Auch wenn ich prinzipiell nichts dagegen habe, bei der wissenschaftlichen Öffentlichkeitsarbeit auch mal ein bisschen dramatisch und spektakulär zu formulieren, kann man es auch übertreiben. Das hat heute die Presseabteilung des Harvard Center for Astrophysics in dieser Aussendung getan. Sie trägt den Titel “Invisible World Discovered” und natürlich war diese Phrase mit dem “unsichtbaren Planeten” viel zu fantastisch, als das die Medien sie ignorieren hätten können. Der unsichtbare Planet ist also schon durch alle Zeitungen, Blogs und anderweitigen Berichte gezogen – aber trotz allem definitiv nicht unsichtbar! Die Wissenschaft, die dahinter steckt ist aber enorm interessant.
Es geht um die Suche nach extrasolaren Planeten. Dafür gibt es ja viele verschiedenen Methoden die ich hier im Blog alle schon mal erklärt habe. Eine davon ist besonders trickreich, es handelt sich um die Methode der “Transitzeitvariationen”. Das habe ich hier ausführlich erklärt; ich fasse es aber nochmal kurz zusammen.
Manchmal hat man Glück, und ein extrasolarer Planet zieht von der Erde aus gesehen genau vor seinem Stern vorüber und blockiert dabei ein klein bisschen von dessen Licht. Deswegen gibt es Weltraumteleskope wie Kepler oder CoRoT die nichts anderes tun, als ständig die Helligkeit einer Vielzahl von Sternen zu messen und dabei probieren, genau solche charakteristischen Helligkeitsschwankungen zu finden, die auf die Existenz eines Planeten hinweisen. Das funktioniert mittlerweile recht gut, Kepler zum Beispiel hat schon hunderte Planetenkandidaten entdeckt und auch CoRoT ist erfolgreich. Wenn man so einen Planeten einmal gefunden hat, kann man mit ihm interessante Sachen anstellen. Sollte das extrasolare System tatsächlich nur aus einem Stern und einem Planeten bestehen, der ihn umkreist, dann muss diese Umkreisung völlig regelmäßig erfolgen. Von der Erde aus gesehen wird sich der Stern in periodischen Abständen verdunkeln und der Zeitraum, der zwischen den Verdunkelungen liegt, ist immer exakt gleich. Sollte sich aber noch ein zweiter Planet in dem System befinden, dann wird dessen Gravitationskraft die Bewegung des bekannten Planeten stören was dazu führt, dass die Verdunkelungen ein bisschen früher bzw. später als erwartet eintreten. Diesen Effekt nennt man “Transitzeitvariation” und man kann damit neue Planeten entdecken!
Das probieren Astronomen schon länger, aber bisher ist es nicht wirklich gelungen. Meine Kollegen von der Unisternwarte Jena waren letztens Jahr die ersten, die wirklich Fortschritte gemacht haben. Sie haben erstmals zweifelsfrei Transitzeitvariationen eines Exoplaneten gemessen. Allerdings ist es schwierig, genau zu sagen, ob diese Effekte wirklich auf einen Planeten zurück zu führen sind oder vielleicht doch einen anderen Grund haben (Sternflecken, Beobachtungsfehler, etc). Außerdem ist es schwierig, aus der Transitzeitvariation die Eigenschaften eines Planeten abzuleiten. Verschiedene Planeten können, je nach Konfiguration, identische Transitzeitvariationen erzeugen. Hier kann man mit Computersimulationen die dynamischen Eigenschaften der Planeten untersuchen und so weitere Einschränkungn finden die helfen, die möglichen Lösungen einzugrenzen. Genau darüber habe ich kürzlich noch selbst geforscht und demnächst erscheint dazu hoffentlich eine wissenschaftliche Arbeit von mir und meinen Kollegen von der Uni Wien (Ich hatte ja eigentlich auch vor, ausführlich über diese dynamischen Methoden zur Unterstützung der Exoplanetensuche mit Transitzeitvariationen zu forschen, aber die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat meinen Antrag auf Förderung leider abgelehnt…).
Eine Gruppe amerikanischer Wissenschaftler unter der Leitung von Sarah Ballard vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics haben nun kürzlich das erste Mal definitiv einen extrasolaren Planeten durch die Transitzeitvariationen eines anderen Planeten entdeckt. Der Stern um den es geht heisst Kepler 19 und er ist der Sonne ziemlich ähnlich. Er wird von einem Planeten umkreist, der 14 Mal schwerer ist als unsere Erde und für einen Umlauf um den Stern nur wenig mehr als 9 Tage braucht. Alle 9 Tage verdeckt er also auch einen kleinen Teil des Sterns und sorgt für eine winzige Abschwächung des Lichts.
Ballard und ihre Kollegen haben nun sehr viele dieser Vorübergänge gemessen und dabei festgestellt, dass der Planet bis zu 5 Minuten früher bzw. später kommt, als man erwarten würde. Die entsprechenden Abweichungen waren dabei so regelmäßig und eindeutig, dass es kaum eine andere Interpretationsmöglichkeit mehr gibt: Kepler 19 muss noch von einem zweiten Planeten umkreist werden.
Transitzeitvariationen von Kepler-19b. Die x-Achse zeigt die Zeit, die y-Achse die Verspätung in Minuten (Ballard et al 2011)
Im Gegensatz zu den Pressemeldungen ist dieser Planet aber NICHT unsichtbar. Ballard & Co haben ihn einfach nur nicht gesehen. Aber damit unterscheidet er sich kaum von der großen Mehrheit der anderen bekannten extrasolaren Planeten. So gut wie keinen davon haben wir direkt beobachtet, alle Entdeckungen erfolgten nur über indirekte Methoden wie zum Beispiel die mit den Transits, bei denen man aus der Helligkeitsänderung des Sterns auf die Existenz des Planeten schließt. Auch die Methode der Transitzeitvariation ist so eine indirekte Methode. Der entdeckte Planet selbst ist aber natürlich nicht unsichtbar. Er muss nichtmal zwingend besonders dunkel sein – es kann (und wird) sich um einen ganz normalen Planeten handeln, der eben einfach nur nicht direkt beobachtet wurde, was aber nicht im geringsten außergewöhnlich ist.
Noch weiß man nicht viel über den Planeten. Wie ich oben schon geschrieben habe, kann man ohne weitere Informationen nicht genau sagen, wie schwer er ist und auf welcher Bahn er sich befindet. Die Transitzeitvariationen können durch verschiedenste Planeten erklärt werden. Ballard & Co zeigen in ihrer Arbeit einige der Möglichkeiten:
Es könnte ein kleiner Planet sein, der sich nahe am Stern befindet oder ein großer, der weit entfernt ist. Ohne weitere Beobachtungen lässt sich das nicht unterscheiden. Aber das Weltraumteleskop Kepler ist gerade dabei, diese weiteren Beobachtungen zu machen und auch die anderen Astronomen werden sich auf dieses System stürzen. Ich bin zuversichtlich, dass wir bald mehr darüber wissen. Und in ein paar Jahren sind unsere Methoden sicher auch so weit, dass wir eine direkte Aufnahme des Planeten machen können, der dann definitiv nicht mehr “unsichtbar” sein wird.
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