Die einschlägigen Medien verbreiten mal wieder Angst und Schrecken. “140-Meter-Asteroid kann die Erde treffen” titelt die BILD-Zeitung und schiebt gleich nach:
“Er ist riesengroß – und er ist gefährlich. Asteroid 2011 AG5 hat einen Durchmesser von 140 Metern. Und er könnte die Erde treffen, warnt das UN-Komitee für die friedliche Nutzung des Weltalls.”
Ja, das klingt bedrohlich. Riesengroß und gefährlich! Schon 2040 soll er mit der Erde zusammenstoßen. Und nicht irgendwelche Spinner warnen davor, sondern gleich die UNO!
Bei “Vorarlberg Online” heißt es sogar “Mega-Asteroid schlägt möglicherweise auf unseren Planeten auf” und
“Der Asteroid 2011 AG5 besitzt einen sagenhaften Durchmesser von 140 Metern. Diese enorme Masse soll laut dem UN-Komitee für friedliche Nutzung des Weltalls auf der Erde aufschlagen”
Ja, 140 Meter sind tatsächlich “sagenhaft”. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich jemals von einem größeren Objekt gehört hätte… Müssen wir jetzt alle sterben?
Nein, natürlich nicht. Auch wenn Nachrichten dieser Art nur allzu gerne verbreitet werden, lohnt es sich doch, etwas genauer hinzusehen und mal in Ruhe über die Sache nachdenken. Die BILD zitiert Detlef Koschny von der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Der ist dort zuständig für das Space Situational Awareness (SSA)-Programm, bei dem man sich um all die Dinge aus dem All kümmert, die der Erde gefährlich werden können. Weltraummüll, Sonnenstürme oder eben auch Asteroideneinschläge. Koschny hat mit Leonard David von Space.com gesprochen und der Artikel dort ist wesentlich ausführlicher und unaufgeregter als das, was beim Boulevard zu lesen ist.
Es geht um den Asteroiden 2011 AG5. Der wurde im Januar 2011 entdeckt, ist etwa 140 Meter groß und gehört zur Gruppe der erdnahen Asteroiden. Dort findet man auch die potentiell gefährlichen Himmelskörper, die, die eventuell mit der Erde zusammenstoßen könnten. Ein Objekt mit einem Durchmesser von 140 Metern wäre dabei groß genug, um nicht von der Atmosphäre aufgehalten zu werden. Es würde nicht verglühen, sondern bis zum Erdboden durchfallen. Dort würde es allerdings keine globale Zerstörung verursachen, wie zum Beispiel damals, als die Dinosaurier ausgestorben sind. Dafür reichen 140 Meter nicht, da müsste das Objekt schon mindestens einen Kilometer groß sein. Aber 2011 AG5 könnte durchaus eine lokale Katastrophe anrichten. Wenn er auf besiedeltes Gebiet fällt, dann könnten große Bereiche zerstört werden (der Einschlagskrater wäre zwischen 1 und 2 km groß) und im Meer könnte er Flutwellen auslösen. Es gibt also keinen Weltuntergang, unangenehm kann es trotzdem werden. Aber nur dann, wenn er auch wirklich mit der Erde kollidiert! Tut er das?
Ich habe vor einiger Zeit schon mal einen Artikel geschrieben, in dem ich genau erklärt habe, wie man solche Informationen bekommt. Um herauszufinden, ob Erde und ein Asteroid kollidieren, muss man die Bahn des Asteroiden kennen. Je genauer sie bestimmt werden kann, desto genauer weiß man, ob er uns treffen wird, oder nicht. Wenn nur wenig Beobachtungen vorliegen, dann ist die Bahn nicht sehr genau bekannt und es lässt sich manchmal nicht sagen, ob man eine Kollision nun ausschließen kann. In solchen Fällen kann man nur eine Kollisionswahrscheinlichkeit angeben. Um das Ganze ein wenig einfacher zu machen, haben sich die Astronomen die sogenannte “Turiner Skala” ausgedacht. Die Gefahr eines Asteroidenschlages wird hier durch Zahlen ausgedrückt. Das Spektrum reicht von “0” (Das Objekt ist vollkommen ungefährlich) bis hin zu “10” (Wir werden alle sterben!). Man kann nun leicht im Internet nachsehen, wie die einzelnen Asteroiden klassifiziert werden. Sowohl die NASA als auch die Universität Pisa berechnen unabhängig voneinander die Bahnen von Asteroiden, ihre Kollisionswahrscheinlichkeiten und den Wert auf der Turiner Skala.
2011 AG5 wird dort momentan mit einem Wert von “1” geführt. Hier können wir nachlesen, was das bedeutet – ich übersetze es mal ins Deutsche:
“Eine Routineentdeckung, bei der ein naher Vorbeiflug an der Erde vorhergesagt wird, der keine außergewöhnliche Gefahr darstellt. Die aktuellen Berechnungen zeigen, dass die Möglichkeit einer Kollision extrem unwahrscheinlich ist. Es besteht kein Grund für öffentliche Aufmerksamkeit oder Sorge. Zukünftige Beobachtungen werden aller Wahrscheinlichkeit nach dazu führen, dass der Asteroid mit “0” auf der Turiner Skala klassifiziert wird.”
Solche Fälle gibt es regelmäßig – darum spricht die Turiner Skala auch von “Routineentdeckung”. Man findet einen neuen Asteroiden der in der Nähe der Erde vorbei fliegt und kennt aufgrund der vorläufigen Beobachtungen seine Bahn nicht genau genug, um eine Kollision zu 100 Prozent auszuschließen. Darum wird der Asteroid vorerst mit “1” auf der Turiner Skala klassifiziert. Weitere Beobachtungen verbessern die Bahnbestimmung und wir wissen bald genau, dass der Asteroid vorbei fliegen wird. So wird es auch bei 2011 AG5 sein. Schon jetzt beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass er nicht mit der Erde kollidiert ganze 99,84 Prozent. Trotzdem ist es wichtig, dass man solche Fälle weiter beobachtet. Genau darum kümmert sich zum Beispiel das SSA-Programm der ESA. Und genau deswegen beschäftigt sich auch die UNO damit. Jetzt im Februar fand in Wien das 49. Treffen des “Scientific and Technical Subcommittee” des “Committee on the Peaceful Uses of Outer Space” des “United Nations Office for Outer Space Affairs”. Es war also nicht so, dass sich da die UN-Vollversammlung getroffen und vor der drohenden Gefahr eines Asteroideneinschlags gewarnt hat (ein Eindruck, den man bei der Lektüre mancher der hysterischen Berichte über 2011 AG5 gewinnen kann). In Wien trafen sich Wissenschaftler, Ingenieure und andere Leute, die sich mit dem Weltraum beschäftigen und haben diskutiert. Da gab es jede Menge verschiedene Themen: Weltraummüll, Satelliten, Telekommunikation, Raumfahrt und eben auch erdnahe Asteroiden. Es gab Präsentationen über zukünftige nahe Vorbeiflüge und man hat darüber geredet, welche Objekte demnächst genauer beobachtet werden sollen. Eben auch 2011 AG5, um so ganz sicher sein zu können, dass er nicht mit der Erde kollidieren wird. Das wird man vor allem zwischen 2013 und 2016 machen, denn da sind die Beobachtungsbedingungen sehr gut. Dann werden wir besser wissen wie seine Bahn aussieht und ob uns 2040 eine Kollision bevorsteht oder nicht.
Asteroideneinschläge sind ein Thema, das ernst genommen werden muss. Wir wissen, dass in der Vergangenheit Asteroiden mit der Erde kollidiert sind und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass so etwas in Zukunft nicht mehr passieren kann. Es gibt aber keinen Grund, gleich in Hysterie zu verfallen, wenn mal ein kleiner Felsbrocken der Erde etwas näher kommt. 2011 AG5 ist erstmal nichts, worüber man sich Sorgen machen muss. Die Astronomen haben den Himmel im Blick. Es werden immer mehr erdnahe Asteroiden entdeckt und die großen, die wirklich eine globale Katastrophe auslösen können, sind schon fast alle gefunden. Je besser die Technik wird, desto früher finden wir die Asteroiden auch. Und wenn dann irgendwann mal tatsächlich einer dabei sein sollte, der der Erde gefährlich wird, dann kann man dagegen auch etwas tun (siehe dazu meine Serie über Asteroidenabwehr: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5). Vor 2011 AG5 muss jedenfalls keiner Angst haben…
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