In den Zentren der großen Galaxien befinden sich ebenso große schwarze Löcher. Auch unsere Milchstraße enthält in ihrer Mitte so ein supermassereiches schwarzes Loch, das ungefähr 4,5 Millionen Mal schwerer als unsere Sonne ist. Die Galaxien sitzen nicht regungslos im Weltall, sondern bewegen sich. Und dort wo sich etwas bewegt, kommt es zu Zusammenstößen. Wenn zwei Galaxien kollidieren, dann stößt dort aber eigentlich so gut wie nie etwas physisch zusammen. Zwischen den Sternen ist so viel Platz, dass sich die Galaxien regelrecht durchdringen. Natürlich wirken weiterhin die Gravitationskräfte und die Galaxien werden verformt und verschmelzen irgendwann miteinander. Beim Zusammenstoß zweier Galaxien gibt es nur eine einzige echte Kollision: Nämlich dann, wenn die beiden supermassereichen schwarzen Löcher irgendwann aufeinander treffen. Wenn sie kollidieren, können interessante Sachen passieren.
Was genau passiert, beschreibt die allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein. Die ist manchmal ein klein wenig kompliziert und was passiert, wenn zwei supermassereiche schwarze Löcher zusammenstoßen, weiß man daher erst seit Kurzem.
Einsteins Theorie sagt die Existenz von Gravitationswellen vorher. Das ist schon länger bekannt. Bei der Kollision zweier supermassereicher schwarzer Löcher entstehen solche Wellen auch. Je nach den Eigenschaften der beteiligten Löcher werden diese Wellen allerdings nicht in alle Richtungen gleichmäßig abgestrahlt. Diese asymmetrischen Gravitationswellen wirken nun wie eine Art Rückstoßantrieb und können das aus der Verschmelzung entstandene schwarze Loch beschleunigen. Teilweise auf enorm hohe Geschwindigkeiten; so schnell, dass es aus der Galaxie geworfen wird.
Im direkten Experiment wurden Gravitationswellen noch nicht nachgewiesen. Indirekte Beobachtungen gab es aber schon; zum Beispiel bei Doppelpulsaren. Nun hat man vielleicht auch den Effekt der asymmetrischen Gravitationswellen beobachtet. Die Galaxie CID-42 scheint gerade ihr schwarzes Loch ausgeworfen zu haben.
CID-42 wird von den Astronomen schon länger beobachtet. Es handelt sich um einen “Merger”, also eine Galaxie, die durch die Verschmelzung zweier andere Galaxien entstanden ist. Im Zentrum konnten die Forscher zwei helle Lichtquellen beobachten. Auch ein schwarzes Loch ist hell; seine Umgebung zumindest ist. Denn viele schwarze Löcher in den Zentren von Galaxien sind von einer Scheibe aus Gas und Staub umgeben. Während das Material auf das schwarze Loch fällt, rotiert es mit hoher Geschwindigkeit um das Loch herum und gibt dabei Strahlung ab, die man beobachten kann. Es handelt sich dabei vor allem um Röntgenstrahlung und genau die hat man auch im Zentrum von CID-42 beobachtet. Die Auflösung des Röntgenteleskops war aber zu gering, um feststellen zu können, von welcher der beiden Lichtquellen sie stammt beziehungsweise ob beide Quellen auch Röntgenlicht abgeben. Aus spektroskopischen Messungen wusste man außerdem, dass sich beide Quellen mit knapp 5 Millionen Kilometer pro Stunde voneinander entfernen. Irgendwas interessantes schien hier im Zentrum von CID-42 zu passieren.
Jetzt hat das Weltraum-Röntgenteleskop Chandra sich die Sache mal genauer angesehen. Mit seiner hochauflösenden Kamera konnte es sehen, dass die Röntgenstrahlung tatsächlich nur von einer der beiden Quellen stammte. Die Wissenschaftler gehen also davon aus, dass hier genau das zu sehen ist, was die allgemeine Relativitätstheorie für so einen Fall vorhergesagt hat: Zwei supermassereiche schwarze Löcher sind verschmolzen und die asymmetrischen Gravitationswellen haben ihm einen gewaltigen Schubs versetzt. Jetzt saust es mit enormer Geschwindigkeit aus der Galaxie und lässt einen dichten Sternhaufen zurück (die zweite helle Lichtquelle).
Es wären auch andere Erklärungen denkbar. Vielleicht gab es drei schwarze Löcher (oft verschmelzen auch mehr als zwei Galaxien). Wenn dann ein Paar einander umkreisende schwarze Löcher auf ein drittes trifft, dann wird eines verschluckt und das andere fliegt davon – wie ein Hammer der vom Hammerwerfer plötzlich losgelassen wird. Vielleicht sind es aber auch nur zwei schwarze Löcher die einander umkreisen und noch nicht verschmolzen sind und bei denen die Messung nur den Anschein erweckt, sie würden sich voneinander entfernen. Diese Alternativen haben allerdings ein Problem: Man sieht nur eine Röntgenquelle. Wenn da wirklich noch andere schwarze Löcher sind, dann müsste deren Röntgenstrahlung irgendwie blockiert werden.
Es ist also am Wahrscheinlichsten, dass wir hier wirklich ein schwarzes Loch sehen, dass aus seiner Galaxie geworfen wurde und sich nun auf den Weg in den leeren intergalaktischen Raum macht. Wie genau sich so etwas auf die restliche Galaxie auswirkt, ist noch nicht im Detail untersucht worden. Fälle wie CID-42 sind relativ selten und es ist nicht damit zu rechnen, dass da draußen sehr viele Galaxien sind, die ihre schwarzen Löcher ausgeworfen haben. Es braucht – wie immer – mehr Daten.
Übrigens. Bevor jemand auf die Idee kommt, vor diesen schwarzen Löchern die durchs All sausen Angst zu kriegen: Dazu besteht kein Anlass. Einmal, weil solche Auswürfe nicht so oft vorkommen. Und einmal, weil sich ein schwarzes Loch mit ein paar Millionen Sonnenmassen schon ein paar Jahrtausende vorher ankündigen würde – selbst wenn man es nicht sieht. Seine Gravitationskraft würde ausreichen, um die Bahnen der Sterne zu verändern. Wir wüssten Bescheid, wenn sich so etwas in unserer Nähe herumtreiben würde…
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