Gestern wurde im Naturhistorischen Museum in Wien Goldene Brett 2012 verliehen. Diesen Preis bekommt die Person oder Organisation, “die im vergangenen Jahr den irrwitzigsten Unfug verbreitet hat.”. Es gab über 200 Nominierungen und am Ende 3 Finalisten. Den 2012-Guru Dieter Broers, den Homöopathie-Professor von der Uni Frankfurt/Oder Harald Walach und die Österreichische Ärztekammer. Der Saal im Museum war bis auf den letzten Platz besetzt und auch die Stehplätze wurden eng. Aber der Besuch hat sich gelohnt, der Abend war äußerst amüsant.
Jeder der drei Finalisten wurde von einem Laudator vorgestellt. Den Anfang machte die österreichische Schriftstellerin El Awadalla. Sie erklärte dem Publikum, warum die Österreichische Ärztekammer (ÖAK) für das Goldene Brett nominiert wurde. Man kann der ÖAK natürlich keinen Vorwurf machen, dass sie sich hauptsächlich um das Wohl der Mediziner kümmert und nicht so sehr um das der Patienten. Immerhin ist es ja die Standesvertretung der Ärzte. Sehr wohl vorwerfen kann man der ÖAK aber die absurden Diplome, die sie an ihre Mitglieder verleiht. Homöopathie, Anthroposophie, Kinesiologie, und so weiter: Wenn es einmal als Diplom mit dem Stempel der ÖAK an der Wand eines Ärztezimmers hängt, gewinnen diese pseudomedizinischen Methoden in den Augen der Patienten eine Seriösität, die ihnen nicht zusteht. Für die Ärzte ist das natürlich toll. Denn gestärkt durch die Autorität der Ärztekammer können sie ihren Patienten so leichter die teuren “alternativen” Behandlungen anbieten. Aber, und das war mein Lieblingssatz aus der Laudatio von El Awadalla:
“Der Unterschied zwischen Handauflegen und Handaufhalten ist in der Praxis etwas verschwommen.”
Ein Vertreter der Ärztekammer war ebenfalls anwesend und erzählte uns in seiner Rede eine angeblich alte indische Geschichte vom Brunnenfrosch; vermutlich mit dem Zweck, uns doofen Skeptikern zu zeigen, wie eingeschränkt unser Weltbild ist. Die Geschichte geht so: In einem Brunnen lebt ein Brunnenfrosch. Da kommt eines Tages ein Meeresfrosch und erzählt dem Brunnenfrosch vom großen Meer. Der Brunnenfrosch glaubt aber nicht, dass es etwas geben kann, das größer als sein Brunnen ist und beschimpft den Meeresfrosch als Lügner.
Ich vermute mal, Skeptiker und Wissenschaftler sollen wie der Brunnenfrosch sein, und jedesmal aggressiv und dogmatisch werden, wenn sie auf etwas treffen, das sie nicht verstehen. Oder so halt irgendwie. Ich fand die Story eher etwas blöd, vor allem, weil es keine Frösche gibt, die im Meer leben (wenn doch, dann bitte ich mitlesende Biologen mich zu korrigieren). Es war auf jeden Fall etwas deprimierend, mit anzusehen, wie wenig Ahnung manche Mediziner von Naturwissenschaft haben. Die Erzählungen des ÖAK-Vertreters aus seiner Praxis, in der er ja die “Wirkung” der Homöopathie immer wieder erlebt, machen nochmal deutlich, dass immer noch zu viele Menschen nicht verstanden haben, wie das mit eigenen Wahrnehmung, der Subjektivität, den Einzelfällen aus denen sich nicht auf das Allgemeine schließen lässt und der wissenschaftlichen Methodik funktioniert. Es ist ja auch tatsächlich ein wenig verwirrend. Wenn ein kranker Mensch ein homöopathisches Mittel schluckt und danach gesund wird, dann klingt es ja eigentlich logisch, dass der Grund für die Heilung die Homöopathie war. Aber das ist eben genau der Fehlschluss, dem leider auch viele Ärzte erliegen. Nur weil eine Sache nach einer anderen Sache passiert, ist die eine nicht zwingend der Grund für die andere. Ich gehe jeden Tag aufs Klo und betätige jeden Tag die Klospülung. Und jeden Tag geht die Sonne unter. Trotzdem hat das eine nichts mit dem anderen zu tun. Um herauszufinden, ob es einen tatsächlichen Zusammenhang zwischen zwei Dingen gibt, braucht es objektive, vernünftige, doppelblinde und randomisierte Versuche. Und wenn man die macht, zeigt sich jedesmal, dass Homöopathie nicht wirkt.
Ebenso absurd wie die Homöopathie sind die “wissenschaftlichen” Theorien des Dieter Broers. Über ihn und den ganzen Unsinn, den er über die angeblichen Katastrophen bzw. esoterischen Eigenschaften des Jahrs 2012 verbreitet, habe ich in meinem Blog schon genug geschrieben. Der Laudator Niko Alm hat seine “Leistung” in seiner Rede ebenfalls schön zusammengefasst und dabei den äußerst netten Begriff “logical pole flip” geprägt. Damit ist nicht die (2012 nicht stattfindende) Umpolung des Magnetfeldes gemeint, von der auch Broers immer wieder fantasiert. Sondern die “übersinnliche Beweislastumkehr”, die in der Esoterik und Pseudowissenschaft so populär ist: “Das Phänomen, dass ich mir ausgedacht habe, ist real, so lange du mir nicht beweisen kannst, dass es nicht existiert”.
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