Unser Universum ist nicht nur voller Sterne, sondern auch voller Planeten. Mittlerweile wissen wir, dass die meisten Sterne von Planeten umkreist werden. Wir wissen aber auch, dass es Planeten gibt, die ganz alleine durchs All fliegen, ohne an einen Stern gebunden zu sein. Aus indirekten Beobachtungen weiß man, dass es von ihnen ein paar hundert Milliarden allein in unserer Milchstraße gibt. Es ist allerdings schwer, so einen ungebundenen Planeten direkt zu beobachten (und in der Vergangenheit nur wenige Male geglückt). Astronomen aus Frankreich ist es nun aber vermutlich gelungen.
Philippe Delorme vom Institut de planétologie et d’astrophysique in Grenoble und seine Kollegen waren eigentlich auf der Suche nach braunen Zwergen. Dabei handelt es sich um eine Art Zwitter aus Stern und Planet. Die Grenzen zwischen diesen beiden Objektgruppen sind nicht starr, sondern fließend. Damit ein Stern ein Stern sein kann, muss er für längere Zeit in seinem Inneren Wasserstoff zu Helium fusionieren können. Dafür muss er massereich genug sein, damit der Druck im Zentrum groß und die Temperatur hoch genug wird. Ein Himmelskörper muss ungefähr 80 Mal schwerer sein als der Jupiter, damit das klappt (unsere Sonne ist 1000 Mal schwerer als Jupiter). Aber auch wenn die Masse nicht groß genug ist, können Objekte zumindest für kurze Zeit ein wenig Deuterium fusionieren. Dazu muss man 13 Mal schwerer als Jupiter sein. Solche kleineren Himmelskörper, die keine echten Sterne sind, sondern nur ein bisschen fusionieren und dann langsam auskühlen, nennt man “Braune Zwerge”. Je nach ihrer Masse teil man sie in verschiedene Typen ein und am unteren Ende findet man die kleinen und kühlen T- bzw. Y-Zwerge. Delorme und seine Kollegen sind bei ihrer Suche nach braunen Zwergen genau auf so einen T-Zwerg gestoßen, der sich bei näherer Betrachtung als möglicher Planet herausgestellt hat.
Das Objekt trägt den schönen Namen CFBDSIRJ214947.2-040308.9 wobei die Abkürzung für Canada-France Brown Dwarf Survey InfraRed steht. Braune Zwerge sucht man am besten im Infrarotlicht, denn da sie kaum eigene Strahlung erzeugen sondern nur noch auskühlen und Wärme abgeben, sieht man sie hier besser. Besonders gut klappt das bei jungen Planeten, die erst vor kurzer Zeit entstanden und deswegen noch warm sind. So sieht CFBDSIRJ2149 aus:
Der T-Zwerg ist das kleine blaue Ding, das in der Bildmitte mit Strichen markiert wurde. Jetzt ist zwar vergleichsweise leicht, ein Foto des Himmels zu machen mit jeder Menge Punkte darauf. Es ist aber ziemlich schwer, genau zu bestimmen, wie schwer, groß, alt und weit weg so ein Punkt ist. Und das muss man wissen, bevor man feststellen kann, ob es sich um einen kleinen braunen Zwerg oder doch einen Planeten handelt. Bei so vielen freien Parametern ist die genau Bestimmung der Masse ziemlich knifflig. In diesem Fall haben die Astronomen aber eine Möglichkeit gefunden.
Denn CFBDSIRJ2149 scheint zu einem sogenannten “Bewegungshaufen” zu gehören. So nennt man Gruppen von Sternen, die sich alle mit fast der gleichen Geschwindigkeit in die gleiche Richtung bewegen. Das ist ein Hinweis darauf, dass sie alle zur gleichen Zeit aus der gleichen Gaswolke entstanden sind. Sie haben also auch alle annähernd das gleiche Alter und die gleiche chemische Zusammensetzung. CFBDSIRJ2149 dürfte zum AB-Doradus-Bewegungshaufen gehören. Das ist eine Gruppe aus etwa dreißig jungen Sternen, die gerade mal 50 bis 110 Millionen Jahre alt sind. Der ganze Haufen ist ungefähr 100 Lichtjahre entfernt, also vergleichsweise nahe. Beobachtungen mit dem ESO-NTT-Teleskop haben gezeigt, dass sich CFBDSIRJ2149 genauso bewegt, wie es auch die Sterne im AB-Doradus-Haufen tun und die statistischen Analysen legen nahe, dass er mit einer Wahrscheinlichkeit von knapp 80 Prozent ein Teil des Bewegungshaufens ist.
Wenn das stimmt, dann muss er genau so alt sein und eine ähnliche chemische Zusammensetzung haben wie die anderen Sterne. Er muss auch ungefähr so weit entfernt sein, wie der restliche Haufen. Und wenn man diese Parameter kennt, kann man daraus die fehlenden berechnen und kommt zu dem Schluss, dass CFBDSIRJ2149 nur zwischen 4 und 7 Mal so schwer wie Jupiter ist. Damit liegt er unterhalb der Grenze für einen braunen Zwerg und wäre ein Planet!
Wie gesagt – das gilt nur, wenn er wirklich Teil des Haufens ist. Um das zu verifizieren müssen noch weitere und genauere Beobachtungen gemacht werden. Aber wenn es stimmt, wäre es eine coole Sache. Diese vagabundierenden Planeten können uns viel über unser Universum verraten. Da sie keine Sterne umkreisen und deswegen auch nicht vom Licht eines Sterns überstrahlt werden, kann man sie viel besser direkt beobachten als die normalen Exoplaneten (vorausgesetzt, man hat sie erst mal gefunden). Die vagabundierenden Planeten sind entweder ganz alleine, ohne Stern, entstanden – dann können wir aus ihrer Beobachtung etwas über die Bedingungen bei der Sternentstehung lernen. Denn dann entstammen sie dem gleichen Material, aus dem sich auch die Sterne gebildet haben und unterliegen den selben Mechanismen. Sie sind aber keine Stern geworden, sondern nur kleine Planeten und wie so oft sind es gerade die Ausnahmen, die am interessantesten sind, wenn man einen Prozess wirklich verstehen will. Oder aber die vagabundierenden Planeten entstanden ganz normal und haben früher einen Stern umkreist. Da es aber in der Frühzeit eines Planetensystems recht wild zu geht, fliegen einige der Planeten aus dem System raus und bewegen sich danach allein durchs All. Eine genaue Untersuchung dieser Planeten kann uns also etwas über die Bedingungen zur Zeit der Planetenentstehung beibringen.
Demnächst wird an der Europäischen Südsternwarte das Spectro-Polarimetric High-contrast Exoplanet REsearch-Instrument oder kurz “SPHERE” installiert. Damit hofft man, noch viel mehr solcher vagabundierenden Planeten zu entdecken. Und was auch immer wir von CFBDSIRJ2149 und seinen Kollegen lernen werden: Lernen werden wir auf jeden Fall etwas und am Ende das Universum in dem wir leben besser verstehen als vorher. Und genau darum geht es ja.
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