Unsere liebe Frau Bundeskanzler möchte etwas von uns:
“Ihre Erfahrungen, Ihre Vorschläge sind mir wichtig. Ich freue mich auf Ihre Ideen!”
Das sagt sie auf der Homepage des Dialogs über Deutschlands Zukunft. Dort sollen Bürger Vorschläge machen, wie man die Zukunft Deutschlands gestalten soll. Ich bin bei solchen Aktionen generell etwas skeptisch, was ihre Ernsthaftigkeit angeht und ob am Ende dabei tatsächlich etwas raus kommt, ist fraglich. Aber trotzdem: Ein paar unterstützenswerte Vorschläge gibt es.
Der erste wurde von ScienceBlogs-Kollege Christian Reinboth eingereicht und trägt den Titel “Freier Zugang zu öffentlich finanzierter Forschung (Open Access)“:
“Damit die Ergebnisse von in Deutschland staatlich geförderter wissenschaftlicher Forschung möglichst vielen Studierenden, Wissenschaftlern und anderen Interessenten – national wie international – zur Verfügung stehen, sollte sich die Bundesregierung für eine konsequente Umsetzung des Open Access-Prinzips in der öffentlich geförderten Forschung einsetzen. Dies bedeutet, dass es Wissenschaftlern künftig in stärkerem Umfang ermöglicht werden muss, in wissenschaftlichen Fachzeitschriften erschienene Forschungsergebnisse, die aus staatlich geförderter Forschung hervorgegangen sind, auch der interessierten Öffentlichkeit kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Die deutschen Steuerzahler gehören zu den großzügigsten Förderern wissenschaftlicher Forschung weltweit und dürfen zu Recht erwarten, freien Einblick in die Ergebnisse der von ihnen finanzierten Forschung zu erhalten, so diesem Einblick im Einzelfall keine bedeutsamen Gründe entgegenstehen.”
Diesen Vorschlag sollte man auf jeden Fall unterstützen! Wenn man sich ansieht, was manche Verlage für Preise verlangen und wie sie mit ihren Kunden umgehen, dann kann das nicht so weitergehen. Die Ergebnisse der Wissenschaft müssen allen Menschen zugänglich sein!
Mindestens ebenso groß ist das Problem, das Christian in seinem zweiten Vorschlag anspricht. Die Verbesserung der prekären Arbeitssituation vieler Nachwuchswissenschaftler:
“Damit der Wissenschaftsstandort Deutschland in einer globalisierten akademischen Welt seine hohe Attraktivität behält und wissenschaftliche Talente nicht ins Ausland abwandern, sind die Arbeitsbedingungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs an deutschen Hochschulen – insbesondere im Hinblick auf die oft prekären Arbeitsverhältnisse – nachhaltig zu verbessern.
Zahlreiche Doktoranden und Nachwuchswissenschaftler hangeln sich derzeit in der Praxis von einem befristeten Teilzeit-Vertrag zum nächsten, bis entweder die Förderkette abreißt oder der Frust so groß wird, dass die Wissenschaft oder eben der Standort Deutschland verlassen wird. Über 80% unseres wissenschaftlichen Nachwuchses sind nur befristet beschäftigt, ein Großteil davon lediglich in Teilzeit. In der seitens der Politik richtigerweise angestrebten “Bildungsrepublik” sollten jedoch gerade für Hoch- und Höchstqualifizierte in öffentlichen Beschäftigungsverhältnissen bessere Konditionen darstellbar sein, um auch dem wissenschaftlichen Nachwuchs die Möglichkeit der Karriere-; Familien- und persönlichen Lebensplanung zu eröffnen.
Über dieses Thema habe ich erst kürzlich einen ausführlichen Artikel geschrieben. Die Situation wird langsam wirklich unerträglich.
Ganz besonders ans Herz legen möchte ich euch den Vorschlag von Joachim Huessner. Er trägt den Titel: Besserer Verbraucherschutz vor esoterischen Angeboten:
“Liebe Frau Bundeskanzler,
ich schreibe aus aktuellem Anlass als Betroffener:
Meine Frau hat sich über einen längeren Zeitraum nach und nach in esoterische Angebote verstrickt. Fing es zu Beginn noch ganz harmlos mit alternativer Medizin, die sie an unseren 3 Kindern ausprobierte, an, ging es weiter über Heilsteine, Wahrsagerbesuche, Familienaufstellungen, Reiki, Kartenlegen, Meditationen bis hin zu Seminarbesuchen. Am Ende ist sie in der Annahme eine berufliche Weiterbildung zu machen in einer Sekte gelandet von der sie sich nicht mehr lösen konnte. Sie verließ die Familie und nahm sich etwa ein Jahr später aus Verzweiflung das Leben.
Über diese Geschichte habe ich inzwischen einen autobiographischen Roman veröffentlicht auf den ich sehr viel Ressonanz von ähnlich gelagerten Fällen bekam. Die Medien interessierten sich dann auch für das Thema und die Recherchen ergaben, dass es in Bayern etwa 600, in NRW etwa 1100 und in Hessen ca. 300 dieser Kleinsekten gibt. Aus den anderen Ländern liegen keine Zahlen vor. Hochgerechnet ergibt das eine Zahl von etwa 100.00 Betroffenen, die aktuell in solchen Gruppen für das Wohl eines Gurus arbeiten. Ich rief daraufhin das Projekt 1001 ins Leben, bei dem ich Erfahrungsberichte von solchen Fällen sammle und es ist wirklich sehr erschreckend wieviele ähnlich gelagerte Fälle es gibt und wieviele Familien dadurch zerstört werden.
Deshalb wünsche ich mir einen besseren Verbraucherschutz vor esoterischen Angeboten.
Die Situation ist ja wirklich vollkommen absurd. Wenn man ein Produkt verkauft, darf man nicht einfach irgendwas behaupten. Ich kann kein Haarshampoo auf den Markt bringen und behaupten, es würde Grippe oder gar Krebs heilen. Ich muss dafür entsprechende medizinische Studien machen und entsprechende Ergebnisse vorlegen. Wenn ich aber “Geistheiler” bin oder “Lichtarbeiter” oder Homöopath dann kann ich das alles und noch viel mehr behaupten, den Leuten damit das Geld aus der Tasche ziehen und das alles, ohne Probleme mit dem Verbraucherschutz zu bekommen. In der Esoterikbranche kann man sich die absurdesten Dingen über seine Produkte ausdenken. Man braucht sich nur die bescheuerten Sachen ansehen, die über einschlägige Fernsehsender verkauft werden. Warum ist es möglich, dass man hier wilde Behauptungen über seine Produkte aufstellen darf, ohne jemals irgendeinen Nachweis bringen zu müssen? Auch wer diesen Esoterikkram kauft, ist ein Konsument und hat ein Recht auf Konsumentenschutz!
Leider ist der Abstimmungsmechanismus beim Zukunftsdialog nicht sonderlich toll. Man kann dort zum Beispiel ohne große Probleme mehrfach abstimmen. Es werden also die Vorschläge weit oben landen, die eine leicht zu motivierende Community haben, die immer wieder abstimmt. Die ersten fünf Plätze der Liste von “Wie sollen wir zusammenleben” werden zum Beispiel momentan von “wichtigen” Themen wie Cannabis und E-Zigaretten dominiert. Trotzdem: Die Vorschläge von Christian bzw. Joachim Huessner sprechen wichtige Probleme an und sollten gehört werden. Stimmt dafür ab!
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