 2011

    Jetzt wissen wir es: Schwarze Materie besteht aus Elfenbein!!1! Aber davon abgesehen: Ein ungeheuer spannendes Feld. Nur zum Verständnis: Dunkle Materie emittiert Gammastrahlung? Ich denke, die heißt u.a. so, weil sie nicht strahlt?

  3. #3 Florian Freistetter
    2. August 2011

    @Schwar_A: “Wie schließt man eigentlich auf die Gesamtmasse der Zwerggalaxie?”

    Das sollte doch eigentlich im Artikel stehen? Hab ichs schlecht erklärt? Man misst die Bewegung der Sterne. Diese Bewegung hängt von der Gesamtmasse der Galaxie ab. Dann vergleicht man das mit der Masse die man sehen kann. Wenn es einen Unterschied gibt, dann muss es dort dunkle Materie geben.

  4. #4 Florian Freistetter
    2. August 2011

    @Horatiorama: “Nur zum Verständnis: Dunkle Materie emittiert Gammastrahlung? Ich denke, die heißt u.a. so, weil sie nicht strahlt? “

    Ne, die Materie selbst emittiert nix. Aber wenn ein Teilchen der dunklen Materie mit nem Antitteilchen zusammenstößt, dann wird natürlich auch Energie frei; eben in Form von Gammastrahlung (so wie bei normaler Materie auch).

  5. #5 SCHWAR_A
    2. August 2011

    @Florian Freistetter:

    Dann vergleicht man das mit der Masse die man sehen kann.

    Wie kenne ich die Masse, die ich sehen kann? Doch nur indirekt über deren Bewegungen lokal zum ihnen eigenen Baryzentrum, oder?

    Und dadurch wurden doch zwei verschiedene Methoden verwendet, um dieselbe Masse zu berechnen. Mit Diskrepanz.

    DM liegt üblicherweise lokal um die Zwerggalaxie herum (Halo).
    Da DM nur gravitativ wirkt, erhöht sie eigentlich die Masse der Zwerggalaxie und man müßte daher aus Sicht der Milchstraße genau dieselbe wirksame Masse messen, wie durch die lokale Methode. Das ist aber offensichtlich nicht der Fall.

    Bedeutet das, daß die Massenwirkung von DM nur eine bregrenzte Reichweite hat?

  6. #6 Florian Freistetter
    2. August 2011

    @Schwar_A: “Wie kenne ich die Masse, die ich sehen kann? “

    Na wenn ich zum Beispiel Sterne sehe, die insgesamt die tausendfache Leuchtkraft der Sonne haben, dann kann man daraus schließen, dass sie insgesamt auch die tausendfache Masse der Sonne haben…

    “Bedeutet das, daß die Massenwirkung von DM nur eine bregrenzte Reichweite hat? “

    Die “Massenwirkung” der DM ist ganz normale Gravitation. Und reicht damit unendlich weit.

  7. #7 SCHWAR_A
    2. August 2011

    @Florian Freistetter:

    Danke, ja, das mit der Helligkeit-zu-Masse ist bei mir irgendwie nicht so präsent gewesen…

    …die insgesamt die tausendfache Leuchtkraft der Sonne haben, dann kann man daraus schließen, dass sie insgesamt auch die tausendfache Masse der Sonne haben…

    Bei dieser Zwerggalaxie wurde aber doch ein Faktor 100 bis zu 1000 Sonnenmassen-zu-Sonnenleuchtkraft eingesetzt. Das führt doch zwangsläufig zu höherer Masse. Warum macht man das, das Verhältnis M/L einfach mit einem Faktor zu beaufschlagen?

  8. #8 Florian Freistetter
    2. August 2011

    @Schwar_A: “Bei dieser Zwerggalaxie wurde aber doch ein Faktor 100 bis zu 1000 Sonnenmassen-zu-Sonnenleuchtkraft eingesetzt. “

    Was meinst du? Das versteh ich nicht. Segue 1 besteht aus etwa 1000 sonnenähnlichen Sternen; die sichtbare Masse schätzt man also auf etwa 1000 Sonnenmassen. Die Gesamtmasse beträgt etwa 600000 Sonnenmassen, also 600 mal mehr.

  9. #9 udo
    2. August 2011

    Wenn Segue 1 aus nur 1000 Sternen besteht, kann man dann überhaupt noch von einer richtigen (Zwerg-)Galaxie sprechen? Bzw. wie grenzt man ab zwischen “ausgewachsenen” Galaxien, Zwerggalaxien, Kugelsternhaufen und anderen Ansammlungen von Sternen? Spielt dabei neben der Anzahl/Gesamtmasse der Sterne auch die Form des Objekts, die Menge an dunkler Materie, die Entstehungsgeschichte oder das gravitative Gebundensein an ein größeres Objekt eine Rolle?

  10. #10 SCHWAR_A
    2. August 2011

    @Florian Freistetter:

    Im verlinkten 2008-Papier ist dieser Faktor 100 bis 1000 M_S/L_S beschrieben, aber ohne weitere Erklärung, nur, daß es wohl für “ultrafaint dSphs” so einen Faktor braucht…

  11. #11 Florian Freistetter
    2. August 2011

    @Schwar_A: “: Im verlinkten 2008-Papier”

    Ja, jetzt gehts aber um die aktuellen Messungen. Der “Faktor” von dem du sprichst ist kein “Faktor” zur Massenbestimmung. Sondern das “Mass/Light-Ratio”, also das Verhältnis von Masse zu sichtbarer Masse. Im aktuellen Fall: Masse=600000, sichtbare Masse=1000; als M/L=600.

  12. #12 Florian Freistetter
    2. August 2011

    @udo: Die Abgrenzung ist knifflig. So klar sind die Grenzen nicht. Aber wenn das Ding 600000 Sonnenmassen schwer ist, dann muss man schon von Zwerggalaxie sprechen oder einem sehr massiven Kugelsternhaufen.

  13. #13 Wolf
    2. August 2011

    Das letzte Bild ist schön! Musste erst mal meinen Monitor putzen, um festzutellen, ob die Punkte nicht doch Flecken auf meinem Monitor sind 😉

    Sehr interessantes Thema

  14. #14 SCHWAR_A
    2. August 2011

    @Florian Freistetter:

    M wird durch die Zwerggalaxie-lokalen Bewegungen ermittelt, L bei uns gemessen und dabei “mass-follows-light” angenommen, also eigentlich Faktor ~1.
    Im 2008-Papier wird auch genau dieses hohe M/L als besonders “dark matter dominated” bezeichnet, Masse, die nicht im L enthalten ist. Das hat sich ja nicht geändert seit 2008.

    Man beobachtet für alle kleinen Systeme (liegt der Grenz-Radius bei etwa 30pc ?) einen derart hohen Faktor (~1000). Bei größeren Systemen scheint der Faktor wohl bedeutend kleiner zu sein, so etwa 2 – 10.

    Meine Vermutung ist, daß so ein krasser Unterschied von bis zu 3 Zehner-Potenzen nicht allein durch DM erklärt werden kann, denn sonst muß man erklären können, warum eine große Galaxie sooo viel weniger DM besitzt als eine kleine.

    Also evt. doch sowas wie MOND und seine Ableger?

  15. #15 mr_mad_man
    2. August 2011

    “Wenn es dort wirklich so viel dunkle Materie gibt, dann könnte man von dort auch einen Überschuß an Röntgenstrahlung beobachten den die Teilchen der dunklen Materie verursachen wenn sie mit ihren Antiteilchen kollidieren.”

    Wenn ich das richtig verstehe geht man davon aus, dass die Dunkle Materie aus SUSY-Teilchen besteht (oder bestehen könnte), und so wie es “normale” Materie und Antimaterie gibt, gibt es dann auch SUSY- und Anti-SUSY-Materie. Von der Antimaterie gab es ein bischen weniger als von der normalen Materie. Alle Antimaterieteilchen haben ein normales Materieteilchen gefunden und sind zerstrahlt. Übrig geblieben ist nur normale Materie. Aber warum gibt es heute immer noch Anti-SUSY-Teilchen, die mit SUSY-Teilchen kollidieren und zerstrahlen können? Wenn dieser Vorgang heute immer noch andauert, müsste der Anteil der Dunklen Materie ständig geringer werden. Wenn man Dunkle Materie dafür verantwortlich macht, dass sie mit ihrer Gravitätion Galaxien daran hindert auseinanderzufliegen, müsste es doch auch Galaxien geben die auf Grund der Abnahme der Dunklen Materie dieses Schicksal des Auseinanderfliegens erlitten haben. (?)

  16. #16 Florian Freistetter
    2. August 2011

    @schwar_a: “Man beobachtet für alle kleinen Systeme (liegt der Grenz-Radius bei etwa 30pc ?) einen derart hohen Faktor (~1000). Bei größeren Systemen scheint der Faktor wohl bedeutend kleiner zu sein, so etwa 2 – 10. “

    Ja und? Was ist jetzt die Frage/das Problem? Das alles stimmt mit dem überein, was ich gesagt habe.

    “Bei größeren Systemen scheint der Faktor wohl bedeutend kleiner zu sein, so etwa 2 – 10. Meine Vermutung ist, daß so ein krasser Unterschied von bis zu 3 Zehner-Potenzen nicht allein durch DM erklärt werden kann, denn sonst muß man erklären können, warum eine große Galaxie sooo viel weniger DM besitzt als eine kleine”

    Ich bin kein Experte für Extragalaktik und dunkle Materie. Aber warum soll man das nicht erklären können? Zwerggalaxien sind generell nicht einfach nur kleinere Ausgabe der großen Galaxien sondern eigenständige Himmelsobjekte mit einer ganz anderen Geschichte als den großen Galaxien. Warum solls da keine Unterschiede auch bei der DM geben?

  17. #17 Rike
    2. August 2011

    Ist vielleicht ne doofe Frage, aber ich bin noch Asronomie-Anfängerin 😉
    Befindet sich im Mittelpunkt dieser Zwerggalaxie auch ein schwarzes Loch? Und wenn ja, müsste man das nicht durch die Verzerrung des Lichts einiger Sterne hinter der Galaxie am Ereignishorizont erkennen können?

  18. #18 Florian Freistetter
    2. August 2011

    @Rike: “Befindet sich im Mittelpunkt dieser Zwerggalaxie auch ein schwarzes Loch?”

    Ist keine doofe Frage 😉 Es gibt manche sehr große Kugelsternhaufen, in deren Zentrum sich ein schwarzes Loch befindet. Aber in den kleineren Haufen und Zwerggalaxien gibts keine. Erkennen würde man es weniger durch Lichtverzerrungen sondern eher durch die Umlaufgeschwindigkeit der Sterne in seiner Nähe bzw. die Strahlung die Material aussendet, das gerade in das Loch fällt.

  19. #19 IO
    2. August 2011

    Noch eine dumme Frage eines Astronomie-Laien:

    Wenn einzelne Sterne dort so alt sind, relativ nahe am Urknall, wie kommen die nun in nur 75.000 LJ Entfernung von uns.
    Und ist der Rest der Galaxie viel jünger, hinge damit nicht auch zusammen, wieso in so einer Galaxie so sehr unterschiedlich alte Sterne herumhängen?

    Kann man das verständlich erklären?
    Danke!

  20. #20 murdoc
    2. August 2011

    Da hat sich wahrscheinlich ein Umrechnungsfehler eingeschlichen. 23000 Kiloparsec sind 23000*10^3 Parsec. In Lichtjahren ausgedrückt sind das dann 3,26*23000*10^3 LJ, also ca. 74980000 LJ.

  21. #21 IO
    2. August 2011

    Na ja, OK, aber auch dann sind 75 Mio. LJ Distanz der Galaxis im Vergleich zum hohen Alter einiger Sterne (13 Mrd. Jahre + X) erklärungsbedürftig. Jedenfalls für mich 🙂

  22. #22 Bjoern
    2. August 2011

    @murdoc: Nein, da ist kein Umrechnungsfehler, sondern das “Kilo” stimmt nicht – es sind 23000 Parsec, also 75000 Lichtjahre. Beachte: diese Zwerggalaxie ist gravitativ an die Milchstraße gebunden (1. Satz!), das könnte sie wohl kaum sein, wenn sie 75 Millionen Lichtjahre weit weg wäre…

  23. #23 Bjoern
    2. August 2011

    @IO:

    Wenn einzelne Sterne dort so alt sind, relativ nahe am Urknall, wie kommen die nun in nur 75.000 LJ Entfernung von uns.

    Ich verstehe die Frage nicht so ganz – aber ich vermute mal, sie beruht auf der weit verbreiteten Fehlvorstellung, der Urknall hätte irgendwo weit weg von uns statt gefunden. Das stimmt so nicht – der Urknall hat im Prinzip überall gleichzeitig statt gefunden! (oder anders gesehen: jeder Punkt im Universum ist gleich weit entfernt vom Ort des Urknalls).

    Du kennst doch wahrscheinlich die Ballon-Analogie für die Ausdehnung des Universums, oder?

  24. #24 IO
    2. August 2011

    Danke, Ja, die Ballon-Analogie kenne ich. Soweit so gut.
    Alle Punkte des Ballons sind vom Urknall gleich weit entfernt.
    Was man beobachtet, sind aber doch räumlich und zeitliche Distanzen zugleich.
    Wenn also diese Segue-Galaxy 75.000 entfernt ist, kann sie ja nicht viel jünger/älter sein – in kosmischem Masstab – als unsere: Ihre Materie muss doch auch die 13,7 Mrd Jahre seit dem großen Rumms mit geflogen sein.
    Wie, nun, kommen in diese nahe Galaxie Sterne hinein, die kurz nach dem Urknall entstanden sind.

    Sicher kapiere ich hier irgendetwas Grundlegendes nicht…

  25. #25 Bjoern
    3. August 2011

    @IO: ‘tschuldige für das Missverständnis.

    Wenn also diese Segue-Galaxy 75.000 entfernt ist, kann sie ja nicht viel jünger/älter sein – in kosmischem Masstab – als unsere: Ihre Materie muss doch auch die 13,7 Mrd Jahre seit dem großen Rumms mit geflogen sein.
    Wie, nun, kommen in diese nahe Galaxie Sterne hinein, die kurz nach dem Urknall entstanden sind.

    Solche Sterne gibt’s wohl auch in der Milchstraße – aber da sind sie schwerer zu entdecken, weil sie sich zwischen all den anderen, jüngeren Sternen “verstecken”, würde ich vermuten.

    Neue Sterne entstehen ja oft aus den “Trümmern” von älteren. In der Milchstraße passiert das ständig, deswegen haben wir hier sehr viele jüngere Sterne. Aber wenn’s in dieser Zwerggalaxie so wenig normale Materie gibt, dann könnte ich mir vorstellen, dass da einfach nicht genügend Material so dicht zusammen gepresst wird, dass allzuviel neue Sterne entstehen könnten, wenn ein älterer stirbt. Und deswegen sehen wir da eben fast nur alte Sterne.

    (ich muss dazu sagen: auch ich bin kein Astronom, sondern betreibe das nur als Hobby – aber zumindest für mich klingt die Erklärung plausibel… 😉 )

  26. #26 Wurgl
    3. August 2011

    Ich frage mich, ob diese Segue 1 nicht ein Überrest einer etwas größeren Kleingalaxie ist. Der Rest, der nach mehreren nahen Begegnungen mit unserer Milchstraße übrig geblieben ist.

    In Spektrum der Wissenschaft September/2007 ist ein Artikel der sich mit der Identifizierung von Sternenströmen als Resten von Kleingalaxien beschäftigt. Dort sind 9 solcher Ströme aufgeführt und bei 6 ist die zugehörige Kleingalaxie identifiziert.

    Erkennen kann man dessen Sterne wenn man Geschwindigkeit und/oder chemische Zusammensetzung betrachtet. Man sieht in dem Artikel auch 3 Diagramme zum Sternenstrom der Palomar 5 zugeordnet wird.

    So nebenbei wird in einem Kasten erwähnt, dass man aus der Form/der Verteilung des Sternenstroms auf die Verteilung der Dunklen Materie in der Milchstraße schließen kann. Diese Verteilung soll laut Theorie (welche genau steht dort nicht) ein Ellipsoid bilden, der Sternenstrom von Sagittarius deutet aber auf ein kugelförmige Verteilung hin.

  27. #27 Florian Freistetter
    3. August 2011

    @murdoc: Sorry, das “Kilo” bei den Kiloparsec war falsch; es waren eigentlich 23 kpc; also stimmt das mit 75000 LJ schon.

    @IO: Naja, warum sollen da keine alten Sterne sein? Und in einer Galaxie kann es immer unterschiedlich alte Sterne geben. Das Alter hängt von der Masse ab; je schwerer ein Stern desto schneller brennt er. D.h. die schweren verschwinden schneller und können dann durch die nächste Generation ersetzt werden während die leichten der ersten Generation noch da sind.

  28. #28 Florian W.
    3. August 2011

    Wenn die Galaxie so alt ist, müßten doch auch sehr viele ausgebrannte Sterne da rumfliegen – also baryonische dunkle Materie. Über die Röntengenstrahlung könnte man also dann, das Verhältnis zur nicht-baryonischen dunklen Materie ermitteln. Oder ist die Forschung zur nicht-bary. dunklen Materie schon so weit, dass man weis, dass sie mit Antimaterie wechselwirken?

  29. #29 IO
    3. August 2011

    Florian Freistetter·
    03.08.11 · 09:55 Uhr

    @IO: Naja, warum sollen da keine alten Sterne sein?

    Und in einer Galaxie kann es immer unterschiedlich alte Sterne geben. Das Alter hängt von der Masse ab; je schwerer ein Stern desto schneller brennt er. D.h. die schweren verschwinden schneller und können dann durch die nächste Generation ersetzt werden während die leichten der ersten Generation noch da sind.

    Aha, dann haben diese leichten Sterne seit ihrer Entstehung gebrannt, zu einer Zeit als es noch keine schwereren Elemente gab?

  30. #30 IO
    3. August 2011

    … von damals bis vor ca. 75.000 Jahren.

    Oder ist von ausgebrannten Sternleichen die Rede, die seit Mrd. Jahren in dieser Galaxie mittreiben?
    (ich versuche halt nur mir auf die Angaben einen Reim zu machen)

  31. #31 Wurgl
    3. August 2011

    IO:

    Die Vorstellung ist ungefähr so: Ganz am Anfang ist Wasserstoff (inklusive etwas Deuterium), Helium und wenig Lithium entstanden. Sonst gabs nix.

    Das hat sich zu Sternen verdichtet. Diese Sterne bestehen also nur aus diesem Zeug.

    Dann sind viele dieser Sterne in einer Supernova explodiert, haben ihre erbrüteten Elemente ins All geschleudert und diese erbrüteten Elemente haben sich mit dem Urgas vermischt.

    Sterne die nun entstanden sind, haben bereits einen geringen Anteil an diesen anderen Elementen (Astronomen nennen diese anderen Elemente einfach Metalle).

    Auch diese Sterne sind irgendwann explodiert und haben nochmals das Urgas angereichert.

    usw.

    Kurz gesagt: Je mehr Metalle ein Stern enthält, desto später ist er entstanden. Und den Metallgehalt kann man am Licht bzw. am Spektrum des Lichtes ablesen.

    Der zweite Punkt ist: Je größer ein Stern ist, desto heißer ist er und desto schneller verbraucht er seinen Vorrat an Wasserstoff. Und daraus folgt, dass große Sterne einfach nicht sehr alt sein können. Kleine Sterne müssen nicht unbedingt alt sein, aber nur kleine Sterne können alt sein.

    Die Größe eines Sterns kann man eben auch dadurch erkennen, dass man das Spektrum untersucht. Und aus dem Maximum der Helligkeit der im Spektrum sichtbaren Farben kann man die Temperatur errechnen und daraus die Größe ableiten.

  32. #32 Kallewirsch
    3. August 2011

    Du verzeihst Wurgl, wenn ich mich ganz kurz einmische. Aber IO sagt selbst von sich, gerade erst mit Astronomie angefangen zu haben

    Je mehr Metalle ein Stern enthält

    Bei Metallen darfst du jetzt nicht an Eisen, Aluminium, Kupfer, etc denken. Für Astronomen ist die chemische Welt sehr einfach. Es gibt Wasserstoff, Helium und Metalle. Alles was nicht Wasserstoff oder Helium ist, gehört zu den Metallen. Also auch Kohlenstoff, Sauerstoff etc. etc.

  33. #33 IO
    3. August 2011

    Wurgl·
    03.08.11 · 14:27 Uhr

    Danke für die Zusammenfassung. Das war mir im Prinzip auch bekannt.

    Vielleicht ist es schwer als Nicht-Astronom de Frage so zu formulieren, dass die Fachleute das Verständnisproblem begreifen (denn mehr als ein Verständnisproblem kann es ja nicht sein).

    Nochmals zusammengefasst, wie ich es (offenbar miß)verstehe:

    75.000 LJ von uns entfernt, ist eine Galaxie, in der Sterne enthalten sind, die aus der Frühzeit des Universums stammen.
    In dieser Galaxie gibt es drei Sterne, die extrem alt sein müssen, weil sie kaum Eisen oder schwereres enthalten. Dass (verstehe ich recht?) kann man durch spektroskopische Untersuchung ihres Lichts feststellen. Dass heißt, das diese Sterne auch jetzt noch brennen (OK, bis mindestens vor 75.000 LJ – peanuts).
    Demnach haben diese Dinger doch eine Lebensdauer von 12-13 Milliarden Jahren, oder?

  34. #34 IO
    3. August 2011

    Kallewirsch·
    03.08.11 · 14:59 Uhr

    Bei Metallen darfst du jetzt nicht an Eisen, Aluminium, Kupfer, etc denken. Für Astronomen ist die chemische Welt sehr einfach. Es gibt Wasserstoff, Helium und Metalle. Alles was nicht Wasserstoff oder Helium ist, gehört zu den Metallen. Also auch Kohlenstoff, Sauerstoff etc. etc.

    Danke, ja,
    auch diese Begrifflichkeit in der Astronomie war mir schon bekannt

  35. #35 klauszwingenberger
    3. August 2011

    @ IO:

    Ja, völlig richtig. Es sind metallarme Sterne aus ganz frühen Entstehungspopulationen. Das haben sie mit den Sternen der Kugelsternhaufen gemeinsam.

    Kugelsternhaufen waren lange Zeit ein wichtiger Indikator dafür, welche Werte die Hubble-Konstante jedenfalls nicht annehmen darf – weil die Sterne der Kugelhaufen ansonsten älter sein müssten, als das Universum selbst.

    Letztlich ist das alles eine Frage, wie ökonomisch ein Stern mit seiner Materie umgeht. Je weniger Masse, umso langlebiger, so lautet die Regel. Und die chemische Zusammensetzung besorgt dann das Feintuning.

    Übrigens, zum Thema sehr alte Sterne noch eine interessante Notiz: alle Roten Zwerge, die jemals in unserem Universum entstanden sind, existieren immer noch – dank ihrer geringen Ausgangsmasse. Es geht also…

  36. #36 Wurgl
    3. August 2011

    Ich glaub, da ist eine Begriffsverwirrung. Zum einen sind extrem weit entfernte Objekte alleine schon deshalb alt, weil das Licht vom Zeitpunkt des Aussendens bis es bei uns eintrifft “urlang” braucht.

    Diese Dinger sind einfach alt, weil wir mit der Entfernung eben auch in die Vergangenheit blicken.

    Und dann gibt es eben Sterne die so klein sind, dass ihre Brenndauer durchaus 12 oder 13 Mrd Jahre war und wohl noch ein paar Mrd Jahre andauert.

    Das ist aber eine grundsätzlich unterschiedliche Definition von “alt”.

  37. #37 Bjoern
    3. August 2011

    @IO:

    Dass heißt, das diese Sterne auch jetzt noch brennen …
    Demnach haben diese Dinger doch eine Lebensdauer von 12-13 Milliarden Jahren, oder?

    Ja, das ist die wahrscheinlichste Erklärung.

    Eine andere Möglichkeit (die ich aber nicht für sonderlich wahrscheinlich halte) wäre, dass in dieser Zwerggalaxie einfach die Sterne generell erst sehr spät angefangen haben zu “brennen”. Z. B. könnte es ja vielleicht sein, dass es wegen des nur relativ geringen Anteils an baryonischer Materie einfach lange gedauert hat, bis genügend große Wolken entstanden, die zu Sternen kollabieren konnten.

  38. #38 IO
    3. August 2011

    Danke, Bjoern, Kallewirsch, klauszwingenberger und Wurgl.

    Damit wird mir der Sachverhalt schon mal verständlicher.

    Also, Anfänger in Sachen Astronomie, Kosmologie werde ich schon noch bleiben. Ich freue mich nur, wenn ich ein wenig auf dem Laufenden bleibe, was die KollegInnen der Naturwissenschaften so treiben und worüber nachgedacht wird.