Wenn es um Teleskope geht, dann interessieren die Astronomen vor allem ein Wert: Der Durchmesser. Nicht die Vergrößerung. Die ist uninteressant. Die Sterne und Galaxien sind so weit weg, dass es egal ist, wie stark ein Teleskop die Dinge vergrößert: Die Sterne werden immer nur Lichtpunkte sein. Aber der Durchmesser bestimmt, wie viel Licht bzw. elektromagnetische Strahlung ein Teleskop sammeln kann. Je größer, desto schwächere und desto fernere Objekte kann man noch sehen. Je größer ein Teleskop ist, desto besser ist aber auch sein Auflösungsvermögen. Damit beschreibt man die Fähigkeit eines optischen Geräts, zwei einzelne Objekte auch als einzelne Objekte darzustellen. Ein weit entfernter Doppelstern kann von einem kleinen Teleskop – oder dem menschlichen Auge – vielleicht nur als ein heller Lichtpunkt gesehen werden. Ein größeres Teleskop ist aber in der Lage, die zwei Sterne zu trennen und man sieht beide Lichtpunkte. Je größer das Auflösungsvermögen, desto schärfer sind die Bilder die man bekommt (ich habe das hier genauer beschrieben). Das Teleskop mit dem bisher besten Auflösungsvermögen wurde kürzlich in Betrieb genommen. Es ist ein paar hunderttausend Kilometer groß.
Natürlich handelt es sich nicht um ein echtes, physisches Objekt. Für so ein Gerät wäre die Erde viel zu klein. Man setzt hier die Technik der Interferometrie ein, um ein Teleskop zu simulieren, dass ein über Dreihunderttausend Kilometer groß ist. Mit der Interferometrie versucht man, die Grenzen zu umgehen, die einem die Natur vorgibt. Bei einem normalen Teleskop ist es unmöglich, Strukturen aufzulösen, die kleiner sind als das sogenannte Beugungsscheibchen. Das ensteht immer, wenn ein Lichtstrahl an einer Öffnung gebeugt wird. Selbst bei einem perfekten Teleskop wäre es unmöglich, eine Punktquelle uch wieder in einem Punkt abzubilden. Die Beugung sorgt zwangsläufig dafür, dass man nur einen kreisförmigen Fleck sieht. Das lässt sich nicht ändern, man kann das Problem aber umgehen. Man kann zum Beispiel zwei Teleskope benutzen, die beide das Objekt beobachten. Dann bringt man ihr Licht zur Interferenz. Die Lichtwellen werden sich an bestimmten Stellen verstärken, an anderen auslöschen: Man erhält ein typisches Interferenzmuster, ein Muster, dass man zum Beispiel auch sieht, wenn man zwei Steine ins Wasser wirft und die entstehenden Wellen betrachtet. Das sieht in etwa so aus:
Im Fall der beiden Teleskope würde man nun kein Beugungsscheibchen mehr sehen, sondern ein Interferenzmuster aus hellen und dunklen Linien. Ändert man den Abstand zwischen den beiden Teleskopen erhält man verschiedene Muster und diese kann man dann wieder zum ursprünglichen Bild kombinieren. Das gute daran ist: Die Auflösung wird nun nicht mehr durch den Durchmesser des Beugungsscheibchen bestimmt, sondern von der Breite der Interferenzstreifen. Die ist viel geringer und man kann viel kleinere Strukturen auflösen.
Besonders gut funktioniert das mit Radioteleskopen. Ihre Signale lassen sich wunderbar aufzeichnen und man kann Teleskope überall auf der Welt einsetzen und die Signale erst später im Rechner interferieren lassen. Im Wesentlichen läuft diese Technik darauf hinaus, ein viel größeres Teleskop zu simulieren, ein Teleskop, dass so groß ist, wie der maximale Abstand zwischen den verwendeten Geräten. Man kann sich das vereinfacht so vorstellen, dass man anstatt eines gewaltigen Teleskops viele kleine verwendet, so wie auch heute schon große Teleskopspiegel durch viele kleine Spiegel zusammengesetzt werden. Bei der sogenannten “Very Long Baseline Interferometry (VLBI)” muss man aber nicht wirklich den kompletten Durchmesser des großen Teleskops mit kleinen Radioteleskopen pflastern. Es reichen zwei Teleskope, deren Abstand man immer wieder ändert und die jeweiligen Messungen aufzeichnet. Am Ende kann man die Signale zusammenrechnen und so das Bild des großen Teleskops simulieren. Das Very Long Baseline Array zum Beispiel besteht aus 10 Teleskopen, die überall in den USA verteilt sind und deren maximaler Abstand 8600 Kilometer beträgt. Man muss die Technik aber nicht auf die Erde beschränken. Man kann auch Teleskope im Weltall kombinieren. Das ist das Ziel der RadioAstron-Mission, ein internationales Projekt der russischen Akademie der Wissenschaft.
Russland hatte ja in letzter Zeit eher Pech mit den Weltraummissionen. Die Marssonde Fobos-Grunt hat es leider nicht über die Erdumlaufbahn hinaus geschafft und wird demnächst in der Erdatmosphäre verglühen anstatt den Marsmond Phobos zu erforschen. Als aber im Juli 2011 RadioAstron ins All geschossen wurde, hat alles wunderbar funktioniert. Das Weltraumradioteleskop hat einen Durchmesser von 10 Metern und befindet sich auch einer Umlaufbahn, auf der es sich bis zu 350000 Kilometer von der Erde entfernt. Vom All aus kann es den Himmel beobachten und diese Daten können mit Beobachtungen die auf der Erde gemacht wurden, kombiniert werden. Zum Beispiel dem 100-m-Radioteleskop Effelsberg des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie. Dort hat man gemeinsam mit RadioAstron den Quasar 0212+735 beobachtet, der sich ein paar Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt befindet. Das Weltraumteleskop war dabei etwa 100000 Kilometer vom Teleskop in Effelsberg entfernt. Die Beobachtungen haben geklappt, die Daten konnten im Computer zusammengefügt werden und man war in der Lage, das erste Mal ein Interferenzsignal zu bekommen, dass von Teleskopen auf der Erde und aus dem All erzeugt wurde.
Nachdem der Test erfolgreich war, wird das Teleskop nun bald den regulären Betrieb in seiner vollen – simulierten – Größe von knapp 360000 Kilometern aufnehmen. Damit erreicht man eine Auflösung von 10 Mikrobogensekunden. Das reicht aus, um Strukturen mit der Größe einer 1-Cent-Münze in Mondentfernung aufzulösen! Damit wird es nun auch erstmals möglich sein, schwarze Löcher aufzulösen. Bisher waren wir ja nur in der Lage, die Umgebung der schwarzen Löcher zu beobachten; die starke Strahlung die von der Materie abgegeben wird, die ein schwarzes Loch umgibt. Mit der Auflösung von RadioAstron kommen wir aber nun tatsächlich an die Dimensionen des schwarzen Lochs selbst heran, d.h. wir können Strukturen auflösen, deren Größenordnung dem Ereignishorizont eines typischen schwarzen Lochs entspricht. RadioAstron wird großartige Forschungsergebnisse liefern; es werden spektaktuläre Bilder werden. Und ich bin schon enorm gespannt darauf!
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