Nach so viel Kalendarischem und Linguistischem, so interessant es auch war, wurde die Kaffeepause allgemein gerne angenommen und brachte mich auch wieder mehr in Richtung des Zustandes ‘richtig wach’.
Frauke Sachse: Zeitvorstellungen und Divination bei den Hochlandmaya
Jetzt wurde zum besseren Verständnis der mythologische Kalender vorgestellt, der 260-tägige Tzolkin, dessen Bedeutung teilweise noch heute gelebt wird. So werden z.B. immer noch Rituale zelebriert, die verhindern sollen, daß die Welt untergeht. Immer wieder, in jedem Zyklus neu.
Im Gegensatz von unserer Sicht des Tages an sich, isoliert und mit einer Bedeutung nur für sich, gelten bei den Maya speziell die Ersttage (des Monats, Jahres, …) als Träger der zeitlichen Last des kommenden Abschnittes, sie charakterisieren die gesamte Periode durch die ihnen zugeschriebenen Eigenschaften. Und aus der Vielfalt der möglichen Kombinationen bestimmen die Priester flexibel das Schicksal der ratsuchenden Menschen.
Im Gegensatz zu unserem Weltbild, der Verknüpfung von Zeit und Raum, galt für die Maya eher eine Verknüfung von Zeit und Materie, von Zeit und Form. Das klingt nun wieder mehr nach Zeitenende=Weltenende, doch einerseits wird das Ende der Zeit ja wie schon erwähnt von akkurat durchgeführten Ritualen verhindert, andererseits gilt diese Gleichsetzung nur für die aktuellen Hochlandmaya, nicht die in der klassischen Zeit lebenden.
Lars Frühsorge(1): Das “Phänomen 2012” und die heutigen Maya
Das aktuelle 2012-Phänomen wurde eingeordnet in die lange Reihe der apokalyptischen Prognosen. Seit 1966 erhob sich das Mißverstehen von nicht ganz eindeutigen Aussagen populärwissenschaftlicher Werke und das Passendinterpretieren egal welcher gefundenen Fragmente zu einem leisen Hintergrundraunen von einem nahenden Weltenende – doch als das www als Kommunikationsform angenommen war, kochte das Thema immer weiter hoch, bis es letztendlich in die klassischen Medien zurückflutete und den Markt überschwemmte. Treibende Kraft: Angst und Verlorenheit auf der einen und enorme Verdienstmöglichkeiten auf der anderen Seite.
Die einzelnen Aspekte dieser Bewegung wurden kulturhistorisch eingeordnet und stellten sich als keineswegs neu, nur in eine neue Form gegossen heraus.
Die heutigen Maya wurden -Treppenwitz der Weltgeschichte- als letzte involviert – seit den 1990ern entwickelt sich eine esoterisch folkloristische Szene, bietet die lokale Tourismus-Industrie Angebote vom Pauschalurlaub bis hin zum Luxusevent. Selbst in den ‘normalen’ Maya-Gemeinden wächst das Bewußtsein für die Besonderheit des Datum 2012 heran.
Die Mittagspause nutzte ich zu einem Spaziergang bei schönstem sonnigen Winterwetter durch den Hofpark zur Einkaufsmeile – mein Magen mahnte eine Belieferung an. Auf einem der Plätze sorgte erfreulicherweise eine Stand-Demo(4) mit erstaunlich viel Publikum dafür, daß die ACTA-Frage im Denken der Bevölkerung nicht zu schnell ad acta gelegt wird.
Christian Brückner(1): Apotheose Now oder El Castillo Superstar
Nun wurden die mesoamerikanischen Symbole im 2012-Hype begutachtet, am Beispiel des Castillo. Dieses sinnlich leicht erfassbare, beeindruckende Monument mit seinem Schattenspiel zur Sonnenwende regte alsbald die Phantasie an. Jeder Stein, jede Aufteilung, jede Orientierung bekam eine Bedeutung, wuchs zu größerem Ganzen – typische Radosophie eben. Völlig ungeachtet der Tatsache, daß das heutzutage zu bewundernde Bauwerk ein Rekonstruktion in weitgehender künstlerischer Freiheit ist, daß die Treppen bei gleichmäßiger Stufenhöhe gar nicht gleich viele Stufen haben können, da die Pyramide auf unebenem Grund steht.
Durch die unermüdliche Verwendung als Hintergrundschmuck für Buchdeckel, Filme und selbstverständlich auch Websites hat sich eine selbsterhaltende inszenierte Authentizität herausgebildet, eine assoziative Kette, der sich keiner völlig entziehen kann
Bianca Riessinger: Propheten der Apokalypse, 2012-Vertreter
Am Beispiel von Argüelles und Pinchbeck wurde aufgezeigt, wie genau auch die Propheten zu 2012 in das allgemeine Schema apokalyptischer Propheten passen hinsichtlich Lebenslauf, Charisma, Zustand (Vulnerabilität für Psychosen), Thema (das Ende nicht zu nah und nicht zu fern) und (durchaus auch vorgegaukelter) Autorität.
Es tut mir leid, diesen Vortrag derart schmal zusammenzufassen, doch der interessante Inhalt verleitete mich zu gedanklichen Abschweifungen und weiteren Vergleichen, so daß das Mitschreiben drastisch gelitten hat – doch erfreulicherweise wird es ja demnächst eine ausführliche Dissertation geben.
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