Ich habe ja notorisch wenig Zeit, um mir Podcasts anzuhören. Früher habe ich das immer auf dem Arbeitsweg erledigt. Aber seit ich selbstständig bin und zuhause arbeite, ist mein Arbeitsweg gerade mal 5 Meter lang und das reicht nur für sehr kurze Podcasts 😉 Gestern habe ich mir aber doch mal wieder Zeit genommen und mir die aktuelle Ausgabe des Hoaxilla-Podcast angehört. Der “skeptische Podcast aus Münster” (Eigenbeschreibung) hat Bernhard Hoëcker interviewt. Und Hoëcker hatte sehr interessante Dinge zu sagen.
Die meisten werden Bernhard Hoëcker ja vor allem als Komiker aus dem Fernsehen kennen. Er gehört zu den wenigen Spaßmachern (ich hasse das Wort “Comedian” und werde es hier nicht verwenden) in Deutschland, bei denen ich nicht sofort den Drang verspüre, den Fernsehapparat aus dem Fenster zu schmeißen, wenn ich sie auf dem Bildschirm sehe. Weniger bekannt ist aber wahrscheinlich, dass Bernhard Hoëcker auch großer Wissenschaftsfan, bekennender Skeptiker und GWUP-Mitglied ist. Skeptische Themen, zum Beispiel die Auseinandersetzung mit der Homöopathie, bringt er auch in sein Kabarettprogramm mit ein (ich hatte noch nicht das Vergnügen, es zu sehen, muss mich also auf das verlassen, was im Podcast erzählt wurde). Im Interview mit Hoaxilla spricht er darüber, wie er zum Skeptiker würde, über die Probleme, skeptische Themen fernsehgerecht auzubereiten und über die Problematik, die aus der negativen Konnotation von Wörtern wie “Skeptiker” oder “Atheist” entstehen. Es ist ein sehr hörenswertes Interview. Also hört es euch an 😉
Hoëcker scheint vor allem von der selektiven Wahrnehmung und den sich daraus ergebenden Phänomenen interessiert zu sein. Am Ende des Interviews sagt er folgenden Satz:
“Ich wünsche alle Zuhörern, dass sie auf ihren Bauch hören, ihre Gefühle genießen und sich von der Wahrnehmungsverzerrung die unser Gehirn uns bietet, treiben und unterhalten lassen, aber nicht vergessen, hin und wieder mal eine Strichliste zu führen.”
Über den Wert von Strichlisten wurde im Interview schon vorher ausführlich gesprochen. Es lohnt sich aber, das hier nochmal zu wiederholen. Die selektive Wahrnehmung ist ja ein Phänomen, dem sich keiner von uns entziehen kann. Dinge, die uns spannend erscheinen, Ereignisse die wir als dramatisch empfinden bzw. die uns aus anderen Gründen beschäftigen, bleiben uns viel eher im Gedächtnis als der schnöde Alltag. Eine schwangere Frau sieht plötzlich überall Babys und kleine Kinder. Nicht, weil es auf einmal mehr davon gibt, sondern weil sie sich in ihren Gedanken intensiv mit dem Thema Kinder & Schwangerschaft beschäftigt und ihr daher alles, was damit zu tun hat, viel eher auffällt und viel stärker im Gedächtnis bleibt. Wer mit der Bahn fährt und mit 30 Minuten Verspätung am Bahnhof ankommt, denkt sich sicherlich “Typisch Bahn. Wie immer zu spät!”. Läuft aber alles glatt und kommt der Zug pünktlich an, verschwendet man keinen extra Gedanken an diese Situation. Im Gedächtnis bleiben nur die außergewöhnlichen Ereignissen.
Das ist auch die Grundlage vieler abergläubischer Vorstellungen. “Genau in dem Moment, als ich an meine Mutter gedacht habe, hat das Telefon geklingelt und sie war am Apparat. Das muss Telepathie gewesen sein.”. Sowas hat sicher schon jeder Mal erlebt. Und wenn es einem passiert, ist es tatsächlich beeindruckend. Aber wie oft wurde man von der Mutter angerufen, ohne das man vorher an sie gedacht hat? Wie oft hat man an die Mutter gedacht, ohne das sie angerufen hat? Erst wenn man auch diese Fälle berücksichtigt, wird aus der selektiven Wahrnehmung eine objektive Sicht auf die Welt und die “Telepathie” verschwindet. So ist es auch mit den vielen Geschichten über den “mysteriösen Einfluss des Mondes” auf die Menschen. Wer schlecht schläft, aufwacht und beim Blick aus dem Fenster einen prallen Vollmond entdeckt, sieht sich schnell in seiner Vorstellung bestätigt: “Bei Vollmond schlafe ich schlecht!”. Aber wenn man mal aufwacht und kein Mond ist zu sehen, dann bleibt einem das nicht so sehr im Gedächtnis.
Das einzige, was gegen diese Art der Wahrnehmungsverzerrung hilft, ist eine vernünftige und objektive Statistik. Eine Strichliste wie sie Hoëcker vorschlägt, ist das sicher nicht. Aber es ist die Vorstufe dazu und sie kann schon sehr viel dazu beitragen, die selektive Wahrnehmung zu entzerren. Wer tatsächlich meint, der Vollmond würde den Schlaf stören, braucht nur eine Strichliste zu führen und konsequent jeden Tag zu markieren, an dem man schlecht geschlafen hat. Es wird sich schnell herausstellen, dass es hier keine Übereinstimmung mit der Mondphase gibt. Auch die ganzen Katastrophen- und Weltuntergangspropheten könnten davon profitieren, ein paar Strichlisten zu führen. Dann würde sich schnell herausstellen, was von Behauptungen der Form “Die Sonnenaktivität verursacht Erdbeben” oder “Es gibt immer mehr Erdbeben” zu halten ist.
Jeder von uns unterliegt der selektiven Wahrnehmung, niemand ist dagegen immun. Jeder sollte sich daher an Hoëckers guten Rat halten, und ab und zu eine Strichliste führen. Egal ob ihr der Meinung seid, im Supermarkt immer an der längsten Schlange stehen zu müssen, in der WG so viel öfter abwaschen zu müssen als alle andern oder ob ihr meint, der Einfluss des Mondes wäre schuld an schlechten Zensuren: Macht eine Strichliste!
Kommentare (78)