Wenn die rote Sonne über dem Eisplaneten untergeht, dann sehen ihr dabei vielleicht ein paar Lebewesen zu. Nein, nicht wir Menschen. Auf der Erde ist es zwar manchmal etwas kalt, aber abgesehen von den Polen ist ihre Oberfläche nicht dauerhaft mit Schnee und Eis bedeckt. Und unsere Sonne ist ein gelber Stern und nur manchmal aufgrund atmosphärischer Effekte etwas rot. Es geht um außerirdisches Leben. Es geht um die Frage, wo man es theoretisch finden könnte. Wir sind ja bei der Suche nach extraterrestrischen Leben in einer schwierigen Situation. Wir kennen nur das Leben auf der Erde. Wir wissen nicht, ob es auch noch andere Formen von Leben geben kann, dass sich unter anderen Bedingungen entwickelt. Deswegen ist eine wissenschaftliche Suche danach momentan auch nicht zielführend. Wir wüssten ja nicht, was wir suchen sollen und wie wir es erkennen, sollten wir es gefunden haben. Wir müssen uns also auf erdähnliches Leben konzentrieren und suchen deshalb im All auch nach erdähnlichen Planeten. Im Idealfall umkreisen sie einen sonnenähnlichen Stern. Aber Sterne gibt es in vielen verschiedenen Arten. 80 Prozent aller Sterne sind sogenannte Rote Zwerge. Sie sind kleiner als die Sonne, kühler und leuchten daher rötlich anstatt gelblich-weiß. Auf Planeten, die sie umkreisen, ist Leben kaum möglich. Dachte man zumindest bis jetzt…
Manoj Joshi von der University of Reading in Großbritannien und Robert M. Haberle vom NASA Ames Research Centre haben sich die Sache mit den M-Sternen noch einmal genauer angesehen. Ihre Ergebnisse werden demnächst in der Fachzeitschrift “Astrobiology” unter dem Titel “Suppression of the water ice and snow albedo feedback on planets orbiting red dwarf stars and the subsequent widening of the habitable zone” veröffentlicht werden. Sie haben die Ausdehnung der habitablen Zone um Rote Zwerge unter neuen Gesichtspunkten berechnet. Mit der “habitablen Zone” bezeichnet man den Bereich um einen Stern, in dem die Temperatur genau passend ist, um auf der Oberfläche eines Planeten Wasser in flüssiger Form vorfinden zu können. Leben wie wir es kennen, kommt ohne flüssiges Wasser nicht aus und daher ist es von Vorteil, wenn ein Planet in der habitablen Zone liegt, wenn sich auf ihm Leben entwickeln soll. Bei uns im Sonnensystem erstreckt sich die habitable Zone etwa von der Bahn der Venus bis zur Bahn des Mars. Die Erde liegt genau in der Mitte. Bei heißeren Sternen findet sich die habitable Zone weiter außen, bei kühleren rückt sie näher an den Stern. Rote Zwerge sind kühl. Im Gegensatz zu den knapp 6000 Grad, die es auf der Sonnenoberfläche hat, sind es bei M-Zwergen nur 3000 bis 4000 Grad. Ein Planet, der genug Wärme abbekommen will, muss also dicht an ihn heran rücken. Das ist aus zwei Gründen problematisch.
Der erste sind die Gezeiten. Der Mond verursacht Gezeiten auf der Erde. Die viel schwerere Erde verursacht aber natürlich auch – viel stärkere – Gezeiten auf dem Mond! Das geht auch, wenn dort kein Wasser ist. Die Gezeitenkraft wirkt sich immer auf den ganzen Himmelskörper aus. Das Wasser lässt sich nur leichter bewegen und deswegen sind die Flutberge dort leichter zu erkennen. Aber die Gezeiten heben auch den Boden unter unseren Füssen, wenn auch nur minimal. Die Gezeiten erzeugen auch
Gezeitenreibung. Die Flutberge bremsen die Rotation des Himmelskörpers. Das hat im Laufe der Jahrmillionen dazu geführt, dass uns der Mond immer die selbe Seite zuwendet. Die Rotation um seine eigene Achse wurde solange gebremst, bis sie genauso lange dauert wie ein Umlauf um die Erde. Erst dann bremst die Gezeitenreibung ihn nicht mehr. In ferner Zukunft wird der Mond auch die Erde soweit gebremst haben, dass man – vom Mond aus gesehen – immer die selbe Seite sieht. So etwas nennt man “gebundene Rotation” und es existiert auch bei extrasolaren Planeten. Auf der Erde übt nicht nur der Mond Gezeitenkräfte aus, sondern auch die Sonne. Und genauso wird ein extrasolarer Planet von den Gezeitenkräften des Sterns beeinflusst, den er umkreist. Ist er ihm sehr nahe, dann sind die sehr stark und die Gezeitenreibung hat ihn so weit abgebremst, dass er dem Stern immer die gleiche Seite zuwendet. Eine Hälfte des Planeten wird also ständig beleuchtet während auf der anderen ewige Nacht herrscht. Und da Planeten sehr nahe an Rote Zwerge rücken müssen, wenn sie es ausreichend warm haben wollen, ist die Chance gut, dass auch sie in ihrer Rotation an ihn gebunden sind und keinen normalen Tag-und-Nacht-Zyklus haben. Auch solchen Planeten kann sich vermutlich kein Klima entwickeln, dass der Entstehung von Leben förderlich ist.
Der zweite Grund ist die Aktivität des Sterns. Die Sonnenaktivität tut uns auf der Erde normalerweise nicht viel. Ab und zu schleudert die Sonne ein wenig Plasma ins Weltall. Aber da wir weit genug entfernt sind, trifft es uns selten und wenn, dann schützen uns Magnetfeld und Atmosphäre davor. Ein Planet, der sich dicht an einem Roten Zwerg befindet, hat es da weniger gemütlich. Er leidet wesentlich öfter und schwerer unter der Aktivität seines Sterns. Der Entstehung von Leben ist das auch nicht sonderlich zuträglich.
Aus diesen beiden Gründen hat man die Roten Zwerge bis jetzt eher nicht als Top-Kandidaten für die Suche nach Leben angesehen. Das ist schade, denn wie schon gesagt, gibt es von ihnen sehr viele. Sie stellen die Mehrheit der Sterne und sie leben enorm lange. Sie können einige Billionen Jahre alt und werden und die meisten der Roten Zwerge, die bisher im Universum entstanden sind, existieren heute noch immer. Joshi und Haberle haben nun herausgefunden, dass es dort vielleicht doch noch gute Möglichkeiten für habitable Planeten gibt. Die Frage nach der Habitabilität eines Planeten ist äußerst komplex. Es reicht nicht einfach nur, die Strahlung des Sterns zu berücksichtigen, auch viele andere Faktoren spielen eine Rolle. Zum Beispiel die Beschaffenheit der Oberfläche des Planeten. Ein hypothetischer Eisplanet wäre komplett mit Schnee bedeckt und würde alle Strahlung des Sterns ins All reflektieren. Er könnte sich also nicht mehr aufheizen, die Temperaturen blieben kalt und das Eis würde nicht schmelzen (vermutlich hat die Erde in ihrer Vergangenheit so eine Phase durchgemacht). Die Rückstrahlfähigkeit eines Himmelskörpers bezeichnet man als Albedo und Joshi und Haberle haben sie für spezielle Bedingungen berechnet. Ein Roter Zwerg strahlt viel stärker im langwelligen infraroten (für uns unsichtbaren) Bereich des Spektrums als es die Sonne tut. Die Albedo von Eis und Schnee hängt aber von der Wellenlänge des Lichts ab. Da wo sichtbares Licht hauptsächlich reflektiert wird, wird Infrarotstrahlung sehr viel stärker absorbiert. Es wäre auf dem Planeten als wärmer. Eine korrekte Berechung der habitablen Zone muss diesen Effekt berücksichtigen und das war bisher nicht der Fall.
Bezieht man die stärkere Absorption der Infrarotstrahlung bei Planeten mit teilweise vereisten Oberflächen mit ein, dann zeigt sich, dass sich die habitable Zone weiter nach außen erstreckt, als man bisher dachte. Je nach Grad und Art der Vereisung des Planeten reicht die habitable Zone nun bis zu 30 Prozent weiter nach außen als in den alten Modellen. Dort besteht kaum mehr Gefahr durch die Aktivität des Sterns und auch die gebundene Rotation spielt keine Rolle mehr. Die Bedingungen für Leben könnten also bei Roten Zwergen wesentlich besser sein, als man bisher dachte. Aber die Aliens sollten sich besser warm anziehen 😉
M. Joshi, & R. Haberle (2011). Suppression of the water ice and snow albedo feedback on planets
orbiting red dwarf stars and the subsequent widening of the habitable zone Astrobiology arXiv: 1110.4525v2
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