Wenn es um den Klimawandel geht, dann hören seltsamerweise auch ansonsten sehr vernünftige Menschen auf einmal auf, vernünftig zu denken. Ungeachtet aller wissenschaftlichen Tatsachen darf der Klimawandel nicht stattfinden. Und wenn, dann darf er nicht schlimm sein. Und wenn, dann darf auf keinen Fall der Mensch daran Schuld haben. Das ist natürlich eine sehr bequeme Position. Denn wenn wir Menschen uns einreden, dass wir nichts mit dem Klimawandel zu tun haben, dann brauchen wir auch nichts an unserer Art zu leben ändern. Wir können so weiter machen wie bisher; Benzin und Kohle verbrennen, mit Billigfliegern durch die Gegend sausen und uns um Treibhausgase keine Gedanken mehr machen. Wir haben ja keinen Einfluss auf das Klima, also bringt es nichts, hier was zu machen. Auch die großen Energieanbieter können sich bei der Umstellung auf erneuerbare Energien Zeit lassen. Für den Klimawandel können wir ja nichts und ein bisschen reichen die fossilen Brennstoffe ja noch. Unter diesem Gesichtspunkt ist es auch nicht weiter verwunderlich, wenn jetzt zwei RWE-Manager (Frizt Vahrenholt und Sebastian Lüning) ein Buch mit dem Titel “Die kalte Sonne” veröffentlichen, das uns – so steht es im Untertitel – erklärt, “Warum die Klimakatastrophe nicht stattfindet”.
Ich habe das Buch nicht gelesen. Ich wollte es nicht kaufen. Die online verfügbaren Leseproben haben ausgereicht, um mir klar zu machen, dass es sich hier nicht um eine seriöse wissenschaftliche Abhandlung und auch kein vernünftiges populärwissenschaftliches Buch handelt. Es ist ein Mix aus Verschwörungstheorie, Propaganda und falsch verstandenen bzw. interpretierten wissenschaftlichen Ergebnissen. Da mich viele Leserinnen und Leser zu meiner Meinung über das Buch gefragt haben, wollte ich zumindest im Buchladen ein wenig darin lesen; die hatten das dort aber nicht. Ich werde also nicht über den Inhalt des Buchs sprechen.
Das haben aber schon andere getan. Toralf Staud hat in der Zeit, die Fakten gecheckt; mit keinem recht positiven Ergebnis für “Die kalte Sonne”. Auch andere kommen zum gleichen Schluss. “Krude Verschwörungstheorien, die die Glaubwürdigkeit von RWE gefährden”, nennt Carel Mohn von der European Climate Foundation, das, was im Buch zu finden ist. Die Grundthese von Vahrenholt und Lüning lässt sich schnell zusammenfassen: Die Sonne ist schuld. Wir Menschen haben keinen Einfluss auf das Klima, es wird nur von der Sonne bestimmt. Änderungen des Klimas entstehen, wenn sich die Sonne verändert und die wird uns in Zukunft eine kleine Eiszeit bescheren, die der Erderwärmung entgegen wirkt. Es gibt also keinen Grund, sich Sorgen zu machen. Und wenn es nicht eine böse Verschwörung von Wissenschaftlern und Politikern gäbe, die den nicht stattfindenden Klimawandel benutzen wollten, um uns ihren alternativen Lebensstil aufzudrücken, dann wäre alles in Ordnung.
Selbstverständlich hat die Sonne einen Einfluss auf das Klima der Erde. Sie ist die hauptsächliche Energiequelle für alle meteorologischen und klimatischen Vorgänge auf der Erde. Wenn sich die Energiemenge ändert, die sie zur Erde strahlt, dann hat das auch Auswirkungen auf das Klima. Man muss hier allerdings aufpassen, zwei Begriffe nicht zu verwechseln: Leuchtkraft und Aktivität. Die Leuchtkraft der Sonne ist die gesamte Energie, die sie abstrahlt und sie bleibt im Wesentlichen immer gleich. Mit Sonnenaktivität wird etwas ganz anderes bezeichnet. Hier geht es um die Bewegung des Plasmas im Sonneninneren und die dadurch ausgelösten Veränderungen im Magnetfeld. Die Sonnenaktivität ändert sich zyklisch. Alle 11 Jahre ist die Aktivität besonders hoch, dann gibt es mehr Sonnenstürme als sonst. Eine starke Sonnenaktivität macht die Sonne aber nicht unbedingt heißer. Die Auswirkungen der Sonnenaktivität auf die Sonnenleuchtkraft sind gering. Der Klimawissenschaftler Stefan Rahmstorf erklärt in diesem Artikel, wie groß der Einfluss der Sonne tatsächlich ist: Er ist viel zu klein, um die beobachtete Veränderung des Klimas zu erklären.
Vahrenholt und all die anderen, die meinen, der Mensch hätte keinen Einfluss auf das Klima, müssen sich also etwas anderes ausdenken. Hier kommt die These des dänischen Physikers Henrik Svensmark recht. Er hat 1997 eine äußerst spannende Hypothese aufgestellt. Sie hat mit kosmischer Strahlung zu tun. Die besteht aus Protonen und Elektronen die von überall her auf die Erde treffen. Manche stammen von der Sonne, manche von anderen Sternen, manche aus fernen Galaxien. Der Strom dieser Teilchen, der zu uns gelangt, ist nicht immer konstant. Mal sind es mehr, mal sind es weniger. In Zeiten hoher Sonnenaktivität ist auch der Sonnenwind sehr stark, also der Strom an Teilchen, die von der Sonne ausgesandt werden. Dieser starke Sonnenwind blockiert die kosmische Strahlung, die von außerhalb des Sonnensystems auf die Erde gelangen würde und auf der Erde sehen wir weniger Teilchen auftreffen. Diese Variationen in der kosmischen Strahlung sollen laut Svensmark für die Variationen des Klimas verantwortlich sein. Denn wenn die Teilchen auf die Erdatmosphäre treffen, könnten sie dort Wolken erzeugen. Wolken entstehen dann, wenn die Wassertropfen in der Luft auf Kondensationskeime treffen. Das können kleinste Aersole sein, irgendwelche Partikel aus Feststoffen oder Flüssigkeiten, die in die Luft gelangt sind. Trifft die kosmische Strahlung auf die Aerosole, können sie ionisiert werden, was die Wolkenbildung verstärkt. Mehr kosmische Strahlung, mehr Wolken, lautete Svensmarks These. Und die Änderungen in der Wolkendichte verändert das Klima. Der Effekt der kosmischen Strahlung verstärkt also den Einfluss der Sonnenaktivität auf das Klima enorm und darum ist es egal, wenn die Leuchtkraft der Sonne nur wenig variiert.
Svensmarks These spielt in Vahrenholts Buch eine wichtige Rolle und da sie mit Astronomie zu tun hat, möchte ich sie hier ein bisschen genauer betrachten. Ich bin jetzt weder Experte für das Klima, noch für Meteorologie, die Sonne oder für kosmische Strahlung. Aber ich kann das tun, was auch alle anderen tun können: Mir die wissenschaftliche Fachliteratur zum Thema ansehen. Wie bei jeder spektakulären Hypothese muss auch die von Svensmark erst mal von anderen Wissenschaftlern untersucht und dann bestätigt oder widerlegt werden. Der ursprüngliche Artikel – Variation of cosmic ray flux and global cloud coverage-a missing link in solar-climate relationships” – erschien im Jahr 1997. Bis heute wurde er von anderen Wissenschaftlern über dreihundert Mal zitiert. Die Leute haben sich als durchaus damit beschäftigt und es stimmt definitiv nicht, dass Svensmarks Arbeit ignoriert wird, wie man oft hören kann.
Ich habe jetzt leider nicht die Zeit, alle dreihundert Artikel zu lesen. Ich habe aus der Liste alle Arbeiten aus den Jahren 2012 und 2011 genommen, die in referierten Fachzeitschriften erschienen sind und in denen vom Einfluss der Sonne auf das Klima die Rede ist. Ich habe mir angesehen, zu welchen Schlussfolgerungen die Wissenschaftler kommen. So sieht das aus (die Hervorhebungen sind von mir):
“Globally and annually averaged, the solar cycle modulation of Earth’s radiative forcing, arising from the increase in atmospheric ionization by galactic cosmic rays from solar maximum to minimum, via charged nucleation of aerosol, the direct aerosol effect, and the cloud albedo effect, amounts to -0.05 W m-2. A limited relevance of this variation for the Earth’s atmosphere and climate can be inferred, given that Earth’s radiative forcing changes by -0.24 W m-2 from solar maximum to minimum because of a decrease in total solar irradiance.” Kazil et al (2012)
“The physics of solar forcing of the climate and long term climate change is summarized, and the role of energetic charged particles (including cosmic rays) on cloud formation and their effect on climate is examined. It is considered that the cosmic ray-cloud cover hypothesis is not supported by presently available data and further investigations (during Forbush decreases and at other times) should be analyzed to further examine the hypothesis.” Siingh et al (2011)
“Treated data show an expected statistically-significant correlation between sunspot number and geomagnetic activity, Pearson p < 10-4, but correlations between global temperature and sunspot number (geomagnetic activity) are not significant, p = 0.9954, (p = 0.8171). In other words, straightforward analysis does not support widely-cited suggestions that these data record a prominent role for solar-terrestrial interaction in global climate change.” Love et al (2011)
“In conclusion, we deduce that cosmic rays play only a minor part in the global warming observed in the last century (less than 8% of the rise in temperature). Hence standard processes for cloud seeding must be the the dominant mechanisms and ionization seeding of clouds can only play a minor part.” Sloan & Wolfendale (2011)
“The presentation of solar activity-climate relations is extended with the most recent sunspot and global temperature data series. The extension of data series shows clearly that the changes in terrestrial temperatures are related to sources different from solar activity after ˜1985.” Stauning (2011)
A survey is made of the evidence for and against the hypothesis that cosmic rays influence cloud cover. The analysis is made principally for the troposphere.It is concluded that for the troposphere there is only a very small overall value for the fraction of cloud attributable to cosmic rays (CR); if there is linearity between CR change and cloud change, the value is probably ~1% for clouds below ~6.5km, but less overall. The apparently higher value for low cloud is an artifact.The contribution of CR to ‘climate change’ is quite negligible. Erlykin & Wolfendale (2011)
“The proposed influence of cosmic rays on cloud formation is tested for the effect of sudden intensity changes of CR (Forbush decreases) on cloudiness. An attempt is made to widen the investigated period covered by satellite observation of cloudiness. As an indicator of cloud cover, the diurnal temperature range (DTR – a quantity anticorrelated with cloudiness) is used. The superposed epoch analysis on a set of isolated Forbush decreases is conducted and the results for a region of Europe are presented. The effect of Forbush decrease on DTR is statistically significant only if the analysis is restricted to high amplitude FDs (above the threshold value of 7% with the respect to undisturbed CR intensity). The magnitude of the effect on DTR is estimated to be (0.38 ± 0.06) °C.” Dragic et al (2011)
“Changes in the galactic cosmic ray (GCR) flux due to variations in solar activity may provide an indirect connection between the Sun’s and the Earth’s climates. Epoch superpositional (composite) analyses of high-magnitude GCR fluctuations, known as Forbush decrease (FD) events, have been widely used to test this hypothesis, with varied results. This work provides new information regarding the interpretation of this approach, suggesting that FD events do not isolate the impacts of GCR variations from those of solar irradiance changes. On average, irradiance changes of ˜0.4 W m-2 outside the atmosphere occur around 2 days in advance of FD-associated GCR decreases. Using this 2 day gap to separate the effects of irradiance variations from GCR variations on cloud cover, we demonstrate small, but statistically significant, anomalous cloud changes occurring only over areas of the Antarctic plateau in association with the irradiance changes, which previous workers had attributed to GCR variations. Further analysis of the sample shows that these cloud anomalies occurred primarily during polar darkness, precluding the possibility of a causal link to a direct total solar irradiance effect. This work suggests that previous FD-based studies may have ineffectively isolated the impacts of GCR variations on the Earth’s atmosphere.” Laken et al (2011)
“Many climatic parameters (ground and ocean surface temperatures, pressure, atmospheric precipitation, etc.) have temporal variations with characteristic periods from several to several tens of years or more. The unknown cause of these oscillations, together with the similarity of some of them to known solar cycles, has stimulated attempts to relate these two phenomena. The basic arguments against the existence of such a relationship are that variations in climatic parameters do not always occur synchronously with the corresponding 11- and 22-year solar cycles: the phase shift between climatic and solar variations is inconstant and changes with time from 0° to 180°. In addition, the energy of terrestrial manifestations of solar activity seems insufficient to stimulate the considered weather-climatic processes, at least within the limits of the linear approach. In the present work, it is shown that in some cases, these contradictions can be removed for variations with a period more than 11 years under the assumption that climatic variations are forced oscillations driven by an external force (for example, a force related to solar activity), that implies the existence of intrinsic (natural) climatic oscillations. The result serves as an additional argument in favor of the reality of a sun-climate connection and probably points to its probable nonlinear mechanism.” Gusev (2011)
Außerdem habe ich noch einen Übersichtsartikel aus dem Jahr 2010 gefunden, der die bis dahin veröffentlichen Arbeiten zusammenfasst:
“We therefore conclude that the currently available data do not provide substantial support for the hypothesized global cloud cover linkage to cosmic rays. The SC-GCR-cloud-climate link continues to be an active area of investigation, however, with controversial aspects remaining. We also note that correlation studies cannot establish cause and effect, as clouds will respond to changes in climate whatever their cause.” Grey et al (2010)
Es sieht also nicht wirklich gut aus, für Svensmarks These. Bis auf Gusev (2011) kamen alle Wissenschaftler zu dem Schluss, dass der Zusammenhang zwischen Klima und kosmischer Strahlung bzw. Sonnenaktivität nicht existent bzw. wesentlich geringer ist, als von Svensmark angenommen. Im besten Fall könnte man die Situation als “unklar” bezeichnen.
Trotzdem probiert man, die Situtation zu klären. Am Europäischen Kernforschungsinstitut CERN wird gerade ein großangelegtes Experiment durchgeführt, bei dem man herausfinden will, wie stark der Einfluss der kosmischen Strahlung auf die Wolkenbildung tatsächlich ist. Über die vorläufigen Ergebnisse, die letztes Jahr veröffentlicht wurden, habe ich hier schon mehr geschrieben. Im Experiment hat man “kosmische Strahlung”, diesmal produziert von Teilchenbeschleunigern, ansonsten aber identisch mit der aus dem All, in große Tanks geleitet, in denen dann künstliche Wolken entstehen können. Man konnte testen, wie sich die kosmische Strahlung in Abhängigkeit verschiedener Aerosole auf die Wolkenbildung auswirkt. Die vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass kosmische Strahlung zwar tatsächlich einen Einfluss auf die Bildung von Wolken hat. Sie zeigen aber auch, dass dieser Einfluss viel zu gering ist, um als Mechanismus für die These von Svensmark brauchbar zu sein.
Es sieht also schlecht aus für diejenigen, die jeden Einfluss der Menschen auf das Klima leugnen und den Klimawandel allein der Sonne in die Schuhe schieben wollen. Die wissenschaftlichen Fakten sind aber so oder so klar; die menschengemachte Veränderung des Klimas lässt sich nicht bestreiten. Auch wenn es für uns unangenehm ist, sollten wir diese Erkenntnis nicht leugnen. Der Astronom Matthew Bailes hat in einem lesenswerten Text darauf hingewiesen, dass es nur eine wissenschaftliche Methode gibt und wir uns nicht einfach die Ergebnisse raussuchen können, die uns gefallen und den Rest ignorieren:
“Es gibt tatsächlich keinen Unterschied zwischen der Art, wie Wissenschaft in der Astronomie funktioniert und wie sie in der Klimaforschung funktioniert – oder jeder anderen wissenschaftlichen Disziplin.Wir machen Beobachtungen, führen Simulationen durch, stellen Hypothesen auf und testen sie und lassen unsere Ergebnisse von den Kollegen überprüfen. (…) Die wissenschaftliche Methode ist universell. Wenn wir sie selektiv bei bestimmten Bereichen ignorieren, dann tun wir das auf eigene Gefahr.”
Natürlich wird es auch weiterhin immer wieder Leute wie Vahrenholt geben, die sich lieber ihre eigene Realität zurecht basteln. Und natürlich werden sie weiterhin in der Öffentlichkeit und den Medien Gehör finden. Toralf Staud schreibt in der ZEIT dazu:
“Offensichtlich finden Zeitungsredaktionen Kontroverse spannender als den wissenschaftlichen Konsens. Mit sorgfältiger Berichterstattung aber hat das wenig zu tun: Keinem Impfgegner würde so viel Raum eingeräumt wie Vahrenholt – dabei sind seine Thesen ähnlich krude. Bestritte da beispielsweise ein Tabaklobbyist den Zusammenhang von Rauchen und Lungenkrebs, würden selbst Politik- und Wirtschaftsredakteure gähnen. Beim Klimawandel aber lassen sie einen Spitzenmanager des zweitgrößten CO2-Verursachers in Europa wissenschaftlichen Humbug zur Klimawirksamkeit von Kohlendioxid verbreiten.”
Es wird wohl noch einige Zeit brauchen, bis die Realität des Klimawandels zu allen durchgedrungen ist…
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