Das Weltraumteleskop Kepler hat einen extrasolaren Planeten entdeckt, der sich seltsam verhält. “Seltsam” ist aber gut. “Seltsam” heißt immer, dass es hier etwas Neues und potentiell Außergewöhnliches zu entdecken gibt! Das Objekt um das es geht, heißt KIC 12557548b. Die Bezeichnung zeigt, dass es sich dabei noch nicht um einen offiziell bestätigten Planeten handelt (dann würde sein Name mit der Bezeichnung “Kepler” beginnen). KIC steht für den Kepler Input Catalog, also all die Sterne, die Kepler im Laufe der Zeit beobachtet hat bzw. noch beobachten wird. Man hat dort mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Planeten entdeckt, die letzte Bestätigung steht aber noch aus. KIC 12557548b wird aber in Zukunft wohl sehr intensiv beobachtet (und damit auch bestätigt) werden: den dieser Planet ist sehr seltsam.
Kepler beobachtet das Licht der Sterne und misst, wie stark sich dieses Licht im Lauf der Zeit ändert. Wird der Stern von einem Planet umkreist und blicken wir genau im richtigen Winkel auf seine Umlaufbahn, dann blockiert der Planet in regelmäßigen Abständen ein bisschen des Sternenlichts und wir sehen den Stern ebenso regelmäßig ein klein wenig dunkler werden. Die Betonung liegt auf “regelmäßig”, denn wenn es dort wirklich nur einen Stern und einen Planeten gibt, dann sollte man im Hell-Dunkel-Rhythmus keine Abweichung feststellen. Manchmal passiert das aber doch. Manchmal kommt die Verdunkelung etwas zu früh oder etwas zu spät als sie eigentlich sollte. Solche Transitzeit-Variationen (TTV) deuten auf die Existenz weiterer Planeten hin und mit dieser Methode hat man sogar schon Planeten entdeckt.
KIC 12557548b ist allerdings extrem pünktlich. Alle 15,685 Stunden läuft er einmal vor seinem Stern vorüber und verdunkelt das Licht. Aber er blockiert nicht immer gleich viel. Normalerweise würde man ja erwarten, dass der Planet immer genau gleich viel Licht des Sterns abhält und das misst man bei anderen Planetensystemen auch. Bei KIC 12557548b dagegen variiert die Stärke der Verdunkelung stark. In manchen Fällen wird 1,2 Prozent des Lichts abgeblockt, in manchen Fällen sind es aber auch nur 0,15 Prozent. Das ist sehr seltsam. Denn wie soll ein Planet das anstellen? Wenn es sich um einen kleinen Asteroiden handeln würde, wäre das kein Rätsel. Der kann eine unregelmäßige Form haben; kann länglich sein, anstatt rund und da er rotiert blicken wir mal auf die lange Seite und mal auf die kurze. Je nachdem wird mehr oder weniger Licht blockiert. Allerdings kans es sich bei KIC 12557548b nicht um einen Asteroiden handeln. So ein Objekt wäre viel zu klein, um gesehen zu werden. KIC 12557548b muss ein Planet sein und damit groß genug, um unter seiner eigenen Schwerkraft eine runde Form anzunehmen. Aber wo kommen dann die unterschiedlichen Verdunkelungen her? Hier sieht man das nochmal in einem Diagramm:
Die y-Achse zeigt die Menge an Licht, die uns vom Stern erreicht, die x-Achse die Zeit. In diesem Diagramm wurden alle Transitmessungen überlagert. Normalerweise sollten die Punkte annähernd eine Linie formen, die während des Transits nach unten geht, weil weniger Licht ankommt und dann wieder nach oben steigt. Hier sehen wir aber nur einen Haufen an Punkten weil die Transits mal tiefer, mal weniger tiefer ausfallen.
Saul Rappaport vom MIT und seine Kollegen haben dieses sonderbare Verhalten entdeckt und probiert es zu erklären. Man könnte denken, dass auch hier ein zweiter Planet helfen könnte. Vielleicht läuft der Planet ganz knapp an der Kante der Sternenscheibe vorbei. Und der zweite Planet stört die Bahn des ersten so, dass mal der ganze Planet vor dem Stern steht und mal nur die Hälfte. Das könnte theoretisch funktionieren, stimmt aber nicht mit den Beobachtungen überein. So eine Bahnänderung passiert langsam, die Änderungen in der Transittiefe passieren aber viel schneller. Auch ein Doppelplanet funktioniert nicht. Wenn zwei Planeten sich sehr eng umkreisen, so wie ein Mond und ein Planet, dann könnten auch sie unterschiedliche Transits erzeugen, je nachdem ob sie von uns ausgesehen gerade nebeneinander oder hintereinander stehen. Aber Rappaport et al. haben nachgerechnet, dass so eine Konfiguration in diesem Fall nicht stabil wäre. Die Realität von KIC 12557548b muss anders aussehen!
Rappaport und seine Kollegen haben eine faszinierende Idee gehabt. Es könnte sich um einen Planeten handeln, der gerade in Auflösung begriffen ist. Die Daten zeigen, dass sich der Planet sehr nah am Stern befinden muss – etwa 0.013 Astronomische Einheiten; das heißt er ist dem Stern fast hundert mal näher als die Erde der Sonne. So nah am Stern ist es natürlich heiß und so wie sich Kometen auflösen, wenn sie der Sonne zu nahe kommen, könnte sich auch dieser Planet auflösen. Geht man davon aus, dass man hier einen kleinen Planeten sieht, der eine große Wolke aus Staub- und Gesteinsteilchen hinter sich her zieht, dann würde das genau zu den beobachteten Daten passen. Denn je nachdem wie man auf die Wolke blickt, wird mal mehr und mal weniger Licht blockiert. Die Astronomen haben Simulationen durchgeführt und geschaut, welche Konfiguration hier passen würde:
Das Bild zeigt den Stern (roter Kreis) und einen Planeten mit seiner Wolke aus Gestein und Staub (die Farbe gibt die Dichte der Wolke an). Es muss sich tatsächlich vorrangig um Gestein handeln und nicht um Gas. Wir wissen ja schon seit einiger Zeit, dass es große Gasplaneten wie Jupiter gibt, die ihrem Stern sehr nahe sind. So nahe, dass sie Teile ihrer Atmosphäre verlieren. Aber Gas würde nicht so viel Licht abblocken. KIC 12557548b muss sich tatsächlich auflösen und es muss ein Gesteinsplanet sein. Die Simulationen deuten auf einen Planeten mit einem Zehntel der Erdmasse hin. Damit ist KIC 12557548b etwa doppelt so schwer wie Merkur. Der Planet war aber früher wohl viel größer. Die Größe der Wolke legt nahe, dass der Planet 100 Milliarden Gramm pro Sekunde verliert! Das sind etwa eine Erdmasse pro Milliarde Jahre.
Aber warum beobachtet man sowas nur bei KIC 12557548b und nicht bei den vielen anderen Planeten? Da sind ja auch einige darunter, die ihrem Stern sehr nahe sind. Grund ist seine Masse. Je schwerer ein Planet, desto schneller müssen die Teilchen sein, um ihn verlassen zu können. Und desto heißer muss er deswegen auch werden. Bei den anderen Planeten, reicht die Temperatur nicht aus, ihre Gravitation zu überwinden. KIC 12557548b ist allerdings klein genug, um seine Teilchen nicht mehr festhalten zu können.
Ich bin schon sehr gespannt, was die kommenden Beobachtungen von KIC 12557548b ergeben werden. Ein Planet der sich auflöst, ist eine sehr coole Sache! Zwei Dinge werden hier wieder eindrucksvoll demonstriert. 1) Es gibt da draußen tatsächlich verdammt viele Planeten! Denn die Chancen, einen sich in Auflösung befindenden Planeten zu entdecken, sind gering. Es sei denn, es gibt viele davon. 2) Das Universum ist enorm faszinierend!
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