Im österreichischen Wochenmagazin FORMAT ist ein Interview mit Dieter Broers erschienen. Das ärgert mich. Nein, nicht wegen Dieter Broers. Zu ihm habe ich in den letzten Jahren alles gesagt, was es zu sagen gibt. Broers ist ein ganz normaler Esoteriker, so wie es sie da draußen haufenweise gibt. Dass ich ihn so oft kritisiere, liegt nur daran, dass er sich, so wie ich, mit dem angeblichen Weltuntergang Ende 2012 beschäftigt und dass er sich bei dieser Beschäftigung als Wissenschaftler ausgibt, der er nicht ist und in dieser Rolle den Menschen mit falschen Aussagen über Physik und Astronomie Angst einjagt. Es ist zwar schade, dass so viele Menschen auf Leute wie Broers hereinfallen. Aber auch nicht sonderlich neu. Esoterischen Unsinn und Menschen, die ihn ernst nehmen, gibt es seit Jahrtausenden und wird es auch weiter geben. Nein, in diesem Fall ärgert mich etwas ganz anderes. Es ärgert mich, dass Journalisten ihren Job nicht richtig machen. Es ärgert mich, dass Journalisten ihre Position und die Autorität ihrer Medien benutzen um Menschen wie Broers eine Bühne zu geben und ihnen Glaubwürdigkeit verleihen. Denn es ist ja nicht das erste Mal, dass FORMAT die Thesen von Dieter Broers verkündet.
Eine der vielen Anhängerinnen der Broerschen Lehre scheint die Journalistin Silvia Jelincic zu sein. Als im November 2011 ihr erster FORMAT-Artikel über Broers erschienen ist, dachte ich ja noch, dass sie, so wie viele andere Menschen, vielleicht einfach nur auf seine Rolle als “Wissenschaftler” reingefallen ist, in der Broers gegenüber den Medien immer wieder gerne auftritt. Ok, auch das wäre keine sonderlich grandiose journalistische Leistung gewesen. Immerhin muss man nicht lange recherchieren, um festzustellen, das Broers kein Wissenschaftler ist. Man muss auch nicht lange recherchieren um festzustellen, dass seine Thesen keinerlei wissenschaftliche Grundlage haben und seine Aussagen oft nachweislich falsch sind (dazu würde es schon reichen, einen beliebigen echten Naturwissenschaftler zu befragen). Aber ok, die Redaktionen sparen immer mehr Personal ein, immer weniger Leute müssen immer mehr Arbeit in immer weniger Zeit erledigen und manchmal rutscht halt ein schlecht recherchierter Artikel durch. Das ist nicht gut, aber leider die Realität.
Eine nähere Betrachtung zeigte dann allerdings, dass Frau Jelincic höchstwahrscheinlich nicht einfach nur schlecht recherchiert hat. Auch in ihrem Blog bei Vienna Online hat sie über Broers geschrieben und nennt ihn da sogar einen “Starforscher”. Sie meint, wir müssen uns auf 2012 vorbereiten und uns dazu mit den Thesen von Broers beschäftigen (und anderen Verschwörungstheorien scheint sie auch nicht abgeneigt zu sein). Sie scheint also durchaus zu wissen, wer Broers ist, sich mit seiner Arbeit beschäftigt zu haben und zu seinen Anhängerin zu gehören. Gut, das kann Frau Jelincic natürlich gerne machen. Es ist weder verboten, pseudowissenschaftlichen Unsinn zu verbreiten, noch diesen pseudowissenschaftlichen Unsinn ernst zu nehmen (und falls mich jemand fragt: es sollte natürlich auch nicht verboten sein). Es macht aber meiner Meinung nach sehr wohl einen Unterschied, ob man als Privatperson den Lehren eines Esoterikers wie Dieter Broers anhängt oder ob man sie in seiner Funktion als Journalistin verbreitet.
Die Medien, vor allem die klassischen Print-, TV- und Hörfunkmedien haben bei vielen Menschen immer noch eine gewisse Autorität; viel mehr als die “neuen” Medien im Internet. Wenn es in der Zeitung steht, dann muss da ja zumindest irgendwas dran sein, ansonsten würden die es ja nicht schreiben, oder? Die Aufgabe eines Journalisten ist es – unter anderem – den Leserinnen und Lesern komplexe Zusammenhänge verständlich zu erklären. Gerade wenn es um Wissenschaft geht, verlassen sich viele Leute darauf, dass die Journalisten ihre Arbeit vernünftig machen und die Dinge gut und vor allem richtig zu erklären. Nicht jeder hat ein wissenschaftliches Studium absolviert und ist in der Lage, die Aussagen in einem Zeitungsartikel zu überprüfen. Man verlässt sich darauf, dass der Journalist seine Aufgabe richtig erledigt hat, dass er recherchiert und die Fakten überprüft hat und dass er keinen Unsinn erzählt. Wenn eine Zeitschrift nun also einen “Wissenschaftler” interviewt, dann wird kaum jemand auf die Idee kommen, es könnte sich nicht um einen Wissenschaftler handeln. Immerhin steht es ja so in der Zeitung!
Silvia Jelincic hat ein “FORMAT-Gespräch mit Werber Alois Schober und Wissenschaftler Dieter Broers“. Das klingt ja erstmal nicht unseriös; ein Wissenschaftler und ein Werber sprechen über die Wirtschaftskrise und die politischen Wandlungen der letzten Monate. Nur leider hat das Interview dann weder etwas mit Wissenschaft noch mit politischer/wirtschaftlicher Analyse zu tun. Broers erzählt die gleichen Dinge, die er immer erzählt, wenn man ihm die Möglichkeit dazu gibt. Er erzählt von den schlimmen Sonnenstürmen, die uns angeblich drohen und davon, wie die Sonnenaktivität unser Bewusstsein beeinflussen wird. Er behauptet wie üblich, wissenschaftliche Fakten würden seine Aussagen untermauern (was nicht stimmt). Neu sind seine Aussagen über Gehirnforschung und Neurologie, die – wenig überraschend – ebenfalls nicht viel mit echter Wissenschaft zu tun haben. So scheint Broers das Gehirn mit einer Art Radiosender zu verwechseln:
“Unser Gehirn als neuronales Netzwerk besteht aus vielen Neuronen, die miteinander verschaltet sind. Je nach Aktivität senden sie elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder aus, quasi wie Radiosender. Einfach gesagt: Je mehr Neuronen aktiv sind, desto größer ist die Sendeleistung. Im Grunde bestimmen unsere Gefühle die Sendeleistung. Ein starker Sender übt auf einen Schwächern einen größeren Einfluss aus als umgekehrt. Ein unbewussterer Mensch kann von einem bewussteren also leichter beeinflusst werden.”
Dass solche Aussagen Unsinn sind, wäre ebenfalls leicht zu erkennen. Würde das Gehirn tatsächlich so starke elektromagnetische Strahlung aussenden, die bis zu den Gehirnen anderer Menschen reichen und sie beeinflussen, dann würde man damit auch jeden Radio- und Fernsehempfang stören oder aber diese elektromagnetischen Signale zumindest klar und deutlich messen können – was aber offensichtlich nicht der Fall ist… Unterstützt wird Broers bei seiner pseudoneurologischen Theoriebildung von Werber Alois Schober, der zum Beispiel behauptet, dass Kanzlerin Merkel wegen ihrer naturwissenschaftlichen Kenntnisse in der Lage ist, diese neuronalen Prozesse zu verstehen und mit ihrem starken Gehirn Millionen von Deutschen beeinflusst. “Belegt” wird das alles nicht nur von Broers Pseudowissenschaft sondern auch mit persönlicher Anekdote von Schober, bei der seine Frau wegen ihres starken Glaubens einen Immobilienmakler zu einem Vertragsabschluss bringen konnte.
Warum gerade ein Werber wie Alois Schober im FORMAT-Interview seine seltsamen Thesen über Angela Merkel und ihre bewusstseinsbeeinflussenden Gehirnradiostrahlen zum besten geben darf, erschließt sich mir nicht. Vielleicht liegt es daran, dass er – wie am Ende des Interviews zu lesen ist – “als Anhänger der Theorien von Wissenschaftler Dieter Broers” gilt.
Die Journalistin und Anhängerin von Dieter Broers Silvia Jelincic interviewt also den Werber und Anhänger von Dieter Broers Alois Schober und Dieter Broers höchst persönlich zu den Thesen von Dieter Broers… Dass hier keine sonderliche objektive oder gar kritische Auseinandersetzung zu erwarten ist, scheint klar.
Es ist äußerst schade, dass sich ein Magazin wie FORMAT für so etwas her gibt. Gibt es dort keine Qualitätskontrolle? Fällt es dort niemandem auf, wenn eine Mitarbeiterin wiederholt solche unkritischen Artikel über einen Esoteriker schreibt (natürlich gab es auch diesmal wieder so wie beim letzten Mal auch zusätzlich noch ein Extra-Interview mit Broers in dem nochmal ausführlich über Astrologie, belebtes Wasser, die Veränderung des Bewusstseins im Jahr 2012 und anderen esoterischen Unsinn geredet wird)? Oder bin ich einfach zu empfindlich?
Wahrscheinlich kann kein Journalist seine persönlichen Ansichten völlig aus seiner Arbeit heraus halten. Und in gewissen Medien ist das auch gar nicht nötig. In einem persönlichen Blog beispielsweise ist vollkommen in Ordnung, auch seine persönliche Meinung zu vertreten (mein Blog ist voll mit meiner persönlichen Meinung zu allen möglichen Dingen – jetzt zum Beispiel zu einem FORMAT-Artikel). Auch eine Kolumne kann und soll ruhig persönlich sein. Aber im Allgemeinen sollte ein Journalist doch bei seiner Arbeit darauf achten, dass seine Artikel objektiv sind. Und wenn sie schon nicht objektiv sind, dann sollten auf keinen Fall falschen Aussagen verbreitet werden. Broers’ “wissenschaftliche” Thesen sind weder wissenschaftlich, noch sind sie richtig. Dieter Broers ist kein Wissenschaftler, kein “Biophysiker” sondern jemand, der esoterische Lehren verbreitet. Der Kritik an seinen Thesen nicht zulässt. Der in seinem Büchern verkündet, die NASA wurde Bilder manipulieren um die darauf abgebildeten UFOs zu vertuschen. Der erzählt, das ihm irgendwelche fiesen Agenten seine Sammlung mit UFO-Bildern gestohlen hätten. Der Bücher darüber schreibt, wie man sich auf die angeblichen Katastrophen und den angeblichen Wandel im Jahr 2012 vorbereiten muss und damit vielen Menschen Angst macht. Der pseudomedizinische Geräte verkauft die gegen Dinge schützen sollen, die gar nicht existieren.
Im Zuge ordentlicher Recherche hätte man all das herausfinden und entsprechend in den Artikel einbauen können. Mich ärgert nicht Dieter Broers. Menschen, die Unsinn erzählen gibt es jede Menge. Menschen, die diesen Unsinn glauben, ebenfalls. Mich ärgern allerdings Journalisten, die diesen Unsinn völlig unkritisch verbreiten und solchen Leuten mit der Autorität ihres Mediums Glaubwürdigkeit verleihen. Die meisten Leserinnen und Leser vertrauen den Journalisten und gehen davon aus, dass sie ihre Arbeit gut machen und keinen Unsinn verbreiten. Artikel wie im FORMAT untergraben dieses Vertrauen.
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