Unser Sonnensystem beinhaltet nicht nur einen Stern und acht Planeten sondern auch Milliarden von Asteroiden. Es gibt sie überall; aber uns auf der Erde interessieren verständlicherweise besonders die erdnahen Asteroiden. Wie der Name vermuten lässt, handelt es sich dabei um Asteroiden, die sich in der Nähe der Erde befinden bzw. in die Nähe der Erde kommen können. Und wenn sie uns nahe kommen können, dann besteht auch die Möglichkeit einer Kollision. So einer drohenden Katastrophe würden wir nicht ganz hilflos gegenüber stehen. Es gibt Möglichkeiten, eine bevorstehende Kollision mit Asteroiden abzuwehren. Ich habe dazu eine kleine Serie an Artikel geschrieben: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5. Der wichtigste Punkt bei der Asteroidenabwehr: Man muss lang genug vorher Bescheid wissen ob sich ein Asteroid auf Kollisionskurs befindet oder nicht! Das geht aber nur, wenn man möglichst viele der erdnahen Asteroiden kennt. Asteroiden zu entdecken war auch das Ziel der NEOWISE-Mission und die ersten Ergebnisse sind äußerst interessant!
NEOWISE steht für “Near-Earth Object WISE” und ist ein spezielles Programm das im Verlauf der Mission des WISE-Satelliten durchgeführt wurde. WISE ist ein Durchmusterungssatellit der NASA. Er hat den ganzen Himmel im Infrarotlicht fotografiert und dabei kamen ihm natürlich auch jede Menge Asteroiden vor die Linse. Bisher haben die Asteroidensuchprogramme vor allem vom Erdboden aus gearbeitet. Dort hat man aber ganz normale Teleskope benutzt, die im sichtbaren Bereich des Lichtspektrums arbeiten. Wenn es um Asteroiden geht, ist das manchmal knifflig. Denn man will ja nicht nur wissen ob da draussen Asteroiden sind, sondern auch wie groß sie sind. Asteroiden sind aber in der Regel nur höchstens ein paar (dutzend) Kilometer groß. Damit sind sie viel zu klein, um in Teleskopen mehr als nur einen Lichtpunkt zu erzeugen. Man muss nun also aus der Helligkeit auf die Größe des Asteroiden schließen. Je heller, desto größer, lautet die Faustregel – aber die kann tückisch sein, denn wieviel Licht ein Asteroid reflektiert hängt nicht nur allein von der Größe ab, sondern auch von seiner Rückstrahlfähigkeit, der “Albedo”. Ein kleiner Asteroid mit hoher Albedo kann genauso hell erscheinen wie ein großer Asteroid mit niedriger Albedo. Und die Albedo lässt sich leider aus der Ferne nicht so einfach bestimmen. Im Infrarotlicht ist das alles etwas weniger kompliziert, der Zusammenhang zwischen Helligkeit und Größe ist direkter. Infrarotstrahlung ist ja nichts anderes als die Wärme, die der Asteroid abgibt. Und die hängt nur von der Größe des Asteroiden ab und nicht von der Albedo. Diese beiden Bilder aus der Pressemitteilung der NASA illustrieren das sehr schön:
Die Größe der Asteroiden genau bestimmen zu können ist wichtig. Denn wir wollen ja auch wissen, wie viele Asteroiden wir noch nicht entdeckt haben. Dazu haben sich die Wissenschaftler erstmal angesehen, wieviele Asteroiden einer gewissen Größe man bisher schon kannte, und wieviel neue von WISE entdeckt wurden. Der Unterschied gibt erste Hinweise auf die Menge der unentdeckten Objekte. Um genau Werte zu erhalten, hat man dann verschiedene künstliche Sonnensystem am Computer simuliert; jedes davon mit einer unterschiedlichen Größenverteilung der Asteroiden. Danach hat man nachgesehen, wie viele dieser künstlichen Asteroiden WISE jeweils entdeckt hätte und hat das mit den realen Ergebnissen verglichen. Am Ende erhielt man so einen ziemlich guten Eindruck von der tatsächlichen Population der erdnahen Asteroiden und weiß jetzt auch, wie viele davon dort draussen noch unentdeckt ihre Bahnen ziehen. Die Ergebnisse sind im Artikel “NEOWISE Observations of Near-Earth Objects: Preliminary Results” von Amy Mainzer und ihren Kollegen veröffentlicht worden.
Insgesamt hat WISE über 157000 Asteroiden registriert. Da sind aber alle Asteroiden inkludiert, nicht nur die erdnahen Objekte und die Mehrheit dieser Asteroiden hatte man auch schon vorher entdeckt. Bei den erdnahen Asteroiden fand man 428 Objekte. 314 davon waren schon früher gefunden worden; 114 waren Neuentdeckungen von NEOWISE (eigentlich waren es noch ein paar mehr; aber man hat nur die Beobachtungen mit der höchsten Qualität in diese erste Analyse inkludiert). Um die Bahnen dieser neuen Asteroiden berechnen zu können, musste man sie möglichst oft beobachten und hier bekam der High-Tech-Satellit Unterstützung von Hobby-Astronomen. Gerade wenn es um Asteroidenbeobachtung geht, sind die Amateurastronomen immer noch sehr wichtig für die Forschung und leisten wichtige Arbeit, was die Nachbeobachtung von entdeckten Objekten angeht (Sie entdecken aber auch selbst oft genug neue Asteroiden).
Am Ende der Beobachtungen und Analysen gibt es nun eine neue und bessere Bevölkerungsstatistik der erdnahen Asteroiden. Es gibt zwischen 962 und 1000 Objekte deren Durchmesser mehr als einen Kilometer beträgt. Das sind die, die uns wirklich Ärger machen können falls sie auf die blöde Idee kommen würden, mit der Erde zusammenzustoßen. Bei einem Einschlag dieser Größenordnung kommt es zu globalen Folgen, es gäbe Massensterben wie damals bei den Dinosauriern. Aber wir haben immerhin 911 von ihnen schon entdeckt (das sind mehr als 90 Prozent!). Allzuviele der gefährlichen Asteroiden gibt es dort draussen nicht mehr. Nicht ganz so vollständig ist unsere Kenntniss über die kleineren Objekte. Es gibt zwischen 17500 und 23500
Asteroiden die größer als 100 Meter sind. Davon haben wir erst 5200 entdeckt (kein Wunder, je kleiner die Asteroiden, desto schwerer sind sie zu finden). Es bleibt also noch viel zu entdecken! Und auch wenn Objekte dieser Größenordnung bei einem Impakt keine globalen Folgen und Massensterben verursachen, können sie doch lokal große Zerstörung verursachen. Wir sollten uns also anstrengen, die bisher unbekannten Objekte so schnell wie möglich aufzustöbern. Akuter Grund zur Panik besteht aber natürlich keine. Wir sind sogar noch besser dran als früher denn die Ergebnisse von NEOWISE haben gezeigt, dass es deutlich weniger Asteroiden mit Durchmessern zwischen 100 und 1000 Meter gibt als wir bisher angenommen haben (die früheren Modelle haben ihre Zahl mit 35000 angegeben). Das ist hier nochmal grafisch zusammengefasst (was die ganz kleinen Objekte angeht, hat man noch nicht genug Daten, deshalb die Fragezeichen):
Die gezeichneten Asteroiden zeigen die Menge an, die wir momentan kennen (ein Bild entspricht 100 Objekte). Die grün gefüllten Umrisse zeigen die noch unbekannten Himmelskörper an, die leeren, dunkelgrünen repräsentieren die unbekannten Asteroiden des alten Modells. Für den Bereich der Asteroiden zwischen 500 bis 1000 Metern kennen wir zum Beispiel momentan 1200 Objekte (12 gezeichnete Asteroiden). 300 davon (3 grün gefüllte Umrisse) haben wir noch nicht entdeckt. Die alten Modelle haben allerdings vorhergesagt, dass es noch 1200 unentdeckte Asteroiden gibt (3 grün gefüllte plus 9 dunkelgrüne leere Umrisse).
Noch sind nicht alle Daten von NEOWISE ausgewertet worden. Weitere Analysen können die Fehlergrenzen vielleicht nochmal verringern und noch genauere Zahlen lieferen. Und weitere Beobachtungen (z.B. die des GAIA-Satelliten der demnächst gestartet wird) werden dazu führen, dass wir immer mehr der noch unbekannten erdnahen Asteroiden entdecken werden. Gut zu sehen, dass wir die potentiell gefährlichen Himmelskörper immer besser in den Griff bekommen!
A. Mainzer, et al. (2011). NEOWISE Observations of Near-Earth Objects: Preliminary Results Astrophysical Journal
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